Tichys Einblick
Familien-Fernsehen

Hart aber fair: Trump als Gefahr für die Welt; ein ARD-Themenabend

Gleich drei Sendungen hintereinander widmet die ARD der Präsidentenwahl in den USA. Es ist ein Anti-Trump-Festival, ein Gottesdienst der gläubigen Trump-Feinde. Die Welt und die Demokratie mit dem Bild Ingo Zamperonis von seinem Schwiegervater erklärt.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Wenn die ARD einen Abend dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump widmet, dann kann es nur eine Stoßrichtung geben: Alle hauen drauf und retten die Welt vor dem Untergang, der Trump heißt. Der Abend beginnt mit einer Reportage von Ingo Zamperoni, als Tagesschau-Moderator bekannt geworden: „Trump, meine amerikanische Familie und ich“. Wer wissen möchte, wie das Familienleben eines ARD-Redakteurs aussieht, der sieht ihn beim Golfen mit dem Schwiegervater. Der ist  „so ein typischer Trump Wähler: älterer weißer Mann, wohlhabend, gläubig, konservativ“. Dann noch Bootsfahren mit der Schwiegermutter, die keine Nachrichten schaut, weil sie den Fernseher anschreit, wenn sie etwas sieht, mit dem sie „nicht einverstanden“ ist, und so dreht Zamperoni seine Runden durch die Supermacht, immer findet sich irgendwo eine Tante. Es ist eine schöne Dokumentation, wenn man Zamperoni dabei zusehen möchte, wie er Tontauben schießt, sich am Rollbraten der Schwiegermutter gütlich tut und seine Familie in das Zentrum einer Reportage stellt. Am Schwiegervater-Einstieg ist schon klar wo’s hingeht: Trump ist für Trottel.

Analyse? Fehlanzeige. Denn die frühere Trump-Mehrheit und vielleicht auch die von heute Nacht kommt nicht von solchen Schwiegervätern, sondern von Farbigen, Frauen, den weniger Wohlhabenden und den Armen. Zamperonis Klischee von der Welt in einem Satz. Früher nannte man es Radikalsubjektivismus. Heute Reporterkunst bei der ARD. Politik als Familiensaga – wie peinlich.

Sendung aus der Schwiegersohn-Perspektive

Von der Reportage geht es nahtlos über zu Frank Plasberg, der seinen Montagstalk unter der Überschrift „Trump oder Biden – die freie Welt vor der Jahrhundertwahl“ hält. Wieder darf Zamperoni in seiner Funktion als USA-Kenner mitdiskutieren und ist per Videoschaltung aus Washington dabei. Er sieht die Demokratie in den USA in Gefahr, erzählt oft und gerne wieder von seinem Schwiegervater, der trotz seiner Antipathie für den Präsidenten auch in dieser Wahl für Trump stimmt. Und Zamperoni fürchtet, dass Trump das Ergebnis der Wahl schon vorher anzweifelt. Und da ist er dieser Vorwurf an Trump, er würde das Amt nicht friedlich und schon gar nicht freiwillig aufgeben wollen. Ein Vorwurf, der oft bemüht aber nie belegt wird.

Journalismus als Kunst der Unterstellung. Die Empörung über den Quasi-Diktator Trump lässt nicht lange auf sich warten. Die Politologie-Professorin Christiane Lemke macht sich Sorgen über die Demokratie und schimpft über den bösen Trump, der die armen Journalisten angreift. „Das halten wir aus“ entgegnet zwar der österreichisch-amerikanische Journalist Matthew Karnitschnig, der aus seiner Erfahrung als Reporter des Wallstreet Journal nicht davon ausgeht, dass Politiker vor Journalisten kuschen. Aber auch für so viel professionelles Selbstbewusstsein erntet er schiefe Blicke, wie für seine Versuche zu erklären, warum Trump denn Anhänger findet.

