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Sieben Prozent der Abgeordneten stimmen ab

Fingerabdruck-Pflicht im Pass: Gesetz mit 20 Stimmen durchgesetzt

Um 22:30 Uhr verabschiedete der Bundestag gestern ein Gesetz, das auch die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken im Personalausweis umfasst. Ein wichtiges Gesetz, das die Parlamentarier nicht interessiert.

imago images / Christian Ohde

Die Corona-Krise ist für vieles gut. Auch um orwellsche Überwachungsmaßnahmen durchzusetzen, ohne dass es jemand mitbekommt. So wieder geschehen am vergangenen Donnerstag, als um halb elf Uhr am späten Abend ein Gesetzesentwurf „zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen“ verabschiedet wurde. Vieles von dem was geändert wurde, waren Kleinigkeiten: Der Reisepass wird an internationale Standards angepasst, wie das Geschlecht dort erfasst wird: Ist eine Person weder männlich noch weiblich, wird statt „M“ oder „F“ im pass „X“ eingetragen. Auch wird die Geltungsdauer von Kinderreisepässen verkürzt. Die hauptsächlich diskutierte Änderung des Gesetzes ist, dass zukünftig Passbilder nur noch digital an die Behörden übermittelt werden dürfen. Ein ausgedrucktes Passfoto zum Amt mitzunehmen und dieses im Pass einfügen zu lassen wie bisher, ist nicht mehr möglich. Das bedeutet noch höhere Kosten für die Bürger.

Fingerabdrücke im Personalausweis

Doch versteckt in all diesen Änderung ist ein Absatz, der Fingerabdrücke zwingend erfordert:

„Am 2. August 2021 tritt die Verordnung (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und Rates vom 20. Juni 2019 zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (im Folgenden: VO (EU) Nr. 2019/1157), in Kraft. Die Verordnung bestimmt in Artikel 3 Absatz 5 VO (EU) Nr. 2019/1157, dass künftig biometrische Daten in Form von zwei Fingerabdrücken in einem elektronischen Medium im Personalausweis gespeichert werden müssen. Gegenwärtig werden Fingerabdrücke im Speichermedium des Personalausweises nach § 5 Absatz 9 Satz 1 PAuswG nur auf Antrag gespeichert.“

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Auf diese biometrischen Daten soll nur zugegriffen werden dürfen, um die Identität des Passbesitzers sicherzustellen und eine Fälschung als solche identifizieren zu können. Ein Zugriff auf diese Daten durch Polizei und Geheimdienste aus anderen Gründen sei nicht vorgesehen. Außerdem sind die Fingerabdrücke auf dem Personalausweis kontaktlos auslesbar. Man muss also noch nicht einmal seinen Ausweis in ein Kartenlesegerät einführen, um auf die Daten zugreifen zu können. Eine ungute Mischung, wenn man seine Informationen auch in Zukunft für sich behalten will. Denn Geheimdienste weltweit – wie auch in Deutschland – sind ja bekannt dafür, sich immer und überall an die deutsche Rechtsprechung zu halten, wenn es um das Sammeln von Informationen geht. Und sind die Fingerabdrücke erst einmal im Personalausweis, kann man ja das Gesetz schnell wieder ändern – wie man sieht: 20 Abgeordnete reichen.
„Eintrittskarte in unser Land“

Bevor es zur Abstimmung kommt, treten noch einmal diverse Politiker an das Rednerpult. So zum Beispiel Josef Oster (CDU), der ohne rot zu werden sagt „ Der Personalausweis ist die Eintrittskarte in unser Land“. Daher müsse der Ausweis so sicher sein wie möglich. Das klingt nun wie Hohn in den Ohren. Die Eintrittskarte nach Deutschland und in eine lebenslange Versorgung über das Sozialamt für sich und die Familie besteht aus vier Buchstaben: „Asyl“. Der Personalausweis als Eintritt wird nur von denjenigen verlangt, die schon länger da sind. Die eigene Bevölkerung benötigt also Eintrittskarten, Eintretende nicht. Mal abgesehen davon, dass bei internationalen Grenzübergängen in der Regel der Reisepass vorgelegt werden muss, nicht der Personalausweis: Dass diese Eintrittskarte nur EU-europäische Staatsbürger brauchen, ist bekannt. Helge Lindh (SPD) äußert sich, dass er sich über die tolle Gesetzgebung freut, und trägt „deswegen ein Blumenhemd“, weil es eine „intensive, erfreuliche, leidenschaftliche Gesetzgebung“ war. „Eine gute Stunde des Parlaments.“

Gesetz mit 3-Prozent-Mehrheit

Wenig später kommt es zur Abstimmung. Das Parlamentsfehrnsehen schwenkt auf den Plenarsal. Der Autor dieser Zeilen zählt gut 50 Parlamentarier – im digitalen Plenarprotokoll ist der Tagesordnungspunkt 24 zur Zeit des Schreibens noch nicht eingetragen. Möglicherweise verstecken sich auch noch eine Handvoll Abgeordnete auf den hintersten Reihen, die die Kamera nicht gut erfasst. Doch so oder so, es sind kaum mehr als 50 Abgeordnete von 709 Mitgliedern des Bundestags. Dazu kommt ein Bundestagsvizepräsident (Kubicki). Sieben Prozent der Abgeordneten entscheiden über ein Gesetz. Mit 20 Stimmen der CDU und der SPD (knapp drei Prozent aller Abgeordnetenstimmen) wird das Gesetz gegen die Stimmen von B90/Die Grünen, Linke und FDP angenommen. Die AfD enthält sich.

Ist der Bundestag beschlussfähig? Nach Geschäftsordnung muss die Hälfte der Abgeordneten anwesend sein. Das wären 355 Personen. Aufgrund der Corona-Krisenverordnungen ist der Bundestag zur Zeit auch beschlussfähig, wenn ein Viertel (also 177) der Abgeordneten anwesend sind. Doch um eine Beschlussunfähigkeit festzustellen, muss eine Zählung der Anwesenden erst beantragt werden. Das geschah hier nicht – und so konnten 20 Parlamentarier ein Gesetz durchsetzen. Wirklich eine gute Stunde des Parlaments.

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