Tichys Einblick
Ein neues Milliardengrab?

Frankreich, Spanien und Deutschland basteln an einem neuen Kampfflugzeug

Die Franzosen werden somit den Koch am Herd geben, die anderen Partner sich mit Kellnerdiensten zufriedengeben müssen. Es kann wohl kaum verhindert werden, dass die noch vorhandene deutsche Rüstungsindustrie bzw. der deutsche Steuerzahler dabei vollends über den Tisch gezogen werden.

YOAN VALAT/AFP/Getty Images

Die deutsche Verteidigungsministerin hat auf der Luftfahrtmesse von Le Bourget die Verträge für das viele Milliarden schwere Rüstungsvorhaben FCAS (Future Combat Air System – Zukünftiges Luftkampfsystem) unterzeichnet.

Bei der Luftwaffe soll es ab etwa 2040 die Waffensysteme Eurofighter und Tornado (ggf. auch dessen Nachfolger) ablösen, bei den französischen Luftstreitkräften die Rafale. Nachdem mit Spanien eine dritte Nation dem Projekt beigetreten ist und auch Belgien mit einem dreistelligen Millionenbetrag einsteigen möchte, konnte mit dem Vertragsschluss nun eine bis Mitte 2021 laufende „Demonstrator-Phase“ eingeläutet werden. (Siehe: Europas künftiges Kampfflugzeug nimmt Formen an – Frankfurter Allgemeine vom 17.06.2019 und hier.).

Hauptauftragnehmer ist der Airbuskonzern, er zeichnet für das Gesamtsystem verantwortlich, Dassault konzentriert sich auf das Kampfflugzeug. Ferner sind mit an Bord der französische Lenkwaffenhersteller MBDA und der französische Elektronik-Spezialist Thales, ferner die Triebwerkshersteller MTU (Deutschland) und Safran (Frankreich). Zunächst sollen Demonstratoren und Technologien für das Kampfflugzeug, für vorgesehene Drohnenschwärme und eine Datenwolke entwickelt werden. Ein integriertes Gesamtsystem soll es schließlich werden, das Kampfflugzeuge mit Drohnen sowie Kommando- und Kontrollflugzeuge und sogar Satelliten verbindet.

Die Sektkorken dürften bei den beteiligten Firmen jedenfalls ordentlich geknallt haben. Mit diesem Vorhaben besteht Aussicht auf jahrzehntelang reichlich fließende Staatsgelder, auf ein länderübergreifendes Riesenprojekt, wie es seit Eurofighter und A400M nicht mehr aus der Taufe gehoben wurde. Was ist davon zu halten? Wird dies für die europäische Rüstungszusammenarbeit ein Befreiungsschlag oder droht ein neuerliches Milliardengrab? Die Vorzeichen sind alles andere als günstig, die Politik zeigt sich erneut als nicht lernfähig.

Zwar soll Frankreich die Federführung für dieses Megaprojekt übernehmen, das ist immerhin schon mal ein Fortschritt. Es geht auch gar nicht mehr anders: Durch jahrelange Hungerkuren haben zum Beispiel die Deutschen inzwischen weder erforderliche Firmenstrukturen auf dem Rüstungssektor, noch die Erfahrungen, die benötigt werden, um derartige Vorhaben zu meistern. Man fragt sich: Wie kann man nur erneut den Plan verfolgen, nicht nur ein komplexes fliegendes Waffensysteme zu entwickeln, was schon anspruchsvoll genug ist? Zugleich soll Technologieentwicklung in großem Stil betrieben werden, und das über Ländergrenzen hinweg.

Dies wäre allerdings außerhalb der Projektentwicklung Sache der Forschungsministerien, innerhalb von Rüstungsprojekten hat dies nichts, aber auch gar nichts verloren. Das belegen alle Erfahrungen, die mit mehrnationalen Rüstungsprojekten bis zurück in die 1970er Jahre gemacht wurden. Wer noch nicht einmal über die erforderlichen Technologien verfügt, sollte von Rüstungsvorhaben die Finger lassen. Wie soll eine neue Technologie ein Waffensystem „bereichern“, wenn noch nicht mal Erfahrungen mit deren Anwendung in der Praxis vorliegen (können)? Nun denn, ein neuerliches Milliardengrab ist auf die Schiene gesetzt. Die Suppe werden künftige Regierungen auszulöffeln haben, das zeigen x-fach vorliegende Beispiele.

Innerhalb des Projektes FCAS Technologieentwicklung zu betreiben wird überdies dazu führen, dass inkompetente Firmen der beteiligten Länder mit viel Geld hochgepäppelt werden, um ihre eigene Lernkurve hinzulegen. Europäisches Projekt nennt sich das dann, wenn die Kostenspirale bereits in der Entwurfsphase anfängt, sich mit zunehmender Geschwindigkeit zu drehen. Allein das damit einhergehende, unabdingbare Ausmaß an Abstimmung zwischen den Firmen, den Rüstungsorganisationen und den beteiligten Ministerien geht auf keine Kuhhaut. Beziffern kann dies kein Mensch, ist aber auch nicht die Absicht. Man muss kein Prophet sein und nicht Kassandra heißen, um Zeitverzögerungen, Kostenüberschreitungen und Qualitätsprobleme vorherzusagen. Diese Vorgehensweise führte schon bislang wiederholt zu Ergebnissen, die niemand zufrieden stellen: Weder den Steuerzahler, noch die Industrie, die um ihr Image und damit ihre Exporterfolge fürchten muss, noch gar das Militär.

Dabei sind die absehbaren Schwierigkeiten in einem derartigen Großprojekt auch ohne Forschungsrisiken noch groß genug. Eine Kernfrage bei mehrnationalen Rüstungsprojekten ist, wie sichergestellt werden kann, dass sich nicht eine Nation nur die Rosinen herauspickt und andere den Zahlmeister geben. Die Franzosen beherrschen diese Klaviatur perfekt. Ihre in weiten Teilen mit Staatsanteilen oder wenigstens Staatsunterstützung funktionierenden Rüstungsfirmen genießen massiven Rückhalt im nationalen Amtsbereich, wenn es um die Verteilung des Kuchens geht. Die Regierung unserer französischen Freunde versteht es meisterlich, ihre nationale Interessen zu wahren.

Die Franzosen werden somit den Koch am Herd geben, die anderen Partner sich mit Kellnerdiensten zufriedengeben müssen. Ob und wie verhindert werden kann, dass die noch vorhandene deutsche Rüstungsindustrie bzw. der deutsche Steuerzahler dabei nicht vollends über den Tisch gezogen werden, ist eine Preis- und natürlich auch eine Prestigefrage. Ein Blick auf die beteiligten Firmen lässt Schlimmes ahnen. Die Franzosen haben mit der Hälfte von Airbus und Dassault alle wesentlichen Trümpfe in der Hand. Allerdings wird deutsches Geld benötigt, das sollte unseren Regierungsvertretern wenigstens einige Argumente an die Hand geben.

Der deutsche Michel wird zuzuschauen haben, wie sich „Marianne“ im Glanz eigentlich gemeinsamer Projekte die Haare vergoldet.


Von Oberst a.D. Richard Drexl


Josef Kraus / Richard Drexl, Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine. FBV, 240 Seiten, 22,99 €

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