Tichys Einblick
STAAT UNTERSTÜTZT ERDOGAN-KULT

Hamed Abdel-Samad verlässt die Islamkonferenz – endgültig gescheitert

Der renommierte Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad ist gestern aus der Islamkonferenz ausgetreten. Der Staat sei für den„Erdogan-Kult“ mitverantwortlich. Sein Austritt offenbart, dass die Islamkonferenz endgültig gescheitert ist.

imago/Jakob Hoff

Gestern tagte die Islamkonferenz mit dem Thema der Imamausbildung. Innenminister Horst Seehofer (CSU) will mit der Ausbildung von Imamen in Deutschland eine Radikalisierung junger Muslime verhindern. Doch noch bevor die Islamkonferenz begann, teilte Hamed Abdel-Samad in einem öffentlichen Brief an Seehofer via Facebook mit, dass er aus der Islamkonferenz austrete. Er kritisiert, dass der Staat sich Vertretern des politischen Islam anbiedern würde und die kritischen Stimmen ignoriere. Hauptgrund für Abdel-Samads Austritt sei, dass der Staat mit Steuergeldern die DITIB – die der türkischen Religionsbehörde angehört, die direkt dem Präsidenten Erdogan untersteht – und andere Vereine selbst ihre Imame ausbilden lässt; ein „Erdogan-Kult“ werde so durch den Staat mitaufgebaut.

„Sehr geehrter Herr Innenminister Horst Seehofer,

hiermit trete ich aus der deutschen Islamkonferenz (DIK) zurück. Als ich vor 10 Jahren in dieses Forum eingeladen wurde, hatte ich die Hoffnung, Teil eines ehrlichen Dialogs über den Islam in Deutschland zu werden. Doch seit dieser Zeit konnten die Islamverbände alle kritischen Themen, die die kritischen Stimmen auf den Tisch gebracht haben, wie etwa das Thema Radikalisierung von jungen Muslimen oder die Stellung der Frau, aus der Tagesordnung verbannen. Am Ende blieben nur die Themen, die für die orthodoxen Verbände, nicht für die Gesamtgesellschaft, von Relevanz sind, wie Imamausbildung, Islamunterricht und muslimische Seelsorge. Mir wurde klar, dass die Verbände nur Geld vom Staat wollten, und dass der Staat nicht einmal wusste, was er von den Verbänden will!

Ich stellte fest, dass die staatlichen Vertreter ebenfalls keine kritischen Stimmen wirklich hören wollen. Man hat uns eingeladen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass alle Stimmen im Forum vorhanden sind. Doch die Realität ist: Der Staat biedert sich an den Vertretern des politischen Islam in dieser Konferenz an und ignoriert alle Warnungen und Vorschlägen der kritischen Stimmen. Bei der letzten öffentlichen Sitzung erklärte der DITIB-Chef, dass er Absolventen der Fakultäten für islamische Theologie der deutschen Universitäten nicht als Imame einstellen würde, weil diese die DITIB-Standards nicht erfüllen würden. Ich habe danach erwartet, dass die anwesenden Vertreter des Staates sich über diese Arroganz empören, doch dies ist nicht passiert. Stattdessen unterstützt der Staat nun, dass die DITIB und andere Vereine selbst ihre Imame ausbilden und zwar auf Kosten der Steuerzahler.
Nein, ich mache nicht mehr mit. Denn die DITIB-Standards sind: Loyalität zu Erdogan und zum türkischen Nationalismus.

Ja, lieber Herr Innenminister, ich mache auch die Islamkonferenz für die politische Aufwertung von DITIB und dem Zentralrat der Muslime verantwortlich, und somit für den Aufbau von Erdogan-Kult und die Stärkung des politischen Islam mitverantwortlich! Und ich halte die Unterstützung dieser Vereine nicht für Veruntreuung von Staatsgeldern, sondern auch für eine Gefahr für die Innere Sicherheit.

Deshalb nehme ich weder an der heutigen Sitzung noch an zukünftigen Sitzungen der Islamkonferenz teil und ziehe mich endgültig zurück.
Wir haben Sie oft gewarnt, unsere Warnung wurde nicht gehört. Nun tragen Sie die ganze Verantwortung alleine!“

Imamausbildung in Deutschland

Ab April soll es einen „unabhängige“ und „wissenschaftliche“ Imamausbildung in deutscher Sprache geben. Dies soll durch das „Islamkolleg Deutschland“ (IKD) in Osnabrück erfolgen. Finanziert wird dieses Projekt vom Bundesinnenministerium und dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium. Doch die großen Dachverbände wie die DITIB halten sich von diesem Projekt fern; sie lassen ihre Imame größtenteils im Ausland ausbilden, aber auch in Deutschland, wofür sie Gelder vom Staat bekommen. Doch der Staat hat keinen Einfluss auf die Imamausbildung von Verbänden wie der DITIB. So finanziert der Staat eine politisch islamische Imamausbildung auf deutschen Boden. Damit finanziert der deutsche Staat direkt den politischen Islam und Radikalisierungen von Muslimen – genau jenes, was Horst Seehofer vorgeblich verhindern will.

