Tichys Einblick
Porträt Ron Prosor

Ein „Jecke“ und Top-Diplomat wird Israels neuer Botschafter in Berlin

Der neue israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, übergab heute sein Beglaubigungsschreiben an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Seit Olaf Scholz seine Nähe zur terroristischen Hamas bekundet hat, gilt das Verhältnis als belastet.

IMAGO / Xinhua

Wer in Israel mit dem nächsten Botschafter seines Landes in Berlin verabredet war, kam an einem Pförtner der besonderen Art nicht vorbei. „Sag mal, wo sitzt der Ron?“, tönt es quer durch die Empfangshalle. Und aus der Tiefe des Raumes schallt es heiser zurück: „Arison-Haus, ich glaub, im ersten Stock.“

Für einen Mitteleuropäer mag das überraschend schnoddrig klingen. In Israel ist es Ausdruck einer gewachsenen Lässigkeit eines jungen Staates mit viel Zukunft und jeder Menge Vergangenheit. Der Pförtner hat unter seinen Fingern eine PC-Tastatur mit einem unübersehbaren Bildschirm, der sicher alles anzeigt, was man ihn fragt.

Aber die urwüchsige Kommunikation liegt dem groß gewachsenen, braun gebrannten Israeli mehr als das Informationsprogramm seines Computers.

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Die Rede ist hier immerhin von der Eingangshalle der größten privaten Uni Israels, der Reichmann University in Herzliya, mit 8.400 Studenten, die aus 90 Ländern stammen und an zehn Fakultäten studieren. Und bei „Ron“ handelt es sich um keinen Geringeren als den 63-jährigen Professor Ron Prosor, seit 2016 Leiter des Abba Eban Institute for International Diplomacy und zuvor vier Jahre Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York. Nach dem akademischen Intermezzo übernimmt er nun seinen „Traumjob“: Botschafter in Berlin.

Nachdem jetzt der Möbelwagen im Berliner Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorf die persönlichen Sachen der Familie Prosor ausgeladen hat, ist Ron dort angekommen, wo seine jüngere Familiengeschichte beginnt. Elfriede Proskauer hatte ihren damals siebenjährigen Sohn Ulrich an der Hand genommen und wanderte mit ihm 1936 von Berlin nach Palästina aus. Ein ungutes Gefühl der Oma, was auf Juden in NS-Deutschland zukäme, hat die Proskauers gerettet.

Ankunftsort war die Kidronstraße Nummer 13 in der Hafenstadt Haifa, wo man sich damals eher mit „Guten Tag“ begrüßte als mit „Schalom“. Elfriede konnte aus dem Lateinischen und Griechischen gut ins Deutsche übersetzen, sprach Englisch und Französisch, aber mit dem Hebräischen stand sie zeitlebens auf Kriegsfuß.

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Enkel Ron, 1958 in Kfar Saba, im Großraum Tel Aviv, geboren, verdankt ihr bis heute seine guten Deutschkenntnisse, die seine Karriere beförderten. Nach dem Studium an der Hebräischen Universität in Jerusalem trat er in den diplomatischen Dienst ein. Nicht ohne zuvor seinen Militärdienst zu absolvieren: Ron war im ersten Libanon-Krieg Anfang der 1980er Offizier bei der Artillerie. Casus Belli, der Auslöser der militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der sogenannten Palästinensischen Befreiungs-Organisation (PLO) im Süd-Libanon, war ein Anschlag auf den israelischen Diplomaten Schlomo Argov in London gewesen.

Wir treffen Rons Freund Ofer, der während des viermonatigen Krieges sein Untergebener war und bis heute eng mit ihm befreundet ist. Ofer erzählt anekdotisch von einem gefürchteten Pedanten in Uniform, der jede Nachlässigkeit oder Unordnung bestrafte – eben ein „Jecke“, wie Israeli ihre deutschstämmigen Landsleute bis heute respektvoll bis furchteinflößend bezeichnen.

Der „Jecke“ in Bonn

1988 kam Prosor als Leiter der Presseabteilung an die Botschaft in Bonn – „als Dritter Sekretär zweiter Klasse, kann auch umgekehrt gewesen sein“, erinnert sich der Diplomat. In dieser Zeit half er dem Verfasser dieser Zeilen, ein Interview mit dem damaligen Außenminister David Levy in München zu führen, das das Bayerische Fernsehen im von Außenpolitik im Allgemeinen eigentlich unberührten Vorabendprogramm ausstrahlte.

