Tichys Einblick
„Unser Land wird sich verändern“

Als Katrin Göring-Eckardt die Unfreiheit für Deutschland umarmte

Während in Brüssel Soldaten wegen Terroralarm patrouillierten, begründete Katrin Göring-Eckardt am 20. November 2015 in einer Rede in Halle die Moralverformung in der deutschen Politik, den NGO-Staat im Staate und weitere Übel, die sich als die Zukunft erweisen sollten. Alles begann mit einer Phrase: „Es wird bunter werden. Ja, wie wunderbar ist das!“

Wie war das noch im November 2015? Es ist lange her, viele mussten erst mühsam ihre Vorurteile ablegen, was die Folgen illegaler Migration nach Deutschland angeht. „Man“ glaubte noch an den syrischen Arzt und den irakischen Raketenforscher, die sich unerlaubt Zugang zum Bundesgebiet verschafften. Angela Merkel hatte mitten im Sommer gesagt, dass ein Heer Migranten sich vom Budapester Hauptbahnhof zur deutschen Grenze aufmachen durfte, während Ungarn am Schengen-Abkommen hatte festhalten wollen, nach dem Flüchtlinge nur über offizielle Grenzübergänge Zutritt zu einem EU-Land haben sollten.

Einige redeten schon damals darüber, wie man Grenzen dicht macht. Doch die meisten redeten nur, wie die Söder-CSU. Mit diesem Hinweis eröffnete Karin Göring-Eckardt ihre Rede vor der grünen Bundesdelegiertenkonferenz in Halle an der Saale am 20. November 2015, vor genau acht Jahren. Göring-Eckardt war damals Fraktionschefin ihrer Partei, der Grünen, und sie sprach auf einem emotionalen Parteitag inmitten der ersten (oder auch zweiten) Migrationskrise in Deutschland.

Als erstes fuhr sie den rückwärtsgewandten CSUlern über den Mund. Denn die Grünen, so KGE, redeten „darüber, wie unser Land in 20, in 30 Jahren aussieht“. Und dazu fielen der Politikerin jene Worte ein, die ihr seitdem mannigfach und vollkommen zu Recht um die Ohren geschlagen werden. Eigentlich lieferte KGE hier die klassische Definition grüner Migrationspolitik und Moralbewirtschaftung:

„Es wird jünger werden. Ja, wie großartig ist das denn? Wie lange haben wir über die Demographie gesprochen? Es wird bunter werden. Ja, wie wunderbar ist das! Das haben wir uns immer gewünscht. Wahrscheinlich wird es auch religiöser werden. Na klar. Die Rolle der Frau, die Gleichstellung Homosexueller, alles das ist nicht automatisch, alles das sind keine Selbstverständlichkeiten für manche, die ankommen. Und das steht auch nicht zur Debatte.“

Damals schon klar: Die Rechte von Frauen und Homosexuellen werden in Frage gestellt

Ja, bei dieser Erwähnung des religiösen Hintergrunds der meisten Migranten war schon ein ganz kleines Bedauern in der Stimme Göring-Eckardts zu hören. Ein kurzes „Ach“ schien auch aus dem Auditorium zu dringen, nicht unbedingt im Sinne Loriots, eher schon im kritischen, schmerzvollen Sinne von: „Das finden wir eigentlich gar nicht gut.“ Später kam dann noch der ebenfalls bekannte KGE-Satz, heute auch ein Klassiker, dazu: „Unser Land wird sich verändern, und zwar drastisch. Und ich sag euch eins: Ich freu’ mich drauf, vielleicht auch weil ich schon mal eine friedliche Revolution erlebt habe. Dieses hier könnte die sein, die unser Land besser macht.“

Den Verlust des real existierenden Sozialismus scheint Göring-Eckardt 1989 schwer verwunden zu haben. Von diesem geistig trüben Sommer 2015 mit seiner obrigkeitshörigen Politikumsetzung erhoffte sie sich eine Konterrevolution gegen 1989, die demokratische Revolution schlechthin, die Deutschland erlebt hat. Und es folgt die nun wahrhaft zynische KGE-Wende: damit das Land endlich wieder dem Besseren, so, wie sie es verstand, entgegenginge.

In den Rang der friedlichen Revolution wurde damit erhoben: „dieses hier“, das amorphe Geschehen an deutschen Grenzen, die Menschenströme und Tausendfüßlermärsche, die Panik im Kanzleramt und das Kneifen in Innenministerium und Parlament, und auch ein ebensolches Geschehen in den Erstaufnahmen und Migrantenheimen, wo sich Leute aus fremden Ländern – Syrien, Irak, Afghanistan etc. – einstellten und ihre Kultur mitbrachten, durch die Katrin Göring-Eckardt sich allen Ernstes (!) eine Revolutionierung der deutschen Lebensweise erhoffte.

