Tichys Einblick
Interview mit Christoph Gröner

„Wir haben eine Vertrauenskrise“

Der Unternehmer Christoph Gröner gehört zu den Ausnahmen unter den Mittelständlern: Er kritisiert die Regierung und die Grünen, bekämpft Extremismus von links und rechts, lässt sich nicht einschüchtern – und gründet ein Recherche-Institut, das sich in gesellschaftliche Debatten einschalten soll.

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Tichys Einblick: Herr Gröner, Sie gehören zu den wenigen Unternehmern in Deutschland, die in Talkshows nicht nur die Marktwirtschaft verteidigen, sondern auch Ihren privaten Wohlstand. Sie finden, wie Sie sollten sich mehr Reiche öffentlich äußern. Dafür werden Sie wie kaum ein anderer Unternehmer attackiert. Wie lebt es sich als Hassfigur der Linken?

Christoph Gröner: Ich glaube nicht, dass ich ein Feindbild aller Linken bin. Ich bin ein Stein, an dem sich Linke reiben. Bisher habe ich auch sehr gute Gespräche mit Linken gehabt. Wenn links dumm und spalterisch wird, dann ist es allerdings nötig, Grenzen aufzuzeigen – genau so wie gegen rechts außen. Ich wende mich gegen Linksextremismus genauso wie gegen Rechtsextremismus. Beide extreme Ideologien haben bekanntlich das Wort „Sozialismus“ in ihrem Namen.

Bisher gab es einen Anschlag auf Ihre Penthousewohnung in Köln, etliche Attacken auf Baustellen Ihres Unternehmens. Vor Kurzem verübten mutmaßlich Linksextreme einen Brandanschlag auf eine von Ihnen betriebene Großbaustelle in Leipzig und verursachten einen Sachschaden in zweistelliger Millionenhöhe. Können Sie verstehen, dass viele Unternehmer in Deutschland nicht so forsch auftreten wie Sie?

Ja, es hat Morddrohungen gegen mich gegeben. Meine Kinder standen schon unter Polizeischutz. Es gibt Security-Schutz für meine Familie, es gab einen Einbruchsversuch in meine Wohnung. Ich verstehe mich nicht als Maßstab für andere. In meinem Fall haben wir in der Familie entschieden, dass ich mich trotzdem weiter öffentlich äußere.

Haben Sie keine Angst?

Ich bin einigermaßen sportlich, ich kann etwas schneller und länger rennen als andere, und ich kann boxen.

Warum ist es Ihnen so wichtig, sich öffentlich zu exponieren? Was regt Sie auf?

Wenn Ideologen falsches Zeug reden und bereit sind, für ihre Überzeugung zu lügen und zu betrügen, wenn sie es dann schaffen, dafür öffentliche Zustimmung zu bekommen, dann fühle ich mich herausgefordert, öffentlich auch etwas dagegen zu sagen.

Was für Ideologen?

Beispielsweise die Grünen, die von einer Klimawende durch das batteriebetriebene Elektroauto reden und behaupten, dass es weniger CO2 ausstößt als ein Diesel. Im Strommix, mit dem ein Batterieauto fährt, steckt eben mehr CO2, als ein moderner Diesel ausstößt, und dazu kommt noch der Aufwand für die Herstellung der Batterie. Einmal ganz abgesehen davon, dass die seltenen Erden, die für die Batterie nötig sind, irgendwo in Afrika unter miserablen Arbeitsbedingungen aus dem Boden gekratzt werden. Genau so irrational läuft die Energiewende: Im Norden wird Windkraft ausgebaut, obwohl die Leitungen fehlen, die den Strom dann in den Süden schaffen sollen. Und im Süden werden neue Windräder dort aufgestellt, wo sie die Wälder zerstören.

Ihnen als Bauunternehmer, der auch in Berlin tätig ist, müsste der gerade beschlossene Mietendeckel mehr zu schaffen machen als die Energiewende.