2006 stand Ron Prosor schon einmal vor der Frage, nach Berlin zu gehen. Die Alternative London lockte ihn damals aber noch mehr. Sein Vater war deshalb für drei Monate beleidigt und sprach kein Wort mit ihm. Im Anschluss an die Station im Vereinigten Königreich wartete 2011 die bisher größte Herausforderung auf Prosor: Israels Chefdiplomat bei den Vereinten Nationen (UN).

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Hier lernte er fünf Jahre lang die fast undurchdringliche, weltumspannende Maschinerie der politischen Ablehnung Israels hautnah kennen, die im Artikel 7 der Statuten des UN-Menschenrechtsrats zum Ausdruck kommt. Darin wird Israel als einziges von 193 Mitgliedsländern ausgegrenzt – nicht etwa Nordkorea, der Iran oder der brutale Kriegstreiber Syrien. Dass 56 arabisch-muslimische Länder, darunter die 22 Länder der Arabischen Liga, dieses Geschäft betrieben, könne er nachvollziehen, aber dass die Europäer und ganz Skandinavien mitmachten, das sei für ihn bis heute unverständlich, resümiert der Nochprofessor Erfahrungen und Enttäuschungen.

Die UN haben vier Zentren: New York, Genf, Wien und Nairobi. Inzwischen ist Israel in drei der vier Zentren offiziell vertreten, in Nairobi bis heute nicht. Das ist umso unverständlicher, als die Technologie der einzigen Demokratie, des einzigen Rechts- und Sozialstaats im Nahen Osten, die Wasser- und Energieversorgung in vielen Regionen Afrikas dauerhaft sichere und täglich Menschenleben rette. In seinem Buch „Undiplomatically Speaking“, das in englischer Sprache demnächst erscheinen wird, beschreibt er seinen ganz persönlichen Kampf gegen diesen Widerspruch. Ein Kampf, den er auch von Berlin aus weiterzuführen gedenkt.

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Noch herrscht Vorfreude auf die wohl letzte Station seiner beachtlichen diplomatischen Karriere in einer beginnenden Zeitenwende, die sein Vater Ulrich „leider nicht mehr miterlebt“. Er kenne Deutschland ziemlich gut, bringe positive Emotionen mit, die ihn motivierten, drei große Themen zu befördern: Erstens die Abraham Accords mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrein, Marokko und Sudan, um das neue Tor zum Frieden in Nahost auch in Europa weiter zu öffnen; zweitens den digital-technologischen Fortschritt, bei dem Israel eine führende Rolle spielt, auch mit deutschen Unternehmen in Schwung zu bringen; und drittens Israels Gasvorkommen (gemeinsam mit Zypern, Griechenland und der Türkei), die Europas Energieversorgung sichern könnten, politisch zu vermarkten.

Es gibt viel zu tun für den Diplomaten mit deutschen Wurzeln. Seit Olaf Scholz zuließ, dass Palästinser-Chef Mahmud Abbas mit folgenden Worten provoziert: „Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen. 50 Massaker, 50 Holocausts“ gilt das deutsch-israelische Verhältnis als belastet. Scholz hatte dazu geschwiegen und verspätet versucht, sein fragwürdiges Verhalten zu rechtfertigen.  Auch dass deutsche Staats-Medien den Vorgang herabspielten, hat den Beziehungen nicht geholfen.

Dass Abbas mit einer Zusage über 370 Millionen Euros aus Berlinsim Privat-Jet wieder zurück reisen konnte, lässt Zweifel an der Darstellung zu, dass Scholz nur überfordert gewesen sei. Kritische Beobachter lesen sein Verhalten im Kontext der immer wieder demonstrierten Nähe führender SPD-Repräsentanten zu palästinensischen Terrororganisationen wie der Hamas. Jetzt fürchtet Berlin, dass Israels Repräsentanten die Gedenkfeier boykottieren, die in München stattfinden soll. Das Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympia-Mannschaft in München jährt sich am 5. September zum 50. Mal. Neuer deutscher Botschafter in Israel ist übrigens Steffen Seibert, Merkels Regierungssprecher – ein Versorgungsposten für einen Mann ohne vergleichbare Qualifikationen.

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