Tichys Einblick
Anhörung zum LNG-Industriehafen

Tourismusdirektor: „Ein massiver Einfluss auf den wirtschaftlichen Standort Rügen“

Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) will das Naturparadies Rügen zum Industriehafen für Flüssiggas umbauen. Eine Anhörung sollte klären, ob das sinnvoll ist. Doch nicht einmal alle eigenen Experten halten die Reihen.

IMAGO / Fotoagentur Nordlicht

Die Idee: Der Bundestag veranstaltet Anhörungen zu Themen, die zur Abstimmung stehen. Unabhängige Experten sollen die Experten beraten, ob das jeweilige Projekt eine gute Idee ist oder nicht. Die Praxis: Die Parteien laden sich genau die Experten ein, die das sagen, was die Partei ohnehin schon als Meinung vertritt. „Die Wissenschaft“ und so … Davon unterschied sich die Anhörung zu dem Industriehafen, der in Mukran auf Rügen entstehen soll. In der Anhörung ging es um den Aspekt, ob für den Bau das Naturschutzrecht ignoriert werden darf.

Denn Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht in Deutschland keine ausreichende Energienotlage, um moderne Atomkraftwerke weiterzubetreiben. Aber genug Energienotlage, die es rechtfertigt, einen Industriehafen im Naturparadies Rügen am Naturschutzrecht vorbei anzusiedeln. Obwohl die Menschen dort vom Tourismus leben und obwohl eine 50 Kilometer lange Leitung nach Lubmin notwendig wird, die durch ein Dutzend Schutzgebiete führen wird.

Das hält nicht mal der von den Grünen bestellte Experte Felix Heilmann für eine gute Idee: Das Gas, was ins Urlaubsparadies Rügen verschifft werden soll, überschreite die Menge an Importbedarf, der angesichts der Klimaziele noch notwendig sei. Heilmann arbeitet für den Verein „Dezernat Zukunft“. Er gibt zu bedenken: Unregulierte Reservekapazitäten brächten Klimarisiken mit sich, „insbesondere durch die Ermöglichung neuer LNG-Exportprojekte“. Die Versorgung mit LNG-Gas habe sich auch ohne dieses Terminal entspannt.

Anfängerfehler. Der passiert der SPD nicht. Die Sozialdemokraten haben Experten eingeladen, die auf Linie sind: So wie Ulrich Ronnacker von der Open Grid Europe GmbH. Er sieht „potente Leitungsstrukturen“ im Naturschutzgebiet. Oder Jörg Selbach-Röntgen, Geschäftsführer der MET Germany GmbH. Er bemängelt das Fehlen von langfristen Gasverträgen, das gefährde stabile Preise. Warum dadurch ein Industriehafen auf Rügen notwendig wird? Weil er von den Sozialdemokraten eingeladen wurde und das für richtig hält, was Sozialdemokraten sagen.

Die Einheimischen sahen das in der Anhörung deutlich anders. Kai Gardeja sieht in den geplanten Anlagen einen Verstoß gegen das Naturschutzrecht. Er vertritt als Tourismusdirektor den Urlaubsort Binz, der massiv durch den Industriehafen geschädigt würde. Es sei ein massiver Einfluss auf den Tourismus und auf den wirtschaftlichen Standort Rügen zu erwarten, warnt der von der Union bestellte Experte. Ronald Rambow, Tourismusunternehmer aus Binz, sagt: Das Terminal würde die „beliebte Urlaubsregion“ erheblich durch Lärm-, Schmutz- und Lichtemissionen beeinträchtigen: „Es verschandelt unsere schöne Natur und führt zu irreversiblen Eingriffen in das sensible Öko-System Ostsee.“ Rambow wurde von der AfD vorgeschlagen. Die Anwältin Cornelie Ziehm sieht keinen energiewirtschaftlichen Bedarf für weitere, über die bereits jetzt in Deutschland in Betrieb befindlichen LNG-Vorhaben: „Wir haben keine Gasmangellage und werden diese auch im Winter 2023/2024 nicht haben“, sagte die von den Linken berufene Expertin. Der von der FDP vorgeschlagene Experte begrüßt das Projekt Habecks.

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