Das ist die gleiche Irrationalität. Der Mietendeckel ist doch in Berlin nicht eingeführt worden, um irgendjemand zu helfen. Der Rechtsanwalt, der in bester Lage in einer Wohnung mit Stuck an der Decke wohnt und mehrere tausend Euro Miete zahlt, kann den Mietendeckel jetzt nutzen, um seine Miete etwas zu reduzieren. Der Müllmann in der nicht so guten Wohngegend hat – wie viele andere auch – noch schnell eine Mieterhöhung bekommen, bevor der Deckel in Kraft getreten ist. Und die Normalverdienerin, die sich auf Kredit eine Wohnung als Alterssicherung gekauft hat, bekommt jetzt möglicherweise nicht mehr die Mieteinnahmen, die nötig sind, um den Kredit zu bedienen. Dann sagt die Bank: Verkauf die Wohnung – oder wir machen das, dann wird die Wohnung eben zwangsversteigert. Aus Dummheit, wider besseres Wissen, haben die Linken in Berlin ein Gesetz geschaffen, das der Verfassung spottet – in einer Stadt, in der 80 Prozent der Mieter erklären, dass sie mit ihren Verhältnissen zufrieden sind. Dieser Mietendeckel ist ein Anschlag auf die Marktwirtschaft, er dient dazu, die Gesellschaft zu spalten und einen Teil auf den anderen zu hetzen.

Das klingt dramatisch. Wie erleben Sie die Stimmung in Berlin?

Es hat schon linke Demonstrationen gegeben durch den Grunewald mit dem Motto: „Wir holen euch raus aus euren Villen“. Das ist der Weg in den Sozialismus.

Was sollte Ihrer Meinung nach jetzt passieren?

Die DDR hat von Krediten aus dem Westen gelebt, bis das nicht mehr reichte. Und im kleineren Maßstab funktioniert das in Berlin genauso: Die Stadt lebt von den fünf Milliarden Euro, die sie aus dem Länderfinanzausgleich bekommt. Meiner Meinung nach müssten die Geberländer – Bayern, Hessen – hier Haltung zeigen und sagen: Wenn ihr als linke Regierung in Berlin Brandstiftung an der Verfassung betreibt, bekommt ihr unser Geld nicht mehr.

Wie erklären Sie es sich eigentlich, dass 30 Jahre nach dem Mauerfall sozialistische Ideen wieder einen derartigen Zuspruch erleben? Haben Unternehmer vielleicht zu lange geglaubt, dass sich Marktwirtschaft und Freiheit von selbst verstehen? Ist das ein Versagen der Bürgerlichen?

Nicht Versagen. Aber Unaufmerksamkeit. Wir erleben zurzeit eine extreme Polarisierung der Gesellschaft, eine Vertrauenskrise der Politik und der Wirtschaftsmagnaten. Auf der einen Seite bekommen Leute mit sozialistischen Parolen Zulauf. Und auf der anderen Seite werden Menschen sehr reich, obwohl sie null zur Wertschöpfung beitragen.

Wo zum Beispiel?

Zum Beispiel durch Spekulation, gerade im Immobilienbereich. Eigentum bringt eine gewisse Verpflichtung mit sich. Für mich ist klar, dass ich eine 80-jährige Frau nicht aus ihrer Wohnung heraussaniere. Da saniere ich um sie herum und verzichte eben auf 200.000 Euro Gewinn, den ich hätte haben können. Das tut aber nicht jeder in der Branche. Es gibt Extremisten, die in Städten Autos anzünden, und es gibt solche Erscheinungen. Man kann Brandstiftung auf verschiedene Art betreiben.

Wird in der Wirtschaft selbst zu wenig darüber diskutiert, welche Rolle Unternehmer in der Gesellschaft einnehmen sollten?

