Tichys Einblick
Kleber will Kurz schulmeistern

Kurz: „Österreichs Wählern verpflichtet, nicht dem Ausland und irgendwelchen Medienvertretern“

Der Moderator des ZDF-heute journals gibt dem österreichischen Wahlsieger Ratschläge aus dem Kanzleramt. Sebastian Kurz kontert mit größter Souveränität. Ein denkwürdiges Gespräch.

Screenprint: ZDF/heute journal

Die Österreicher haben gewählt, Sebastian Kurz‘ Volkspartei hat gewonnen – und ZDF-Moderator Claus Kleber glaubt, ihm nun sagen zu müssen, was jetzt „das Richtige“ für den künftigen Kanzler zu tun sei. Hier der Wortlaut eines denkwürdigen Interviews im ZDF heute journal.


Kleber: Und wir erreichen den Wahlgewinner in der Hofburg in Wien. Einen schönen guten Abend.

Kurz: Schönen guten Abend nach Deutschland.

Kleber: Sie bräuchten nach diesem grandiosen Wahlergebnis die FPÖ nicht mehr, und trotzdem schließen Sie heute Abend auch eine Koalition mit den Rechtsnationalen nicht aus, nach allem was geschehen ist. Warum nicht?

Kurz: Schauen Sie, die inhaltliche Zusammenarbeit mit der Freiheitlichen Partei die hat in den letzten beiden Jahren sehr gut funktioniert. Wir haben sehr viel weiter gebracht und die Zustimmung für diese Regierung war extrem hoch. Es gab danach das Ibiza-Video und die Neuwahl, die kein Wunsch, sondern eine Notwendigkeit war, und danach haben uns die Sozialdemokratie und die freiheitliche Partei gemeinsam als Bundesregierung abgewählt und mich im Parlament abgewählt, das erste Mal in der Geschichte. Jetzt, vier Monate später, hat die Bevölkerung uns zurückgewählt mit einem noch nie da gewesenen Erfolg. Wir haben als Volkspartei fast so viele Stimmen wie die Sozialdemokratie und die Freiheitliche Partei zusammen – wir haben den historisch besten Erfolg aller Zeiten für uns als Volkspartei.

Und insofern werde ich auch genau das tun, was ich meinen Wählerinnen und Wähler im Wahlkampf versprochen habe, nämlich, wenn wir gewählt werden, mit allen Gespräche zu führen und zu versuchen, eine bestmögliche Koalition für Österreich auf die Beine zu stellen.

Kleber: Nun hat hat man deutlich gemerkt, wie Sie versucht haben, die Geschichte mit Ibiza und so weiter als eine kleine Blessur in einer in der Sache doch erfreulichen Zusammenarbeit darzustellen, aber es hat ja mit Ibiza nicht aufgehört – die Skandale gingen danach immer weiter und selbst der FPÖ-Generalsekretär sagt heute, das Wahlergebnis ist für uns, die FPÖ, ganz gewiss kein Auftrag zum weiter mitregieren. Wäre jetzt nicht von Ihnen klare Ansage genau das richtige?

Kurz: Also, ja, vielleicht würden Sie besser wissen, was ich tun sollte, als ich das selbst weiß. Ich hab mich immer daran gehalten, nicht zu schnell meine Meinung zu ändern, sondern einfach das zu tun, was ich vorher auch versprochen hab‘. Und ich hab vor der Wahl ein Versprechen abgegeben, nämlich, dass ich mit allen Parteien Gespräche führen werde, dass ich unvoreingenommen in all diese Gespräche hinein gehen werde und dass ich versuchen werde, mit allen Parteien eine Schnittmenge zu finden. Das gilt für die Freiheitlichen, das gilt für die Sozialdemokraten, das gilt für die Grünen und das gilt für die NEOS.

Das sind die vier anderen Parteien, die im Parlament vertreten sind. Wir haben das beste Ergebnis eingefahren, das man sich nur wünschen kann. Wir sind gestärkt worden, wir haben einen Erfolg, den ich fast noch immer nicht ganz verdauen kann, weil er für mich in dem Ausmaß einfach nicht einmal in meinen Träumen real war, und insofern geben Sie uns doch die Möglichkeit einmal, dieses gute Wahlergebnis in aller Dankbarkeit anzunehmen, vor allem aber auch respektvoll mit dem Ergebnis umzugehen, und respektvoll mit dem Ergebnis umzugehen, heißt aus meiner Sicht, nach der Wahl das zu tun, was man vor der Wahl versprochen hat und das ist mit allen zu sprechen.