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Für Seehofer ist es entscheidend, dass Imame auf deutschen Boden und in deutscher Sprache ausgebildet werden. Doch reichen diese zwei Faktoren aus? Inwieweit ändert dies etwas an einem Islamverständnis auszubildender Imame? Der Psychologe und Islamexperte Ahmad Mansour sieht Seehofers Strategie kritisch. Gegenüber dem BR sagte er: „Es geht nicht um die Sprache oder wo diese Ausbildung stattfindet, sondern was diese Imame vermitteln. Wenn sie einen Islam vermitteln, der ohne wenn und aber hinter Demokratie und Menschenrechten steht, dann haben wir viel erreicht.“ Mansour bezweifelte, dass dies derzeit so sei.
Gescheiterte Vorläufermodelle einer Imamausbildung

2006 wurde auf der DIK über die Auslandsentsendung von Imamen diskutiert. Dies führte dazu, dass 2010/2011 Standorte gegründet wurden für islamisch-theologische Studien an Universitäten, welche die Grundlage der Ausbildung muslimischer Religionslehrer, Seelsorger und Imame in Deutschland sein sollten. Die Erwartungen waren groß, dass dies die Vorraussetzungen sind, um in Deutschland studierte Imame hervorzubringen. 44 Millionen Euro vom BAMF wurden in diese Standorte investiert. Doch besonders die großen Dachverbände, darunter die DITIB, wollen keine in Deutschland ausgebildeten Imame. Dadurch scheiterte diese hoffnungsvolle Idee. Orthodoxe Verbände wollen keine inhaltliche Einmischungen seitens des deutschen States. Berüchtigte Verbände wie DITIB, haben das Ziel, ein Verlängerter Arm der entsprechenden Regierungen zu bleiben. Für den türkischen Staat sind DITIB und andere türkische Verbände das wichtigste Propagandainstrument in Deutschland; Die zugehörigen Einrichtungen müssen unter anderem für Spionage, Wahlkampf und Kriegspropaganda herhalten, aber vor allem für eine Verbreitung des türkischen Nationalismus und politischen Islams.

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Dass in Osnabrück eine Imamausbildung stattfinden soll, hat bereits eine Historie. An der Universität in Osnabrück fand das einzige „Imam-Weiterbildungsseminar“ statt. Es lief 2018 aus und wurde eingestellt. Über acht Jahre wurden 150 Frauen und Männer unterrichtet. Doch wie viele davon wirklich eine Anstellung als Imam erlangten, ist nicht bekannt. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass die Erfolgsaussichten diesbezüglich gering waren. Laut der Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) haben DITIB und IGMG bislang nur eine Handvoll von Absolventen der islamische Theologie Studiengänge als Imame eingestellt. Insgesamt kommen 80% bis 90% der Imame in Deutschland aus dem Ausland. Ein weiteres Problem ist, dass eine Unabhängig durch eine Ausbildung in Deutschland keinesfalls garantiert ist, wenn die Imame von ausländischen Staaten bezahlt werden. Das „Islamkolleg“ löst dieses Problem nicht.

Dass große Verbände wie DITIB nicht bei einer Imamausbildung durch ein sogenanntes unabhängiges Islamkolleg mitmachen, ist seit vielen Jahren eindeutig und vorhersehbar gewesen. Denn als die Standorte für islamische Theologie gegründet wurden, weigerten sich große Dachverbände mitzumachen. Beispielsweise verweigerte die DITIB und drei andere Verbände den Kooperationsvertrag mit der Humboldt-Universität Berlin zu unterschreiben, an der Ende 2019 die ersten Imame und Islamlehrer ausgebildet werden sollten. Ein sogenanntes „unabhängiges Islamkolleg“ war also von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Realitätsverlust im Innenministerium – Islamkonferenz endgültig gescheitert

Horst Seehofer betrachtet dennoch seine Imamausbildung durch das Islamkolleg als Erfolg. Er sagte die „Islamkonferenz trägt Früchte“ und trage dazu bei Gläubige des Islam in die Gesellschaft einzubinden. Und auch der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, verteidigt die Zusammenarbeit mit der DITIB. Angeblich gäbe es dort einen „Generationswechsel“. Doch in Wirklichkeit war die DITIB faktisch noch nie zuvor stärker an Ankara und an den türkischen Präsidenten angebunden als heute. Schon drei Jahre nach der ersten Islamkonferenz erklärte die Publizistin und Islamkritikerin Necla Kelek gegenüber der FAZ die Konferenz als zum Scheitern verurteilt. Als Grund dafür nannte Kelek, dass die Bundesregierung umstrittene, orthodoxe Verbänden für dialogfähig hielt. Daran hat sich nichts geändert. Die Islamkonferenz hat bis heute nahezu alle problembelastete Themen und damit die Realität vermieden. Trotz der aktuellen islamistischen Terroranschlägen wurden nicht Themen wie Extremismus, Radikalisierung und Meinungsfreiheit als Tagespunkt gewählt. Auch liberale islamische Kräfte wie die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee wurden zur Islamkonferenz nicht eingeladen. Deren Gründerin Seyran Ates, eine der wichtigsten Islamexperten, wurde ebenfalls nicht eingeladen. Stattdessen hat eine weitere liberale Kraft namens Hamed Abdel-Samad die Islamkonferenz endgültig verlassen. Es bleiben stattdessen Vertreter des politischen Islam. Die Islamkonferenz ist damit endgültig gescheitert.

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