Tichys Einblick
Söder und Habeck, Habeck und Söder

Die Grünen auf dem Weg zum Vereinigungsparteitag

So herum wird ein Schuh daraus: Wer die Grünen nicht in der Regierung haben will, darf auf keinen Fall CDU/CSU wählen, denn wer CDU/CSU wählt, wählt Schwarz-Grün.

imago images/ serienlicht, Bayr. Staatskanzlei
Franz-Josef Strauß würde im Grabe rotieren, wenn er erführe, dass die CSU unter Markus Söder das Narrenschiff Utopia flottmacht, um gemeinsam mit den Grünen zu ökosozialistischen Gestaden zu segeln. Zumindest gaben Markus Söder und Robert Habeck gutgelaunt im gemeinsamen SPIEGEL-Interview die künftigen Koalitionäre im Bund – und kein SPIEGEL-Blatt passte zwischen die wohlgelaunten Funktionäre.
Früher kämpfte jede Partei zunächst für ihre Ziele und ging dann zähneknirschend eine Koalition ein, heute brechen CSU und die Grünen mit dem Ziel, eine Koalition zu bilden, gemeinsam in den Wahlkampf auf. Man kann das Söder-Habeck-Interview gegen den Strich lesen und auch so verstehen: Wer die Grünen nicht in der Regierung haben will, darf auf keinen Fall CDU/CSU wählen, denn wer CDU/CSU wählt, wählt Schwarz-grün.

Söder, der sich vermutlich schon als Bundeskanzler einer schwarz-grünen Koalition im Herbst 2021 sieht, schwärmte im Interview: „Ich denke, es ist so nah dran wie noch nie.“ Schließlich hätte „Schwarz-grün einen großen Reiz…, weil beide politischen Kräfte die ganz großen Fragen unserer Zeit im Blick haben, wie die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie“. Der derzeitige CSU-Chef zumindest meint, dass Schwarz-grün „das interessanteste politische Angebot“ wäre, eine „große Koalition, die den Namen auch wieder verdient“ hätte.

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Robert Habeck stellte dem Söder Markus dann auch huldvoll ein grünes Unbedenklichkeitszeugnis aus, denn der CSU-Chef träte immer liberaler auf. Als Beleg für Söders wundersame grüne Läuterung führte der Grünen-Chef an, dass Markus Söder sich erfolgreich dem Ritual der Selbstkritik unterzogen hat: „Aber es ist in unserem Beruf nicht allzu häufig, dass eine solche Kurskorrektur mit Selbstkritik verbunden ist. Insofern fand ich das lehrreich, wie Herr Söder diese Kurve gekriegt hat.“

Da sind Deutschlands Bürger aber beruhigt, dass der Söder Markus und die CSU noch einmal die Kurve gekriegt haben, und an der Verwirklichung grüner Ziele mitzuarbeiten geloben. Grüne Phrasen wie die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie gehen dem CSU-Chef jedenfalls schon ganz munter von den Lippen.

Bei soviel Einigkeit erhebt sich die Frage, weshalb man sich mit Details wie der Bildung einer Koalition noch abgibt, wäre da ein Vereinigungsparteitag wie bspw. der 1946 zwischen KPD und SPD zur SED nun im Herbst 2021 zwischen den Grünen und der CSU nicht konsequenter und effektiver – bei soviel Einigkeit? Warum sollen Parteigrenzen trennen, was zusammengehören will?

Eine weitere Frage stellt sich aber dann doch noch. Was machen künftig die Wähler der CSU? Wen sollen sie wählen? Oder stellt sich diese Frage am Ende doch nicht, weil „rechts“ neben der mit den Grünen vereinigten oder verbundenen CSU keine Partei mehr existieren darf?

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