Die großen Konzerne, das kritisiere ich immer wieder, sind nicht mehr weit entfernt von Kombinaten. Jemand wie der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der keine Verantwortung gezeigt hat und nur der Profitgier auf Kosten der Gesellschaft gefolgt ist, gehört meiner Meinung nach eigentlich ins Gefängnis. Und leider Gottes gibt es in unseren Reihen auch Leute, die ihre Kinder auf Privatschulen unterbringen, in ihrer Blase leben und sich lauthals über den Mindestlohn be­schweren.

Und Sie zahlen Mindestlohn?

Nicht nur das. Ich zahle meinen Mitar­beitern auch eine Erfolgsbeteiligung. Für die dienstältesten Beschäftigten beträgt die das Dreifache eines Mo­natsgehalts. Und das tue ich nicht, weil ich so ein guter Mensch bin, sondern weil ich erfolgreich bin wegen meiner guten Mitarbeiter. Wenn ich in die Öf­fentlichkeit gehe, dann nehme ich für mich in Anspruch, für den Mittelstand zu sprechen. Der schafft in Deutschland 80 Prozent aller Arbeitsplätze und zahlt sogar 90 Prozent der Unternehmen­steuern. Erst wenn die letzten Gröners das Land verlassen haben, werden die Linken merken, dass es dann nichts mehr umzuverteilen gibt.

Sie vertreten das klassische Bild von Wirtschaft, wie es auch Ludwig Erhard im Sinn hatte: Der Staat setzt die Regeln für das Spiel, lässt aber Unternehmen auf dem Spielfeld Raum. Ziel ist der Wohlstand für möglichst viele. Bei welcher Partei sehen Sie diese Prinzipien noch aufgehoben?

Tja. Die habe ich in der letzten Zeit nicht mehr finden können. In der Theo­rie müsste das am ehesten die FDP sein. Aber von der nehme ich mittlerweile eher eine Art Partystimmung wahr. Es gibt nur einzelne ganz vernünfti­ge Leute unabhängig von ihrer Partei, etwa den Ministerpräsidenten von Ba­den­-Württemberg, Winfried Kretsch­mann.

Sie kritisieren die Grünen heftig, Ihre Auseinandersetzungen mit dem grünen Baustadtrat von Kreuzberg-Friedrichshain Florian Schmidt sind legendär. Damit stehen Sie ziemlich allein in der Unternehmerschaft. Dort lobt mittlerweile fast jeder öffentlich die Grünen – oder zumindest Greta Thunberg.

Der Baustadtrat Schmidt ist typisch für das Denken, das ich bei den Grünen kritisiere. Er argumentiert so: Man muss den Autoverkehr durch immer mehr Einschränkungen langsam und unat­traktiv machen, damit mehr Menschen auf die öffentlichen Verkehrsmittel um­steigen. Wie wäre es denn, wenn wir den Nahverkehr schneller machten und nicht die Autos langsamer? Und wenn Robert Habeck nach der Wahl in Thü­ringen sagt, Klimaschutz sei bei den Menschen dort nicht angekommen – wie unverschämt ist denn das? Viel­leicht haben viele Wähler dort einfach begriffen, dass es nicht dem Klima­schutz dient, überall Windräder auf­ zustellen, und dass CO2 nicht dadurch reduziert wird, dass nur noch Autos mit Batterie für gut erklärt werden und un­ sere Autoindustrie zerstört wird. Und vielleicht haben sie mitbekommen, wie weit weg er von der Realität ist, wenn er gar nicht weiß, wie die Pendlerpauscha­le funktioniert. In ihrem Populismus sind die Grünen mittlerweile fast so gut wie die AfD. Ich brauche keine Greta, um mir über Gedanken über Ökologie zu machen. Übrigens habe ich auch kei­ne Mutter Teresa gebraucht, um karita­tiv zu sein. 20 Prozent meiner Gewinne gehen bei mir in Charity.

Haben Sie keine Bedenken, wegen ihrer Äußerungen in die Rechtsaußen­ecke gesteckt zu werden?

