Tichys Einblick
Neue Flüchtlingskrise

Landespolitiker fordern weniger Migration: Bundesregierung beschleunigt Asylverfahren

Landespolitiker der SPD und der Union warnen vor einer Überforderung der Kommunen. Sie wollen die Migration begrenzen oder Asylverfahren zumindest beschleunigen. Die Bundesregierung hingegen hoft auf mehr Kooperation anderer europäischer Staaten.

Erster Bürgermeister Hamburgs Peter Tschentscher (SPD)

IMAGO / Political-Moments

Führende Landespolitiker fordern eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer. So fordert Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister Hamburgs, dass Georgien, Marokko, Algerien, Tunesien und Indien als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Leute, die aus diesen Ländern einreisen, könnten dann weiterhin Asyl beantragen. Sie müssten im Rahmen ihres Asylantrags aber nachweisen, dass ihnen Verfolgung droht. Klagewege und -Fristen wären verkürzt, das Asylverfahren insgesamt beschleunigt. Gegenüber der Welt erklätrte ein Sprecher des Hamburger Senats, „eine Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsländer für sinnvoll, weil dies die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie bei den Verwaltungsgerichten beschleunigt und die zur Aufnahme verpflichteten Länder und Kommunen entlastet“.

Der Bundestag hatte schon im Januar 2019 eine Ausweitung der sicheren Herkunfststaaten auf Georgien, Algerien, Tunesien und Marokko beschlossen; doch dem Bundesrat wurde der Entschluss noch nicht zur Abstimmung vorgelegt, denn im Falle einer Abstimmung besteht keine Aussicht auf Erfolg. Die Grünen lehnen eine Ausweitung kategorisch ab.

Bisher gelten nur die Staaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien als sichere Herunftsstaaten.

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Auch die CDU unterstützt die Ausweitung der Liste. Rainer Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, forderte, die Entschließung dem Bundesrat „endlich“ auf die Tagesordnung zu setzen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte gegenüber der WELT: „Bei diesen vier Ländern gibt es nur eine minimale Anerkennungsquote“; eine Einstufung Georgiens, Marokkos, Algeriens und Tunesiens als sichere Herkunftsländer seit „dringend geboten“. Und: n“Die Grünen leisten keinen einzigen Beitrag dazu, die illegale Migration nach Deutschland in den Griff zu bekommen. Sie stellen Ideologie über die Interessen des Landes“, so Kretschmer weiter. Es bedürfe Druck aus Berlin um den Entschluss dazu durch den Bundesrat zu bringen.
Bundesregierung will Asylverfahren an Außengrenzen

Die Bundesregierung hingegen will Asylverfahren an den europäischen Ausgrenzen zur Regel machen. In der ARD Sendung „Bericht aus Berlin“ sagte Innenministerin Nancy Faeser: „Also das heißt konkret, dass wir uns in der Ampel geeinigt haben, dass wir dieses gemeinsame Asylsystem voranbringen wollen. Es geht darum, dass […] an den Grenzen schon Asylverfahren stattfinden können. Das heißt, dass bereits dort die Registrierung und Erfassung und Identifizierung der Geflüchteten stattfinden wird. Im Zuge des Ausgleichs im europäischen Asylsystem wird es dann darum gehen, dass auf der anderen Seite eben die Solidarität der anderen Staaten ist, dass wir dann auch diejenigen, die die Schutzquote erfüllen auch aufnehmen. Das ist eine, in der Tat, neue Neuigkeit, dass wir uns darauf geeinigt haben, das voranbringen wollen.“

Dadurch, dass an den EU-Außengrenzen Verfahren durchgeführt werden, sollen die EU-Binnengrenzen offen bleiben. Forderungen, Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen deutlich auszuweiten, erteilte sie eine Absage. Die Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze wurden aber bereits zum zweiten Mal verlängert.

