Tichys Einblick
Carlsen Verlag

Kinder- und Jugendbuchverlag gehorcht chinesischen Zensurforderungen

Künftig darf der Junge Moritz nicht mehr erzählen, dass das „Virus aus China kommt und sich von dort aus auf der ganzen Welt ausgebreitet“ hat.

Screenprint: carlsen.de

Weitestgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit spielt sich eine bizarre Szene um ein Kinderbuch eines deutschen Kinder- und Jugendbuch-Verlags ab, die inzwischen sogar die chinesische Auslandsvertretung in Deutschland erreicht hat.

Die chinesischsprachige „Chinesische Handelszeitung“, die von in Deutschland lebenden Auslandschinesen herausgegeben wird und sich primär an die im deutschsprachigen Raum lebenden Chinesen und aus China kommenden Geschäftsleute richtet, berichtete in einem Artikel vom 4. März von einer großen Aufregung unter den Chinesen in Deutschland.

Demnach habe ein Kinderbuch aus Hamburg gewagt, von einem „chinesischen Ursprung des Corona-Virus“ zu schreiben. Dies habe eine große Empörungswelle unter den Chinesen in Deutschland ausgelöst, die dies als eine Beleidigung von Chinesen empfinden würden.

Was genau ist dort passiert?

Die große chinesische Aufregung dreht sich um das Kinderbuch „Lesemaus 185: Ein Corona Regenbogen für Anna und Moritz“, das von dem Hamburger „Carlsen Verlag“ herausgegeben wird. In jenem Buch werden „die wichtigsten Tipps für Kita und Grundschule zum richtigen Verhalten in der Corona-Zeit“ leicht verständlich erzählt.

Darin erzählt der Junge Moritz, dass das „Virus aus China kommt und sich von dort aus auf der ganzen Welt ausgebreitet“ hat.

Dieser Satz von Moritz hat laut der Chinesischen Handelszeitung für große Verstimmungen unter den Chinesen gesorgt. Prompt haben mehrere Chinesen Protestmails an den Verlag geschrieben.

Quelle: Chinesische Handelszeitung

Auch das chinesische Konsulat in Hamburg hat inzwischen interveniert und hat am 4. März eine Mitteilung auf seinem Wechat-Account veröffentlicht, wonach das Konsulat diesem Vorfall „hohe Beachtung schenkt und unverzüglich bei dem entsprechenden Verlag interveniert“ hätte.

Quelle: Chinesische Handelszeitung

Die Ankündigung des Carlsen Verlags, dass die „unsensible Formulierung“ in einem nächsten Nachdruck des Titels geändert werden werde, reichte aber laut der Chinesischen Handelszeitung vielen Chinesen noch nicht. Viele forderten laut einem Artikel auch eine Entschuldigung der Autorin (Constanze Steindamm) dieses Kinderbuchs für diese Formulierung und einen Rückruf des Buchs.

Die Chinesische Handelszeitung merkte an, dass das Corona-Virus zunächst in Wuhan gemeldet wurde. Dies bedeutete aber nicht, dass der Ursprung des Virus auch dort liege.

Der Vorfall brachte aber auch einige Deutsch-Chinesen als „Deutschlandkenner“ auf den Plan, Ratschläge für eine richtige Vorgehensweise in dem Vorfall zu empfehlen.

So hat ein in Deutschland aufgewachsener deutsch-chinesischer Publizist und Journalist namens „Lei Zhou“ einen Artikel in seinem offiziellen WeChat-Account geschrieben, in dem er sechs „Tipps“ für eine richtige Vorgehensweise der Chinesen in Deutschland im Falle des Hamburger Kinderbuchs vorschlägt. Unter anderem schlägt Zhou vor, dass Chinesen, wenn sie hier in dem Vorfall rechtlich gegen den Verlag bzw. gegen die Autorin des Buchs vorgehen wollen, den Fokus auf „mögliche negative Auswirkungen auf chinesischstämmige Kinder in Kindergärten, z.B. durch Ablehnung seitens der deutschen Kinder“ legen sollen, aber nicht primär auf den Ursprung des Corona-Virus.

Offenbar weiß hier jemand, der sich mit den deutschen Gepflogenheiten auskennt, genau, was politische Korrektheit in Deutschland bedeutet und wo man am besten ansetzen sollte, um seine Forderungen in Deutschland durchzusetzen.

Er sollte recht behalten. Denn kaum drei Tagen nach Eingang der ersten Protestmails hat sich der Carlsen Verlag laut der Chinesischen Handelszeitung in einer öffentlichen Stellungnahme für die Formulierung im Kinderbuch entschuldigt. Die Aussage über die Herkunft des Virus würde der Verlag heute so nicht mehr formulieren. Die Auslieferung des Buchs werde mit sofortiger Wirkung gestoppt. Noch vorhandene Exemplare werden vernichtet, die Korrektur der Neuauflage sei bereits veranlasst.

Quelle: Chinesische Handelszeitung

Die Chinesische Handelszeitung feiert dies indes als einen „Erfolg im Krieg gegen die Beleidigung von Chinesen und einen Sieg im Kampf gegen die Diskriminierung“. Die Chinesen in Deutschland hätten in „dieser Schlacht auf ganzer Linie gesiegt“ und Musterbeispiele für spätere Generationen statuiert.

Damit ist es aber noch nicht genug. Chinesische Gruppierungen in Deutschland planen einen Protestbrief an den Carlsen Verlag und sammeln Unterschriften. Am Samstag sollte der „Rat der Chinesen“ in Frankfurt Unterschriften für den Protestbrief sammeln, wegen „unangemessener Formulierung bezüglich des Ursprungs des Corona-Virus“.

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