Trüber Sommer, amorphes Geschehen, mystische Doktrin

In der Rede finden sich auch sonst alle Bestandteile der mystischen Doktrin der Grünen von der alles heilmachenden, Deutschland segnenden Asylmigration. Angefangen von: „Uns geht es ziemlich gut in diesem Land, und deswegen können wir das auch.“ Bis hin zu: „Ich bin stolz, dass diese Partei nicht nur darüber redet, sondern dass sie tut, dass sie handelt, wo sie gebraucht wird, mit vielen anderen Bürgern und Bürgerinnen zusammen.“

Diese Sätze waren die Ankündigung einer zivilgesellschaftlich unterfütterten grünen Bewegung, die tatsächlich nur zum kleineren Teil im Bundestag sitzt. Zum größten Teil „handeln“ diese Grünen und die ihnen assoziierten Bürger in irgendwelchen Vereinen, Clubs, NGOs, die aber dann wiederum zufällig Geld aus der Bundessteuerkasse erhalten, weil es die grüne Minderheit im Bundestag so will zusammen mit anderen (SPD, Union usw.), die zum Teil vielleicht moralisch dazu erpresst wurden, zuletzt aber wohl auch etwas vom Kuchen abhaben wollten. (Jüngstes Beispiel war die Unionsfraktion im November 2022 – immer wieder dieser Monat –, die Steuermillionen für Schlepper-NGOs zustimmte, nur damit die Asylindustrie des Vatikans auch Geld bekam.)

Der reale Terror im Laufband

Das alles – und hier wird es wirklich grauenhaft – sagt Göring-Eckardt, während in der Phoenix-Banderole die Nachrichten von einer realen Terrorgefahr in Brüssel durchlaufen an eben diesem 20. November 2015. Die blutigen Anschläge des IS am Pariser Bataclan und am Stade de France lagen damals nur eine Woche zurück, und man fürchtete, dass einer der Terroristen sich in Brüssel aufhielt. Soldaten und bewaffnete Polizisten patrouillierten in der Innenstadt; die Metro blieb geschlossen; den Bürgern wurde empfohlen, zu Hause zu bleiben. Der „Sicherheitslockdown“ dauerte bis zum 25. November. Doch KGE hatte nicht verstanden. Auch die versammelten Grünen kümmerte all das nicht die Bohne. Sie hatten keine (Un-)Sicherheitsberichte gelesen, die es europaweit durchaus gab.

Die Delegierten beklatschten die Antragsrede zur „Einwanderungsgesellschaft“ teils phrenetisch und forderten zeitgleich Abbitten vom schwarzen Schaf Boris Palmer, der sich in das „Wir können das“ seiner Fraktionschefin einzureihen habe, das über das „Wir schaffen das“ Angela Merkels in Barack-Obama-Manier hinausgehen wollte („Yes, we can“). Ja, wir können Deutschland in zwei Hälften spalten, von denen nur eine uns so hartnäckig unterstützen wird, wie sie es tat, während die andere „Hälfte“ zur schweigenden Mehrheit gemacht wurde. Kollektiv wurde hier Stimmung für noch mehr ungeordnete, illegale Zuwanderung gemacht, die im selben Augenblick bereits im ersten „Sicherheitslockdown“ Europas gipfelte.

Und dann kam noch ein Klassiker: Die grüne Partei habe gezeigt, „was Haltung ist“, sagte Göring da auch noch, und das sei mehr als eine Frage von Geld und Organisation. Mehr war das vielleicht schon, diese „Haltung“, es war die Verdrängung der Verantwortungs- durch Gesinnungsethik, des abwägenden Verstandes durch das matte Herz der im Nachkrieg kleben gebliebenen Deutschen. Aber Geld und Organisation gehörten eben auch ganz eindeutig zu dieser „Haltung“, von der Göring-Eckardt sprach. Eventuell hat Göring-Eckardt an dieser Stelle eine Matrix geprägt, die noch jahrelang für abgehalfterte ÖR-Magazin-Moderatoren (etwa Georg Restle, Anja Reschke) gültig bleiben sollte.

Moralische Selbstunterdrückung als Erbe einer Rede

Auf dem Weg zu dieser ‚Haltung‘ war KGE übrigens bereit, auf viele Standards zu verzichten – zuallererst bei der Flüchtlingsunterbringung. Auch das sehen wir bis heute als Trend. Die Grünen sind diesem Leitspruch bis heute treu geblieben, nur dass er heute nicht allein die Unterbringung der Migranten betrifft, sondern die Gesellschaft insgesamt. Alle Deutschen dürfen nun jeden Tag ein bisschen mehr auf ihre Standards (Straßen ohne Schlaglöcher, funktionierende Züge, heile Schulen und Schwimmbäder) verzichten, während Bund, Länder und Kommunen die entsprechenden Gelder fleißig für andere ausgeben oder ausgeben müssen.

Diese moralische Unterdrückung der deutschen Eigeninteressen ist vielleicht das eigentliche Erbe dieser Rede im November 2015, die schon damals ganz fest die Augen vor der in Deutschland Einzug haltenden Realität verschloss. Auf der anderen Seite dürften die „Hohepriester“ dieser Politik – wie eben KGE – sehr genau gewusst haben, wie die Sache in den kommenden Jahren ablaufen würde.

Dass es nicht ohne Einbußen der Freiheit, der Gleichberechtigung, der Sicherheit usw. gehen würde, dass Deutschland sich in diesen Konflikten quasi aufzehren würde, woraufhin man von links-grün-woker Seite den Antirassismus als Tonikum einführte, das den geschlagenen Deutschen den Rücken moralisch wieder aufrichten sollte. Aber geschlagen blieben sie eben – durch die vermutlich größten finanziellen, sicherheitspolitischen und demographischen Lasten, die ein Volk jemals in der Geschichte freiwillig eingegangen ist.

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