Tichys Einblick
Wahlkampf in der EU

Juncker ernennt sich zum Wahrheitsrichter

Ans Ende seiner Dienstzeit als oberster leitender Angestellter der Bürokratie der EU setzt sich Juncker ein trauriges Denkmal. Wahrscheinlich nicht das Letzte.

Ben Stansall/AFP/Getty Images

Unter Berufung auf eine Interview der Funke Mediengruppe mit dem Leitenden Angestellten der Kommission der EU, Jeand-Claude Juncker, berichtet der Tagesspiegel:

»“Ich sehe schon den Versuch, die Wahl zum EU-Parlament durch Manipulationen zu beeinflussen. Das kommt aus mehreren Ecken, nicht nur von außerhalb der EU.“ Auch Staaten innerhalb der Union versuchten, den Wählerwillen mit Fake News in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Als Beispiel nannte der Kommissionschef den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der behauptet, Juncker sei Schuld am Brexit. „Die ungarische Regierung behauptet auch, ich sei Schuld an der Spaltung von Ost und West in Europa – dabei hat die Kommission alles getan, um diesen Graben zuzuschütten.“«

Juncker spricht also nicht von von Wahrheit, Lüge und Fake News, sondern von unterschiedlichen Beurteilungen und Meinungen. Bisher war es geradezu der Sinn von Wahlkämpfen, unterschiedliche Meinungen zu allen relevanten Fragen mehr oder weniger friedlich zu präsentieren und streitig auszutragen. Nunmehr im Fake News Fieber maßt sich der von den Regierungen der Mitgliedsländer der EU bestimmte Geschäftsführer der Bürokratie der EU, genannt Kommission, an, darüber zu urteilen, welcher seiner Dienstherren die Wahrheit sagt und welcher Fake News verbreitet.

Noch deutlicher tritt Junckers Einstellung in der redaktionellen Fußnote von Tagesspiegel.de zu Tage:

»In einer früheren Version dieses Texts wurde Juncker mit den Worten „Ab Mittwoch nach Ostern wird zurückgeschossen“ sowie „Das kommt aus mehreren Ecken, nicht nur von Russland“ zitiert. Die Nachrichtenagentur AFP meldet dazu, diese Sätze seien laut Funke Mediengruppe nicht von Juncker freigegeben worden. Wir haben die Meldung entsprechend aktualisiert.«

AFP meldete also nicht, dass Juncker sich nicht so ausgedrückt hatte, sondern diese Formulierungen nachträglich nicht autorisierte.

Tja, Herr Juncker, mit der Wahl der Worte in Anlehnung an Hitler zu Beginn des Überfalls der Deutschen Wehrmacht auf Polen haben Sie dem eben verstorbenen Großherzog von Luxemburg, der als junger Mann im britischen Regiment Irish Guards gegen Hitlerdeutschland kämpfte, keinen Respekt erwiesen.

Zurück zum Wahlkampf in nun wohl wieder 28 Mitgliedsländern der EU. In diesen Nationalstaaten werden die Abgeordneten in ein Parlament gewählt, weshalb sie dort kein EU-Volk vertreten, sondern die Völker ihrer Nationalstaaten. Dass diese Bürger bei der Wahl im Mai nicht zuletzt danach abstimmen, welche nationale Partei welche Meinung zur Politik der Kommission der EU vertreten, treibt Juncker zu Recht um, denn er repräsentiert diese Politik öffentlich, obwohl alle Entscheidungen vom Rat der EU getroffen werden.

Angesichts dieser Tatsache wäre Junckers Anmaßung, darüber richten zu wollen, welr seiner Dienstherren Fake News verbreitet und wer die Wahrheit spricht, reif fürs Kabarett, wären da nicht ausreichend Medien, die solche Juncker’schen Äußerungen ungeprüft drucken und senden werden. Aber am Tag der EU-Wahlen sehen sich alle wieder.