Tichys Einblick
Unlautere Methoden von Campact

Strafanzeige: Illegale Parteienfinanzierung im Wahlkampf gegen Maaßen?

Ein Verein geht energisch gegen unliebsame Direktkandidaten vor und investiert dabei viel Geld - angeblich nur aus Kleinspenden. Jetzt setzt man sich zu Wehr.

IMAGO / photothek
In sechs deutschen Wahlkreisen geht der private und bis vor kurzem gemeinnützige Verein Campact gegen unliebsame Direktkandidaten vor, „strategisch wählen“ nennt man das. Vor allem Unionspolitiker erwischt es: Hans-Jürgen Irmer, Hans-Georg Maaßen und Thomas Bareiß werden offen bekämpft; es wird aber auch gezielt für Kandidaten wie Karl Lauterbach (SPD) oder Katja Kipping(Die Linke) geworben. Mit Beschimpfungen spart Campact dabei nicht: „Klimablockierer und Rechtsaussen“ wolle man verhindern, es gehe darum, den „Einzug rechter oder rechtsextremer Direktkandidaten wie Hans-Georg Maaßen“ zu vereiteln, so Campact. Der CDU-Politiker sei „hochgradig demokratiezersetzend“. Hans-Jürgen Irmer sei „in rechtsextremen Kreisen vernetzt und fällt seit Jahrzehnten mit menschenverachtenden Äußerungen auf“. „Geistiger Brandstifter“ heißt es in einer Campact-Rundmail.

Sogar Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ist mit den Campact-Methoden nicht einverstanden, er spricht von einer „Nötigung und unzulässigen Manipulation der Bundestagswahl“. Karl Lauterbach meinte daraufhin, Ramelow mache „mit den Nazis“ gemeinsame Sache.

Neben großflächiger E-Mail-Werbung und teuren Netz-Anzeigen geht Campact auch direkt vor Ort gegen die besagten Kandidaten vor – mit Flyeraktionen und „Flashmobs“ auf Wahlkampfveranstaltungen. Doch während diese unmittelbaren Wahlkampfeingriffe eher an der Oberfläche bleiben, hat der Verein vor allem ein praktisches Ziel: Er will die linken Parteien in den Wahlkreisen auf einen Kandidaten vereinigen und so den CDU- oder AfD-Mann verhindern. Dafür macht man gezielt Druck – im Wahlkreis 196 in Südthüringen etwa sollen die Kandidaten der Linken und der Grünen zugunsten des SPD-Kandidaten zurückziehen, damit dieser sich gegen Maaßen durchsetzen kann. Die im Wahlkreis ohnehin marginalisierten Grünen zogen öffentlichkeitswirksam zurück, der Linke Sandro Witt weigerte sich. Eigentlich kein Wunder: Bei der letzten Direktwahl in der Region 2017 erhielten die Linken mit 18,3 Prozent deutlich mehr Stimmen als die SPD mit lediglich 13,5 Prozent. 

Um diese linke Vereinigungsstrategie zu begründen, gab Campact zahlreiche kostspielige Wahlumfragen beim Meinungsforschungsinstitut Forsa in Auftrag. Die Ergebnisse kamen wie erhofft: Ein knappes Rennen zwischen Maaßen und SPD-Mann Ullrich wurde prognostiziert. Auch hier kommt Linken-Kandidat Sandro Witt allerdings auf satte 21 Prozent – die SPD soll mit 29 Prozent knapp vor der CDU mit 26 liegen. Die Daten sind allerdings von Anfang Juni, also bevor der Wahlkampf überhaupt wirklich anlief.

