Tichys Einblick
Schulsenatorin Busse stellt Bericht vor

Kindesmissbrauch: Die Causa Kentler wirkt in die Gegenwart nach

Der neue Zwischenbericht, den die Berliner Schulsenatorin Busse zum Kentler-Experiment vorstellte, enthüllt: Auch der Sexualpädagoge Helmut Kentler selbst verging sich an Minderjährigen. Kritikerin Hedwig von Beverfoerde von "DemoFürAlle" sieht eine direkte Linie zum „aktuell grassierenden Transgender-Hype“.

Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse, verantwortlich für Aufarbeitung der Fälle des pädophilen Netzwerkes in Berlin.

IMAGO / Political-Moments

Kentler und kein Ende. Der Schatten des „Sexualpädagogen“ ist lang – und reicht von den 1960ern bis in unsere Zeit. Ein am Montag vorgestellter Zwischenbericht der Studie „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“ hat bestätigt, dass Kentler nicht nur Jugendliche in die Hand von pädosexuellen Straftätern überwiesen hat – sondern er auch selbst als Missbrauchstäter aktiv war.

Der Bericht belegt, dass Kentler sich selbst an Minderjährigen verging. Eine betroffene Person berichtet den Forschern, dass sie und andere junge Menschen in den 1970er Jahren in der Berliner Wohnung von Helmut Kentler lebten und dort „massiven Übergriffen und sexualisierter Gewalt durch Helmut Kentler selbst ausgesetzt waren. Insbesondere junge Menschen im Alter von 10 bis 14 Jahren bezeichnete Helmut Kentler als ‚seine Favoriten‘.“

Rüdiger Lautmann und Helmut Kentler
Als der Berliner Senat Kinder an einschlägig Vorbestrafte auslieferte
Kentler nutzte für die „Vermittlung“ von Kindern und Jugendlichen die guten Verbindungen zur Berliner Senatsverwaltung. Allein im Fall der „Pflegestelle H.“ wurden zehn Jungen von einem Pädosexuellen missbraucht und vergewaltigt. Ein Kind starb unter ungeklärten Umständen. Die Verantwortung der Berliner Jugendämter, unter deren Aufsicht die Kinder an vorbestrafte Pädophile bzw. Päderasten ausgehändigt wurden, ist bis heute noch nicht komplett aufgearbeitet.

Der Zwischenbericht bestätigt den Verdacht, dass Berlin nur die Schaltstelle eines größeren Netzwerkes in der ganzen Bundesrepublik war – mit Verbindungen, die bis heute fortbestehen könnten. Zu dem Netzwerk gehören laut den Autoren auch Wissenschaftler, die „die Schriften Helmut Kentlers weiterhin rezipiert haben bzw. rezipieren und sich somit weder eindeutig von der Figur Kentler und seinen Positionen und Handlungen distanziert, die über ihr Wissen über sexualisierte Übergriffe in diesem Kontext und darüber hinaus nicht berichten, noch sich kritisch mit seinen Positionen und Handlungen auseinandergesetzt haben“.

Schulsenatorin Astrid Sabine Busse stellte den Bericht selbst vor. Zitate: „Die Berliner Senatsverwaltung (…) hat während der Heimreform der 1970er Jahre die Einrichtung von Wohngemeinschaften und Pflegestellen bei pädophilen Männern nicht nur geduldet, diese lagen auch in der Fallverantwortung der Senatsverwaltung.“ Und: „Es gab ein Netzwerk von Handelnden, durch das pädophile Positionen geduldet, gestärkt und legitimiert wurden. Übergriffe wurden in unterschiedlichsten Konstellationen arrangiert und gerechtfertigt.“ Die Namen von Tätern und Verantwortlichen nennt die Studie nicht.

Der Fall Kentler ist damit kein Aktenstück, keine Historie, keine abgeschlossene Sache der Vergangenheit. Die Causa wirkt in die Gegenwart nach – und verbleibt mit vielen Fragezeichen bestehen. Eine entscheidende Bedeutung bei der Aufarbeitung des Falls und der Nachverfolgung von Traditionslinien bis in die Gegenwart hat das Bündnis „Demo für Alle“. Hedwig von Beverfoerde und ihr Team haben über Jahre die verschiedenen Fäden und Hinweise zu dem Fall gesichtet, Broschüren herausgegeben und sogar einen Dokumentarfilm gedreht. Gegenüber TE hat sie zu den neuesten Erkenntnissen ausführlich Stellung genommen.

Die noch laufende Studie, so Beverfoerde, habe die „sensationelle Erkenntnis“ erbracht, dass dessen gesamtes Wirken als „durch und durch schändlich und kriminell“ enttarnt worden sei. „Damit ist auch der Beleg erbracht, dass die von Kentler erdachte Sexualpädagogik, deren Unwissenschaftlichkeit bereits in Vorgängerstudien (von Dr. Nentwig) festgestellt worden war, den Fantasien eines pädosexuellen Verbrechers entspringen und diese durch sexualisierende Zubereitung der Kinder systematisch bedienen“, bewertet sie den Befund. Doch die Sprecherin der „Demo für alle“ geht noch weiter und sieht eine Verbindung zu aktuellen Trends.

„Im Zuge tieferer Erforschung der heute in Schulen und Kitas verbreiteten schamverletzenden ‚Sexualpädagogik der Vielfalt‘, beschäftigt sich DemoFürAlle schon seit Jahren mit Helmut Kentler, auf dessen Lehre diese Pädagogik zurückgeht. Zu deren Grundthesen gehört die Behauptung, das Kind sei von Geburt ein ‚sexuelles Wesen‘, das von klein auf angeleitet werden solle, sich sexuell zu betätigen, auch sich selbst zu befriedigen“, erklärt von Beverfoerde.

Neuer Dokumentarfilm
„KentlerGate“ zeigt die Abgründe der Berliner Sexualpädagogik
Demnach laute die Grundregel seit Kentler „Lernen durch Tun!“. Sexualität könne nach Kentler nur erzogen werden, wenn etwas Sexuelles passiere. Es laufe eine „direkte kindeswohlgefährdende Linie“ von der „emanzipatorischen Sexualpädagagik“ Kentlers über die pädagogischen Lehren seines Nachfolgers Uwe Sielert zur „Sexualpädagogik der Vielfalt“ hin zum aktuell grassierenden Transgender-Hype, dem die Ampelregierung jetzt mit ihrem geplanten Selbstbestimmungsgesetz die amtliche Beglaubigung verschaffen wolle.

„Der Zwischenbericht der laufenden Kentlerstudie liefert das letzte Puzzlestück zu dem Gesamtbild, wie ein Kinderschänder seine kranken Fantasien höchst erfolgreich in ein staatlich anerkanntes ‚pädagogisches‘ Programm gießen konnte und damit ganze Generationen von Kindern weit über seinen Tod hinaus geistig-seelisch bis heute missbraucht“, sagte sie gegenüber TE.

Die „Demo für Alle“ fordere daher „mit größtem Nachdruck“, dass „die von Kentler begründete und von seinen Schülern fortentwickelte Sexualpädagogik jetzt vollständig verworfen und aus sämtlichen Lehr- und Bildungsplänen für Schulen und Kitas entfernt“ werde. Die vollständige Studie soll bis zum 30. September 2023 vorliegen.

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