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Herbstprognose

IfW Kiel: Hohe Energiepreise drücken deutsche Wirtschaft in Rezession

Eine „konjunkturelle Lawine“ rolle auf Deutschland zu, prognostiziert das Institut für Weltwirtschaft Kiel. Im kommenden Jahr sei eine Rezession mit deutlich sinkendem Bruttoinlandsprodukt zu erwarten. Deutschland werde also „insgesamt ärmer“.

IMAGO / Jan Eifert

Im laufenden Jahr dürfte das BIP noch um 1,4 Prozent zulegen, erwarten die Konjunkturforscher des IfW Kiel. Das wären 0,7 Punkte weniger als in ihrer vorangegangenen Prognose im Sommer erwartet. Für das nächste Jahr revidiert das IfW Kiel seine Prognose um 4 Prozentpunkte nach unten – statt einem kräftigen Plus hat die deutsche Wirtschaft ein Minus von 0,7 Prozent zu erwarten. Die Wertschöpfung in Deutschland werde vermutlich bis in das kommende Jahr hinein rückläufig sein und erst im dritten Quartal 2023 wieder leicht ins Plus drehen.

„Mit den hohen Importpreisen für Energie rollt eine konjunkturelle Lawine auf Deutschland zu. Vor allem energieintensive Produktionen und konsumnahe Wirtschaftsbereiche werden mit Wucht getroffen“, kommentiert Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des IfW Kiel, die neuen Prognosen für Deutschland, Europa und die Weltwirtschaft.

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Die deutsche Energieimportrechnung steigt laut IfW-Berechnungen voraussichtlich um 123 Milliarden Euro in diesem Jahr und um weitere 136 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Dieses Geld fehle im Inland für Konsum und schmälere die Rentabilität energieintensiver Unternehmen. In der Folge sinkt Deutschlands Wirtschaftskraft erheblich und liegt im nächsten Jahr 130 Milliarden Euro niedriger als bislang vom IfW Kiel erwartet. Die Kaufkraft der privaten Haushalte dürfte im kommenden Jahr mit 4,1 Prozent so stark einbrechen wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland.

„Die teuren Energieimporte bedeuten, dass Deutschland nun einen weitaus größeren Teil seines erwirtschafteten Einkommens ins Ausland überweisen muss als bislang. Deutschland wird dadurch insgesamt ärmer“, so Kooths. „Auch wenn das jüngste Maßnahmenpaket Zielgenauigkeit vermissen lässt, ist es grundsätzlich richtig, einkommensschwachen Haushalten unter die Arme zu greifen. Das Schnüren immer neuer Hilfspakete ist aber kein Ersatz für eine strategische Neuausrichtung der Energiepolitik. Die Bundesregierung muss jetzt schnell Klarheit über die langfristige Energieversorgung schaffen. Davon hängt ab, welcher Energiepreisanstieg dauerhaft ins Haus steht und was temporär bleibt. Und nur letzteres sollte finanzpolitisch geglättet werden“, so Kooths.