Tichys Einblick
Verzweiflung bei Lanz

Quarantäne-Rückzieher, Impfpflicht-Chaos, Zwist mit Parteikollegen: Lauterbach mit dem Rücken zur Wand

Karl Lauterbach strauchelt und ist sichtlich angeschlagen: Die Quarantäne soll erst fallen, dann doch nicht. Das Impfpflicht-Vorhaben verheddert sich im Kuhhandel ohne Sinn. Bei Markus Lanz lobt sich Lauterbach dafür in unnachahmlicher Weise selbst. So wird es nicht mehr lange weitergehen.

IMAGO/photothek

Sichtlich angeschlagen sitzt Karl Lauterbach am Dienstagabend bei Markus Lanz und versucht zu erklären, was nicht mehr zu erklären ist. Nach langer und ausführlicher Debatte hatte sich sein Ministerium mit den Bundesländern darauf geeinigt, die Quarantänepflicht ab Mai fallen zu lassen. Diese berechtigte Kapitulation vor der Realität hat den simplen Hintergrund, dass die Gesundheitsämter soweit hinterher sind, dass die meisten ihren Quarantänebescheid erst dann kriegen, wenn ihre Quarantäne bereits vorbei ist. De facto findet also keine Ordnung statt – dann kann man auch aufhören, eine sinnlose Fassade aufrechtzuerhalten.

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Doch schnell liefen seine NoCovid-Anhänger im Netz Sturm, fühlten sich verraten – Karl Lauterbach lässt Risikogruppen im Stich? Aus dem Nichts korrigiert sich Lauterbach bei Lanz dann – er werde die Aufhebung der Quarantänepflicht wieder „einkassieren“, fast so, als habe er sich spontan dazu entschieden. Das „Symbol“ sei verheerend, auch wenn die Maßnahme an sich richtig war. Sogenannte Parteifreunde treten schnell nach. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion twittert: „Ach guck. Danke, Karl Lauterbach! Was so eine laute und emotionale Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion alles bewirken kann. Gut so!“

Lauterbach sitzt auf einmal in der Falle. Denn Politik ist mehr als Talkshow-Gast sein. Seine Partei steht nicht hinter ihm, die Bundesländer haben genug von seinen Tricks, und dem von ihm maßgeblich radikalisierten NoCovid-Lager kann es nie radikal genug sein. Als der Minister nur Talkshow-„Experte“ war, konnte er sich problemlos durchschlängeln – jetzt hat er sich heillos verheddert.

Auch ansonsten läuft es alles andere als gut: Die von ihm so vehement geforderte Impfpflicht droht ins Leere zu laufen. Selbst der von ihm unterstützte Antrag sieht den Impfzwang nur noch für über 60-Jährige vor – und eine Mehrheit hat der Antrag, einen Tag vor der Abstimmung, auch noch nicht. Es wäre ohnehin nur ein fauler Kompromiss, Ergebnis eines Kuhhandels befreit von sachlicher Grundlage.

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Bei Markus Lanz sagt Lauterbach: „Ich will einen einzigen Grund nennen, warum das am Donnerstag durchgeht: schlicht und ergreifend die Zahl 90 Prozent. 90 Prozent der Todesfälle, die ich mit der Impfpflicht ab 18 bekommen hätte, die bekomme ich auch mit der Impfpflicht ab 60. Und das wird jeder kapieren.“ Zumindest der letzte Satz ist offensichtlich falsch – denn den Reaktionen im Netz nach zu urteilen, verstehen die meisten angesichts dieses Satzes nur Bahnhof. Karl Lauterbach versucht verzweifelt, seine Position zu retten. Die Pandemiepolitik der letzten Monate stellt er bei Lanz als Erfolg dar: „Ich konnte aber – wenn man jetzt vom Ergebnis her denkt und nicht vom Narrativ: Wer hat gewonnen wer hat verloren? … Ich konnte mit erreichen, dass die Welle dann runtergegangen ist. Das ist keine Kleinigkeit.“

Selbstüberhöhung und Niederlagen, Ohnmacht und Größenwahn: Lauterbach strauchelt. Und sein zentrales Vorhaben – die Impfpflicht – droht auf Sand zu laufen. Nach mühsamer Kompromissfindung mit der kleinen Gruppe der Anhänger einer Impfpflicht ab 50 Jahren stellt die CDU sich weiter quer. Zunächst meldet der Spiegel, die CDU sei bereit zu Gesprächen, diese dementiert das kurze Zeit später aber wieder.

Es bleibt chaotisch. Lauterbachs Liste seiner Fehler im Amt ist nach 120 Tagen aber bereits in einer Länge, die für einen Rücktritt ausreicht. Und seine Position schmilzt literweise dahin.

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