Überhaupt nicht. Ganz einfach weil man mich nie in der rechten Ecke finden wird. Rechtsradikale schaden dem konservativen Gedanken. Rassismus ist mir völlig fremd. Ich bin sehr für ein vernünftiges Einwanderungsgesetz. Wir brauchen dringend Facharbeiter. Ich jedenfalls finde in Berlin kaum welche. Und wir brauchen in Deutschland auch junge Gründer, die noch hungrig sind.

Was halten Sie von Angela Merkels Slogan „Wir schaffen das“?

Nichts. Merkel hat gar nichts geschafft. Es waren die Kommunen, die die Last ab 2015 gestemmt haben, karitative Organisationen, viele Freiwillige. In meiner karitativen Arbeit kümmere ich mich auch um die Integration von Migranten. Wenn die entsprechend mit Bildung und Förderung in Kontakt gebracht werden, dann fallen vielleicht nicht 90, aber 50 Prozent ins richtige Körbchen.

Sie sind gerade dabei, ein Institut zu gründen, um in die öffentliche Diskus­sion einzugreifen – speziell bei Umwelt­ und sozialen Themen. Wie soll das funktionieren?

In dem Institut namens Forum für unabhängige Information und Wissen werden sieben bis acht gestandene Menschen mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund im Vorstand sitzen. Unser Ziel ist es, Informationen so aufzuarbeiten und öffentlich zugänglich zu machen, dass wir die richtigen Fragen stellen können.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel: Mit einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen ließen sich tatsächlich 0,0001 Prozent unseres CO2- Ausstoßes einsparen. Ist uns das eine solche Regulierung wert? Oder versuchen wir lieber, durch intelligente Lösungen mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen? Ist allein das Batterieauto tatsächlich die Zukunft – oder nicht moderne Diesel, Wasserstofftechnologie und synthetische Kraftstoffe? Ein anderer Punkt: Wenn Flugzeuge in größeren Höhen fliegen könnten, wäre es möglich, ein Drittel des Kerosins einzusparen. Verteuern wir also Flugtickets mit der Folge, dass sich Geringverdiener keinen Flug mehr leisten können? Oder stellen wir in Deutschland lieber 200 zusätzliche Fluglotsen ein?

Ihr Institut soll also ähnlich arbeiten wie das Addendum­-Recherchebüro Ihres österreichischen Unternehmer­kollegen Dietrich Mateschitz, dem Erfinder von Red Bull?

Ja, so ähnlich. Nicht genau so – wir machen das auf unsere Weise. Aber ich stehe in Kontakt mit ihm. Wir kennen einander auch, weil ich zu den Sponsoren von RB Leipzig gehöre.

Informationen aufbereiten, das wäre doch eigentlich der Job der Medien.

Ja. Ich war 30 Jahre lang „Spiegel“-Leser. Heute lese ich im Netz die Überschriften, und mir fehlt jegliches Verständnis.

Da Sie sich weiter vorwagen als andere – bekommen Sie auch Druck zu spüren? Werden Sie hier und da ausgegrenzt, nach dem Motto: Mit dem arbeitet man besser nicht zusammen?

Ich polarisiere sicherlich, und es kommen manchmal schon Briefe von Banken, die das bedenklich finden. Ich habe aber auch Unterstützer, die sich umso deutlicher an unsere Seite stellen. Die Allianz zum Beispiel, bei der wir als Unternehmen versichert sind, hat auch nach den Anschlägen auf unsere Baustellen nicht die Prämien nach oben geschraubt.

Sie haben Baustellen in ganz Deutschland. Wo fühlen Sie sich eigentlich zu Hause?

Geboren bin ich in Karlsruhe, ich habe Wohnungen in Köln, Berlin und Leipzig. In Leipzig fühle ich mich am wohlsten. Mittlerweile würde ich sagen: Das ist meine Heimat.

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