Kleber: Nun haben Sie große Kraft gewonnen heute, ganz zweifellos. Erlauben Sie da einem ausländischen Reporter die wichtigste ausländische Frage: Sie wissen, dass die deutsche Regierung, die Benelux-Regierungen, die Frankreich-Regierung und so weiter, sehr darauf hoffen, dass die Allianz mit den zweifelhaften Rechtsnationalen in Österreich aufhört. Spielt ein solcher Gesichtspunkt bei den Überlegungen, die Sie jetzt anstellen werden, überhaupt eine Rolle?

Kurz: Nein. Ich bin meinen Wählerinnen und Wählern verpflichtet und nicht dem Ausland und auch nicht irgendwelchen Medienvertreten und auch anderen Tippgebern. Ich war gerade in einer Fernsehdiskussion, da hat ausgerechnet der Chef der Partei, die aus dem Parlament hinausgeflogen ist, mir noch Tipps mitgegeben, wie wir jetzt die Regierungsarbeit anlegen sollen oder mit wem wir regieren sollen.

Ich kann Ihnen nur sagen, ich stehe zu meinem Wort und mein Wort im Wahlkampf war: Wir sprechen mit allen im Parlament vertretenen Parteien. Das werden wir tun und ich werde dann versuchen abzuwägen, mit welcher Partei gibt’s die größten inhaltlichen Übereinstimmungen, mit welcher Partei ist auch die notwendige Stabilität vorhanden, um eine Regierung bilden zu können, mit welcher Partei finden wir auch Personen, die die charakterlichen Eigenschaften haben, die es braucht, um ein Regierungsamt auszuüben und all das gilt es dann abzuwägen und zu beraten.

Sie müssen sich vorstellen: Wir haben heute als Volkspartei einen historischen Tag erlebt. Und ich könnte jetzt natürlich mich ausgelassen freuen, das werde ich heute hoffentlich nach dem Interview auch noch tun können. Aber neben dieser unendlich großen Freude, die ich empfinde, und der unendlich großen Dankbarkeit, spüre ich schon eine starke Verantwortung. Das ist ja keine Kleinigkeit, eine Regierung zu bilden.

Das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Da geht es um die Zukunft unseres Landes, um die nächsten fünf Jahre unseres Landes, und das gilt es ganz behutsam und ordentlich zu machen und dafür werde ich mir auch die entsprechende Zeit nehmen und mich jetzt sicherlich nicht zu Schnellschüssen hinreißen lassen, irgendwelche Parteien ausschließen, irgendwelche Parteien präferieren, weil das vielleicht das Ausland oder irgendein Medium sich wünschen würde. Das Vertrauen, das wir heute bekommen haben, ist ein großes und mit dem gilt es auch verantwortungsvoll umzugehen.

Kleber: Wann denken Sie denn, wird Österreich wieder eine gewählte Regierung haben?

Kurz: Wann wir eine gewählte Regierung haben, das kann ich Ihnen noch nicht zu 100 Prozent prophezeien. Es wird sicherlich eine gewisse Zeit brauchen, diese Regierungsbildung zu bewältigen. Ich werde wahrscheinlich diese Woche den Regierungsbildungsauftrag bekommen, werd‘ mich dann sofort an die Gespräche machen. Letztes Mal waren wir sehr, sehr schnell, ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass das diesmal deutlich länger dauert, insbesondere, weil die Situation in den einzelnen Parteien sehr unübersichtlich ist.

In der freiheitlichen Partei gab es so eine massive Niederlage, dass die von sich aus sagen, sie wollen wahrscheinlich gar nicht regieren. In der Sozialdemokratie: das schlechteste Ergebnis in deren Geschichte – wird es auch noch Diskussionen in den nächsten Tagen und Wochen geben. Die Grünen sind neu ins Parlament gekommen und der Chef der Grünen hat mir gesagt, das ist jetzt mal seine Hauptverantwortung, überhaupt diesen Club zu konstituieren. Insofern werden wir, aber vor allem auch die anderen Parteien, glaube ich, durchaus ein stückweit Zeit brauchen für diese verantwortungsvolle Aufgabe.

Kleber: Da ist es ja gut, dass die Österreicher mit der gegenwärtig regierenden Expertenregierung ohne politische Parteien so zufrieden sind. Wir wünschen Ihnen einen schönen Abend und danken für das Gespräch.

Kurz: Ich danke Ihnen. Vielen Dank für die Möglichkeit.