Tichys Einblick
Jochbeinbruch

Angriff auf Israel-Mahnwache in Hamburg

In einigen deutschen Großstädten bringt man sich inzwischen auch schon in Gefahr, wenn man öffentlich Solidarität mit Israel bekundet. Diese Erfahrung musste kürzlich auch ein 60-jähriger Israel-Freund in Hamburg machen. Von Sandro Serafin

Symbolbild

IMAGO/Ralph Peters

Orientiert man sich an den Inhalten, die im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen, scheint es in Deutschland weder ein Migrations-, noch ein Islam-, noch ein Antisemitismusproblem zu geben. In der politischen Debatte kommen diese Themen zur Zeit kaum vor. Die Realität auf den Straßen ist indes eine andere. Gerade erst haben die Sicherheitsbehörden (nur dank ausländischer Hilfe) womöglich eine Bluttat in der Hagener Synagoge verhindert. Ein Syrer sitzt in Untersuchungshaft. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges.

In einigen deutschen Großstädten bringt man sich inzwischen auch schon in Gefahr, wenn man öffentlich Solidarität mit Israel bekundet. Diese Erfahrung musste kürzlich auch ein 60-jähriger Israel-Freund in Hamburg machen. Mit einigen Begleitern hatte er sich am Samstag zur regelmäßigen Mahnwache für Israel und gegen Antisemitismus in der Innenstadt versammelt. Wie die Polizei auf Nachfrage von Tichys Einblick mitteilte, war es bereits in der Vergangenheit „zu einigen Vorfällen in Zusammenhang mit der Mahnwache“ gekommen, weshalb diese „anlassbezogen polizeilich begleitet“ werde.

„Südländische Erscheinung“

Am vergangenen Wochenende nun kam es zu einem Angriff durch eine Gruppe Menschen mit „südländischer Erscheinung“, wie es die Polizei politisch korrekt ausdrückt. Aus der Gruppe heraus wurden zunächst laut Zeugenaussagen anti-israelische, antisemitische und weitere Beleidigungen geäußert, darunter „Free Palestine“ und „Scheiß Juden“. Als die Teilnehmer der Mahnwache dieses Verhalten konfrontierten, schlug einer der Angreifer zu. Die Polizei schätzt sein Alter auf 18 bis 25, doch Bilder des Verdächtigen lassen auch den Schluss zu, dass er noch jünger sein könnte.

Die „Platzwunde“, von der in einer Polizeipressemeldung und in vielen Medien zunächst die Rede war, würde sich das Opfer der Attacke heute sicher wünschen. In Wirklichkeit kam der Mann mit einem Jochbeinbruch ins Krankenhaus, wie die Polizei TE bestätigte. Er musste operiert werden. Gegenüber Bild gab der Betroffene an, sogar noch eine Ablösung der Netzhaut befürchten zu müssen. 

Bislang hat sich kein Politiker aus der ersten Reihe wahrnehmbar zu dem Angriff geäußert, auch nicht der Regierende Bürgermeister Peter Tschentscher oder sein Vorgänger, der jetzige Kanzlerkandidat Olaf Scholz (beide SPD). Ob man das dröhnende Schweigen gut oder schlecht finden soll, ist nicht so ganz klar, denn man ist ja fast schon froh, sich die üblichen Phrasen nicht antun zu müssen.

„Das Thema ist denen zu heiß“

Das Opfer des Angriffs sagte am Dienstag in Bild-TV: „Das Problem ist aus meiner Sicht, wie man das auch zwischen den Zeilen oftmals hört, dass das eben nicht aus der rechten Ecke kommt, sondern aus einer anderen, vielleicht religiösen, aus einer muslimischen Ecke.“ Auf die Bundestagswahl angesprochen, fügte er hinzu: „Es gibt keine Partei, die ich guten Gewissens wählen könnte. Die AfD ist für mich nicht wählbar, die Äußerungen die sie tätigen. Aber alle anderen Parteien – ob’s die SPD, die FDP, ob’s die Grünen sind oder die CDU – die scheuen ja alle letztlich das Thema, es ist denen zu heiß.“

Auch die jüdische Gemeinde Hamburg sieht das Problem offenbar vor allem aus einer Richtung kommen. Ihr Vorsitzender Philipp Stricharz sagte dem Hamburger Abendblatt: „Es gibt eine politisch aufgehetzte, gewalttätige Minderheit unter den Muslimen, häufig junge Leute, die meinen, sie müssten Rache üben für vermeintliches Unrecht im Nahen Osten.“ Und weiter: „Natürlich gibt es auch die Gefahr von rechts, aber die größten Sorgen bereitet den Juden in Hamburg die Gefahr, die von dieser Gruppe ausgeht.“

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