Tichys Einblick
EU-Einreiseverbot

Flüge aus dem Iran kommen weiter in Deutschland an

Andreas Scheuer wollte ein Landeverbot für Flüge aus dem Iran und China. Doch anscheinend greift hier nicht einmal das EU-Einreiseverbot. Flieger aus Iran landen nach wie vor, ohne dass Gesundheitskontrollen oder Quarantäne-Maßnahmen folgten. Bund und Land spielen indes Verantwortungs-Ping-Pong.

Jordan Sanchez

Das hatte er sich anders vorgestellt. Andreas Franz Scheuer (CSU), seines Zeichens Bundesverkehrsminister mit einem gerade verblassenden Mautproblem und auch sonst einigen Themen auf der Platte, wollte Flüge aus den Risikoländern China und Iran eigentlich schon für diese Woche unterbinden. So kündigte es eine Ministeriumssprecherin am Montag an: Landeverbot für alle Flieger aus China und dem Iran.

Doch bei der Bundespressekonferenz konnte man die versammelten Sprecher verschiedener Ministerien noch so sehr löchern: Ein Landeverbot für chinesische oder iranische Maschinen gibt es derzeit nicht. Die einen behaupten nun, das läge auch gar nicht in der Hand des Ministers, obliege vielmehr den Gesundheitsbehörden der Länder. Die wollen den schwarzen Peter aber auch nicht haben: Der Bundesminister sei in der Pflicht, weil die Beziehungen zu anderen Ländern berührt seien. Wie es aussieht, lässt sich an der Bund-Länder-Abstimmung in Sachen Seuchenschutz noch arbeiten.

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Zudem gaben die Regierungssprecher zu Protokoll, es gehe gar nicht um ein Landeverbot. Derzeit gelte lediglich ein Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger. Da hatte Scheuer wohl etwas missverstanden. Die Flieger selbst können also ruhig landen. Es ist nur recht ungeschickt, dass meist Menschen in ihnen sitzen. So konnte noch am Mittwoch eine vollbesetzte Iran-Air-Maschine aus Teheran in Frankfurt landen.

Die meisten Passagiere reisten zu ihren Verwandten in Deutschland, um mit ihnen das persische Neujahrsfest zu feiern. An Deutschlands größtem Flughafen kamen einige mit Schutzmasken an, während ihre Verwandten sie vorsorglich mit Desinfektionsspray und Plastikhandschuhen empfingen. Das waren allerdings auch schon alle Sicherheitsvorkehrungen, die man am größten deutschen Flughafen beobachten konnte. Der deutsche Staat, das Land Hessen, der Flughafen selbst – sie alle taten nichts. Weder wurde den Einreisenden ein Test abverlangt, noch Fieber bei ihnen gemessen. An Quarantäne kein Gedanke. Es reicht offenbar, das Formblatt des Bundesgesundheitsministeriums auszufüllen.

Ungläubiges Staunen löste diese Leichtigkeit nun bei den ankommenden Iranern aus. »Als wir ausgestiegen sind, haben sie nur unsere Pässe kontrolliert und dann sind wir durchgekommen«, sagt eine junge Frau mit am Kinn hängendem Mundschutz. Und nein, das sei natürlich nicht richtig. Sie hätte sich eigentlich ein strikteres Vorgehen »im Vergleich mit dem Iran« vorgestellt. Auch das multikulturelle Angebot des WDR wunderte sich. Eine Iranerin gab zu: »Auch wenn ich mich sehr freue, dass meine Eltern kommen, aber meiner Meinung nach müsste die Bundesregierung Flüge aus dem Iran verbieten. Weil sie den Virus mitbringen, und das ist sehr gefährlich.« Und noch nicht einmal der Spiegel versteht all das.

Seit letztem Freitag ist der Iran auch offiziell – laut dem Robert-Koch-Institut – ein besonders von Covid-19 betroffenes Risikogebiet. Offiziell gibt es dort inzwischen über 17.000 Infizierte, darunter zahlreiche Politiker und Kleriker. In der Zwischenzeit wurden tausende Häftlinge entlassen, um die Gefängnisse des Landes in Isolationseinrichtungen für ihre infizierten Mitinsassen zu verwandeln. Die Straßen und öffentlichen Einrichtungen werden, wie in China, desinfiziert. So weit zum Ausmaß der Epidemie in dem theokratischen Regime, das in seinem ganzen Umfang vermutlich unter Verschluss gehalten wird.

