Tichys Einblick
Mangel an Geburtskliniken absehbar

Lauterbachs Krankenhausreform wäre ein Kahlschlag

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat untersucht, wie sich die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auswirken würden. Das Ergebnis: Sie kämen einem Kahlschlag gleich. Jede zweite werdende Mutter muss sich womöglich eine neue Geburtsklinik suchen.

Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister, während des Pressetermins zum Bericht der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung und Notfallversorgung, 13.02.2023

IMAGO / Chris Emil Janßen

Eine „Revolution“ werde kommen, kündigte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Nikolaustag an. Er werde das Gewinnstreben aus dem Gesundheitswesen nehmen und die Versorgung in Kliniken verbessern. Nun hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft untersucht, wie sich Lauterbachs Pläne zur Umgestaltung der Krankenhaus-Landschaft tatsächlich auswirken würden: Nur mit einem Punkt hat der Gesundheitsminister recht. Seine Veränderungen würden radikal ausfallen – sie würden die gesundheitliche Versorgungsqualität radikal verschlechtern.

Die Analyse hat die Krankenhausgesellschaft vom „Institute for Health Care Business“ (HCB) durchführen lassen. Das Institut hat die Vorschläge Lauterbachs mit offen zugänglichen Daten verglichen. Etwa aus den Jahresberichten der Krankenhäuser aus dem Jahr 2020. Demnach würden nur 230 von 1700 Kliniken die Normen des Standard Level 2 oder Level 3 einhalten. Das würde bedeuten, die anderen 1470 Krankenhäuser dürften viele Leistungen nicht mehr anbieten – und die Patienten müssten sich dann folglich andere Krankenhäuser suchen.

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Das würde zu einer massiven Patientenwanderung führen, wie die Krankenhausgesellschaft berichtet. Demnach müssten sich mehr als die Hälfte aller werdenden Mütter eine neue Geburtsklinik suchen. 56 Prozent der Herzpatienten müssten das Krankenhaus wechseln und 47 Prozent der Männer bräuchten eine neue Urologie. „Wir werden weitere Szenarien durchspielen, um zu sehen, welche Änderungen der Kriterien welche Auswirkungen haben“, sagt Professor Boris Augurzky. Er ist Geschäftsführer des HCB und sitzt in der Experten-Kommission, die an Lauterbachs Vorschlägen mitgearbeitet hat.

Zu den Vorschlägen der Kommission gehört, dass Regelung einheitlich gelten sollen. Bundesweit und ohne Ausnahmen. In der Konsequenz bedeutet das: Eine Geburtsklinik darf nicht mehr als Geburtsklinik arbeiten, wenn sie keine Schlaganfall-Behandlung hat. Fachlich lässt sich das nicht begründen. Es wäre aber die Folge eines Gesetzes, das so konsequent sein soll, dass Lauterbach es als „Revolution“ verkaufen kann. Augurzky spricht sich – zwei Monate nach Vorstellung der Pläne – für eine flexiblere Lösung aus: „Wichtig scheint mir zudem, dass jede Leistungsgruppe an mindestens einem Standort innerhalb der für die Leistungsgruppe passenden Region vorhanden ist.“

Der Gesetzesentwurf zu Lauterbachs „Revolution“ soll im August vorliegen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß fordert Augenmaß: „Die Auswirkungsanalyse hat gezeigt, dass der Vorschlag der Regierungskommission in seiner bisherigen Fassung zu einem sehr tiefen Eingriff in die Krankenhauslandschaft führen würde.“ Sehr viele Kliniken würden ihren bisherigen Auftrag zur Patientenversorgung ganz verlieren oder müssten sehr weitgehend umgestaltet werden. Mit entsprechenden Folgen: „Derart massive Veränderungen würden zu erheblichen Verwerfungen führen und sind sicher nicht erforderlich, um die Krankenhausversorgung zukunftsfest zu machen.“ Die Gesellschaft hat ein eigenes Konzept mit flexibleren Lösungen vorgeschlagen.

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