Die Union fordert solche Kontrolle als „Ultima Ratio“. Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag sagte gegenüber der ARD, dass Binnengrenzkontrollen nötig sein könnten, wenn die europäische Union mit der Harmonisierung des Asylrechts nicht vorrankomme. Außerdem forderte er eine Angleichung der Sozialstandards zwischen den Mitgliedsstaaten: „Beispielsweise könnte man auch dadurch, dass man stärker auf Sachleistungen setzt, diese Anreize reduzieren und dafür sorgen, dass wir in Europa vergleichbare Situationen haben.“

Manfred Weber fordert EU-Einsatz im Mittelmeer

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die CDU und CSU angehören, Manfred Weber, fordert größere Anstrengungen zur Bewältigung der neuen Flüchtlingskrise. „Die Migrationsherausforderung muss jetzt endlich entschlossen von den EU-Staaten angepackt werden“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Es wäre an der Zeit, dass die EU-Staaten, geführt von Deutschland und Frankreich, einen EU-Einsatz im Mittelmeer organisieren.“

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Auch solle die EU mit den Staaten Nordafrikas zu einer Übereinkunft kommen. „Wenn das Geld kostet, dann wäre es gut investiertes Geld“, so Weber. Besonders Rückführungsabkommen müssten ausgehandelt werden.
„Illegale Migranten müssen die EU verlassen.“, doch eine Rückführung sei mangels Abkommen nicht immer möglich.

„Leider macht Frankreich in dieser Situation die Grenzen zu Italien zu. Präsident Macron unterstützt die betroffenen Nachbarn nicht, sondern schottet ab“, kritisierte Weber. Ein großteil der im Mittelmeer geretteten Migranten würden von der italienischen Küstenwache gerettet. „So können wir in Europa nicht zu einer gemeinsamen Lösung kommen.“

Kieler Sozialministerin gegen Asylverfahren an EU-Außengrenzen

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) hat sich gegen Pläne der Berliner Ampel-Koalition ausgesprochen, die Asylverfahren künftig bereits an den EU-Außengrenzen abschließen zu lassen. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das die Anrainerstaaten des Mittelmeers entlasten soll und zeitgleich menschenwürdige Unterbringung in bereits jetzt schon überforderten Staaten gelingen soll“, sagte Touré der „Welt“. Das widerspreche außerdem dem Grundgedanken des deutschen Asylrechts.

Eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer lehnte sie ebenfalls ab. „Von einer solchen pauschalen Einteilung in sichere und unsichere Herkunftsländer halten wir gar nichts. Es ist in unserem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass Schleswig-Holstein sich bei diesem Punkt im Bundesrat der Stimme enthalten würde.“
Schleswig-Holstein werde sich stattdessen auf dem Bund-Länder-Gipfel zur Flüchtlingspolitik am 10. Mai für eine höhere Beteiligung des Bundes bei der Finanzierung der Integrationskosten einsetzen. Die bisher von der Ampel-Koalition zugesagten 2,75 Milliarden Euro reichten für bei Weitem nicht aus. „Die Frage wird also auch sein, wie viel es in diesem Jahr tatsächlich gibt. Vor allem aber wird es um eine dauerhafte Finanzierung der Integrationskosten gehen, wie sie sich die Ampel-Regierung selbst in den Koalitionsvertrag geschrieben hat.“ Eine Lösung könnte laut Touré die von verschiedenen Ministerpräsidenten vorgeschlagene jeweils hälftige Finanzierung der Integrationskosten durch Bund und Länder sein. Die Ministerin warb dafür, Asylbewerber künftig die Möglichkeit zu geben, sich schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Schleswig-Holstein werde bei der Abstimmung über das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz im Bundesrat einen Änderungsantrag einbringen, der die in dem Gesetz bisher vorgesehene Trennung zwischen ausländischen Fachkräften und Asylbewerbern aufhebt. Diese Trennung mache angesichts des eklatanten Fachkräftemangels keinen Sinn. „Wir brauchen diese Leute und ich hoffe sehr, dass unser Änderungsantrag aus Schleswig-Holstein zum Spurwechsel eine Mehrheit bekommt am 12. Mai im Bundesrat.“

Tja, Fortsetzung folgt.

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