Inzwischen schottet sich der Rest der Welt von uns ab

Und noch eins ist schwer zu verstehen: Wenn inzwischen ein Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger gilt, wie ist dann ein Verwandtenbesuch aus dem Iran überhaupt noch möglich, bei dem es heißt, man habe sich ein Jahr nicht mehr gesehen? Ach so, das Einreiseverbot gilt ja nur »für Reisende ohne triftigen Reisegrund« (Horst Seehofer). Darunter fallen vermutlich auch familiäre Neujahrsfeiern. Ein Sprecher der Bundespolizei sagte laut WELT, »es sehe so aus, als wären vor allem Deutsch-Iraner an Bord der Maschine gewesen«. Aber selbst wenn dem so wäre, dann wäre die epidemiologische Gefährdung die gleiche.

Das Kontrollieren der Flugpassagiere auf Fieber und Krankheitsanzeichen hatte Jens Spahn bekanntlich schon früh als ineffizient abgelehnt. Stattdessen ließ er tausende Italien-Urlauber unkontrolliert, ohne Quarantäne-Vorschriften ins Land, als die dortige Epidemie schon offen zutage lag. Damals, als die Pandemie in Deutschland noch nicht flächendeckend da war, hätte man gegen das Auf-die-leichte-Schulter-Nehmen protestieren müssen. Doch man wähnte sich wie immer unverletzlich. Der Aufschrei blieb leider aus. Warnende Stimmen wie die des Virologen Alexander Kekulé wurden überhört und ausgeblendet.

Inzwischen schotten sich immer mehr Staaten des Maghreb und Subsahara-Afrikas gegen Reisende aus Europa ab, darunter Algerien, Marokko und Kenia. ISIS-Kämpfer  fliehen den pandemie-geplagten Kontinent (»bleibt dem Land der Epidemie fern«). Sogar die Türkei hat ihre Grenze zu Griechenland einstweilen wieder geschlossen. Welche Ironie der Geschichte. Das Unvermögen Europas zum Selbstschutz mindert seine Attraktivität für den Rest der Welt.

Ratschläge aus Wuhan

Doch in Deutschland ignoriert man weiterhin die Lehren anderer Infektionsherde – zuallererst jene aus dem chinesischen Wuhan. Dort hatte erst die Quarantäne ganzer Landstriche das Virus zurückgedrängt, das dort unzweifelhaft einen hohen Todeszoll forderte, der vermutlich nicht einmal in den offiziellen Zahlen abgebildet ist. Evident scheint, dass man, wenn man schon Betriebe und Kindergärten schließt, auch im Freizeitverhalten verantwortungsvoll sein sollte, um den Shutdown des Landes zu verkürzen.

Daneben ist unerfindlich, wie es zu einer Materialknappheit, was Gesichtsmasken, Desinfektionsmittel und weiteres Schutzmaterial angeht, kommen konnte, wenn man einen ganzen Monat Zeit zur Vorbereitung hatte (vgl. »Uni-Klinik Augsburg: Preise für Corona-Schutzmasken explodieren«). Dabei muss man nicht in egoistischen Begriffen denken, man konnte schon China und hätte später Italien helfen sollen. Doch die Produktion hätte eben auch hochgefahren werden müssen. Davon war nichts zu hören.

Der Schutz des medizinischen Personals wird das A und O sein, wenn es auch hier zu einer Zuspitzung der Fallzahlen und folglich der schweren Verläufe kommen sollte. Wenn dann – durch Infektion oder Krankheit – das Personal fehlt, um sich um die Erkrankten in menschenwürdiger Weise zu kümmern, wird man nach Schuldigen suchen. In Wuhan waren Dutzende Ärzte und Pfleger an der Krankheit gestorben. Chinesische Ärzte mahnen daher den konsequenten Schutz ihrer europäischen Kollegen an. Auch beim Testen dürfe man auf gar keinen Fall nachlassen, damit sich möglichst viele Infizierte rechtzeitig isolieren können. Vielleicht ist es für Deutschland noch nicht fünf nach zwölf, wie Alexander Kekulé nun sagte, aber zwölf ist es sicher.

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