Der Druck wird von Campact dennoch immer weiter erhöht, über die Parteispitze und die Ministerpräsidenten soll Linkenkandidat Witt zum Aufgeben bewegt werden. Der erklärt: „Die Antwort auf Hans-Georg Maaßen und seine extrem rechte, antidemokratische und antipluralistische Ideologie sollte nicht eine Einschränkung der demokratischen Meinungsbildungs- und Wahlmöglichkeiten sein, sondern im Gegenteil ihre Stärkung.“ 

Im Fokus steht nun immer stärker die Frage nach der Finanzierung. Campact schaltete allein in dieser Woche allein auf Facebook politische Werbung für mehr als 80.000 Euro – das ist mehr als das gesamte Wahlkampfbudget der betroffenen Kandidaten. Allein mit Anzeigen gegen Hans-Georg Maaßen erreichte man damit mehrere hunderttausend Nutzer — nur in Thüringen.

Jeder Skandal und jedes Skandälchen der bekämpften Direktkandidaten wird von Campact eifrig verbreitet – der Verein schaltet eigene Werbeanzeigen, nur etwa um die Tatsache zu verbreiten, dass der Neonazi Tommy Frenck uneingeladen auf einer Wahlkampfveranstaltung von Maaßen aufkreuzte. „Spätestens wenn Neonazis für die CDU Wahlkampf machen, sollte man: CDU abwählen!“ schreibt man.

Vier SPD-Kandidaten profitieren direkt 

Auch gegen den CDU-Kandidaten im Lahn-Dill-Kreis, Hans-Jürgen Irmer feuert man Breitseite nach Breitseite. Als der etwa sagte, dass die Grünen für Obergrenzen bei der Landwirtschaft seien, aber nicht für Obergrenzen bei der Zuwanderung, initiierte Campact einen Shitstorm: Irmer vergleiche Migranten mit Vieh. Für die Verbreitung dieser Botschaft greift man erneut tief in die Tasche: Auf Facebook schaltet man Werbung, die Hunderttausende erreichen wird.

Der Verein mit einem siebenstelligen Jahresumsatz und über 100 Angestellten operiert hier mit Mitteln, die weit über das Niveau des in weiten Teilen ehrenamtlich geführten Wahlkampfes in den Wahlkreisen hinausgeht.

Auf TE-Anfrage erklärte Campact die Kampagne lediglich aus Kleinspenden finanziert zu haben. Das für die Kampagne aufgewendete Budget wolle man „nach Abschluss auswerten und spätestens in unserem jährlichen Transparenzbericht ausweisen.“ Also weit nach der Bundestagswahl.

Brisant: Die direkten Nutznießer der Campact-Kampagne sind vier SPD-Direktkandidaten, ein Grüner und eine Linken-Politikerin. De facto unterstützt Campact hier also direkt den Wahlkampf von Parteien – Maaßen-Konkurrent Frank Ullrich wollte sich auf TE-Anfrage nicht von der Aktion distanzieren. Das ist rechtlich allerdings problematisch – denn es könnte sich dabei um verdeckte Parteienfinanzierung handeln.

Die Meinung vertritt nicht nur Hans-Jürgen Irmer im Gespräch mit TE, der den Fall dem Bundestagspräsidenten vorgelegt hat, sondern auch ein Rechtsanwalt aus Südthüringen, der jetzt Strafanzeige gegen Campact stellte. Das Dokument liegt TE vor.

Da SPD-Kandidat Frank Ullrich der direkten Unterstützung durch Campact nicht widersprochen hat, könnte es sich hierbei um illegale Parteienfinanzierung handeln, heißt es da. Man beruft sich dabei auf die Entscheidungsgründe eines Urteils des Bundesgerichtshof von 2014, bei dem ebenfalls eine solche indirekte Parteienfinanzierung (damals von CDU-Fraktion zu Partei) für rechtswidrig erklärt wurde. Außerdem verstoße das eindeutige Engagement von Campact gegen deren „satzungsmäßigen Grundsatz der parteipolitischen Neutralitat“. 

Das Wahlsystem der Bundesrepublik würde bei Erfolg dieser Kampagne ausgehebelt – denn mit großen, erzwungenen Bündnissen kann man theoretisch wohl jeden Wahlkreis kippen. Trotz der enormen Mitteln allerdings ist der Erfolg bisher minimal: Die allermeisten Direktkandidaten ließen sich nicht vereinigen.

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