Zamperoni jedenfalls sagt, sein Schwiegervater würde wegen der Steuersenkungen für Trump stimmen. Und immer wieder kehrt die Diskussion zurück zu den vielen Verfehlungen Trumps in den Augen der Deutschen. Und ja, diese Leute, die zu einem mehrfach geschiedenen Mann wie Trump beten und in ihm die Erfüllung ihrer Hoffnungen sehen, mögen vielen lächerlich erscheinen. Norbert Röttgen, der CDU-Parteivorsitzkandidat, den immer alle vergessen, nennt sie jedenfalls „voraufklärerisch“. Stell dir vor, sie beten und wählen dann noch Trump! Ja, Röttgen ist in dieser Sendung auch von der Partie, aber in typischer Röttgen-Manier bemerkt man seine Anwesenheit immer nur dann, wenn jemand ihn anspricht. So wie es George Weinberg mehrmals tut. Weinberg ist als Vertreter der „Republicans Overseas Germany“ da, also der Auslandsorganisation der Trump-Partei, und weist die versammelten Sorgenträger gerne – und oft – darauf hin, dass die Vereinigten Staaten schon fast 250 Jahre eine Demokratie sind. „Wie lange ist Deutschland jetzt schon eine Demokratie?“, ist seine Frage, die niemand so richtig beantworten will. An diesem Abend erklärt Germany mal wieder der Welt, wie’s geht, diesmal in Sachen Demokratie und via Plasberg bei Hart aber fair.

Zwischendurch streitet Weinberg sich mit seiner Landsfrau Candice Kerestan, die für die „Democrats Abroad Germany“ in der Sendung dabei ist, also der Biden-Partei. Dann kommen Emotionen hoch, die blutleere deutsche Talkshow wird für einen Moment ein kontroverser Wahlkampf. Man spürt, wie sehr Kerestan Trump hasst. Sie agiert immer kurz vor dem Weinkrampf. Man ahnt, was heute Abend auf den Fernsehzuschauer zukommt, sollte Trump, der Herr möge es verhüten, doch noch gewinnen. Kühl und gelassen werden seine Demokraten nicht reagieren. Doch schon springt Plasberg dazwischen und beruhigt die Diskussion so zuverlässig wie eine Schlaftablette.

Nachdem Weinberg fast alle Anwesenden Sozialisten schimpft, erzählt Zamperoni, dass sein Schwiegervater auch an Selbstständigkeit und Selbstverantwortung glaubt. Ein Trump Wähler eben. Zamperonis Schwiegervater als Zeuge der Ausgewogenheit; es ist TV auf Kindergartenniveau. Am Ende der Sendung sind die Grenzen klar: Die Amerikaner sind sich zwar nicht einig, wer Präsident wird, aber auch nach der Wahl werden die Vereinigten Staaten eine Demokratie bleiben. Die Deutschen in der Sendung erwarten, dass Trump die Wahl verlieren wird und machen sich aber Sorgen um die dortige Demokratie, ganz wie es die ARD vorsingt.

Dass sie sich lieber Sorgen um die eigene machen sollten, gibt Weinberg seinem Gesprächspartner Röttgen noch einmal mit, der sagt die Deutschen müssten aus einer historischen Verantwortung „über ihren Tellerrand hinaus“ blicken und gewissermaßen den Amerikanern erklären, wie man richtig Demokratie und Wahlen macht. Dass es unseren Nachbarn oft lieber gewesen wäre, die Deutschen wären mit ihren globalen Belehrungen innerhalb ihres eigenen Tellers geblieben, bleibt ungesagt. Und Weinberg demütigt Röttgen noch mit dem Hinweis, dass es der Deutsche Bundestag nicht mal schafft, seine Riesenzahl von 709 Abgeordneten auf die grundgesetzlich vorgeschriebenen 598 zu reduzieren. Aber den Amerikanern das richtige Wahlrecht erklären.

Nach den Tagesthemen endet der Abend dann mit einer dritten Sendung über den Präsidenten: „Der Anti-Trump – wie Joe Biden die Wahl gewinnen wird“. Dass der Tenor der Sendung ebenso vorhersehbar wie unorginell ist, kann nicht überraschen.

An der ARD jedenfalls kann es nicht liegen, wenn es noch ein paar Amerikaner gibt, die immer noch Trump wählen. Man hat sein Bestes gegeben. Bloß schade, dass Zamperonis Schwiegervater nicht anschaut, was sein Schwiegersohn so versendet.

Anzeige