Tichys Einblick
Habecks Anhörung im Bundestag:

Jede Menge offener Fragen: Habeck kettet sich an seinen Staatssekretär

Robert Habeck will seinen Skandal-Staatssekretär Patrick Graichen unbedingt halten. Doch in der nicht-öffentlichen Befragung im Bundestag soll er keine gute Figur gemacht haben.

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Vizekanzler, und Staatsekretär Patrick Graichen in der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Wirtschaft und Klimaschutz und Energie, 10.05.2023

IMAGO / photothek

Diesen Satz könnte Robert Habeck noch bereuen. Nicht nur, weil er selbstherrlich klingt, sondern weil er von mangelnder Einsicht in die Dynamik von Skandalen zeugt: „Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss“, sagte der Minister nach seiner Befragung in einer gemeinsamen Sitzung der Bundestagsausschüsse für Wirtschaft sowie Klimaschutz und Energie laut Bild. „Und die Debatte eben im Ausschuss gibt mir, meine ich, eine gewisse Hoffnung, dass die Differenzierung diese Entscheidung auch klarer verständlich macht“, fügte Habeck an.

In klareren Worten: Der Minister und Vizekanzler setzt darauf, dass dank der grünenfreundlichen Schlagseite des Berliner Medienbetriebs der Skandal um die Vetternwirtschaft seines Staatssekretärs allmählich versandet. Wenn er sich da aber täuscht und der alte Jagdtrieb der Hauptstadtjournalisten, einen politischen Missetäter zur Strecke zu bringen, doch stärker ist, dann könnte Graichen letztlich seinen Minister mit sich hinabziehen in den Ämter-Orkus.

Wie es in einer parlamentarischen Demokratie üblich ist oder üblich sein sollte, wurden Habeck und Graichen von den entsprechenden parlamentarischen Kontrollgremien zur Rechenschaft gezogen über die Vorgänge, die mindestens seit vierzehn Tagen weite und immer größer werdende Kreise der Bevölkerung beschäftigen. Es geht dabei um die unübersehbaren familiären Verflechtungen auf der Führungsebene des Ministeriums und darüber hinaus zu Instituten und sogenannten Thinktanks, die gern vom Bundeswirtschaftsministerium mit üppig dotierten Aufträgen bedacht werden. Es geht darum, dass der Eindruck der Vetternwirtschaft, der Clanwirtschaft die Runde macht und auf parlamentarischer Ebene von der „familia nostra“ in sprachlicher Anlehnung an die sizilianische Cosa Nostra gesprochen wurde. Wenn ein Ministerium die Anlässe dafür liefert, derart ins Gerede zu kommen, ist es die Pflicht des Bundestages, in diesem Fall des Wirtschaftsausschusses, die Verantwortlichen zu befragen, so wie es heute ab 12 Uhr geschehen ist.

Graichen hat erst heute nach der Ausschusssitzung auf Twitter öffentlich zugegeben, einen „Fehler“ gemacht zu haben. In seinen Tweets lässt er allerdings den Eindruck entstehen, er sei „informiert“ worden, dass sein „Trauzeuge und langjähriger Freund Michael Schäfer“ sich auf die Stelle als Chef der Deutschen Energieagentur dena bewerbe, in deren Findungskommission er saß. Nach Informationen der Welt hat Graichen aber hinter verschlossenen Türen im Ausschuss gesagt, dass er Schäfer vorgeschlagen hat.

Im Vorfeld kam es bereits seitens der Ampel zu Tricksereien. Da Habeck im Klimaausschuss und Graichen im Wirtschaftsausschuss sich den Abgeordneten stellen sollte, wurde kurzerhand durch die Ampel durchgedrückt, dass beide Ausschüsse gemeinsam tagten. Das bot für Graichen und Habeck den Vorteil, dass sie sich nicht getrennt den Fragen der gewählten Volksvertreter stellen mussten, und, da die Sitzungsdauer noch dazu zeitlich begrenzt wurde, die Zeit für Nachfragen sich reduzierte.

Zudem erzwang die Ampel, dass die gemeinsame Ausschuss-Sitzung nichtöffentlich stattfand. Hat die Ampel Angst vor der Öffentlichkeit? Hat sie etwas zu verbergen? Habeck hat zwar sein Bedauern darüber geäußert, dass die Sitzung nicht öffentlich sei. Doch kann man ihm das glauben? Wohl kaum. Schließlich hätte er intern in der Ampel seinem Wunsch nach einer öffentlichen Sitzung Nachdruck verleihen und das wohl auch durchsetzen können. So bleibt der Verdacht, dass Habeck öffentlich bedauerte, was ihm eigentlich sehr recht gewesen sein dürfte.

Denn dem Vernehmen nach soll Habeck im Ausschuss keine gute Figur abgegeben haben. Er soll larmoyant und zugleich überheblich gewirkt haben. Er hat sich, so erfuhr TE, darüber mokiert, dass es dem parlamentarischen Brauch widersprechen würde, so attackiert zu werden. In welchen Allmachts-Vorstellungen lebt der Minister, der es als persönliche Beleidigung zu empfinden scheint, wenn er vom Vertreter des Souveräns zu seiner Amtsführung, also von seinem Arbeitgeber befragt wird? Deutlich wurde auch, wer Koch und wer Kellner ist. Während Graichen eiskalt reagierte, wirkte Habeck „weinerlich“ und angefasst.

Deutlich wurde aber auch, dass Grüne wie Robert Habeck meinen, über der Demokratie, über den Regeln, über dem Gesetz zu stehen, dass sie ihre Gesellschaftsvorstellung mit allen Mitteln durchsetzen wollen. Die Trauzeugen-Affäre hat den eigentlich brisanten Hintergrund, dass Graichen und Habeck an der Spitze der dena statt eines selbständig denkenden Chefs einen willigen Gefolgsmann haben wollten. So wie sie alle Schaltstellen mit willigen Gefolgsleuten besetzen bzw. zu besetzen versuchen. Sieht das System Habeck-Graichen etwa so aus, Fachleute zu verdrängen, um an ihre Stelle grüne Parteigänger zu setzen?

Nach der Sitzung der beiden Ausschüsse wurde jedenfalls klar, dass viele Fragen offen blieben, mehr noch, dass das Verhalten des Ministers neue Fragen aufwarf. Wenn es die Ampel, wenn es SPD und FDP ernst meinen mit der Demokratie, müssen sie diese Sitzung der Öffentlichkeit zugänglich machen. Dann dürfen sie nicht weitere Ausschusssitzungen blockieren. Denn es wird immer deutlicher, dass es im Wirtschafts- und Klima-Ausschuss um die Frage der Demokratie geht.

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