Tichys Einblick
"Ist doch gar nicht so schlimm"-Gesetz

FDP ermöglicht Lauterbachs Maskenpflicht – gibt aber Schuld an Länder weiter

Die FDP motzt und murrt intern – aber sie will in der Bundesregierung bleiben und trägt daher die Maskenpflicht mit, die vor allem Schüler treffen könnte. Entscheiden darüber sollen aber die Länder.

IMAGO / Political-Moments

Das Bundeskabinett hat den Entwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) erwartungsgemäß durchgewunken. Obwohl es in der FDP-Fraktion Vorbehalte dagegen gibt. Das neue „Infektionsschutzgesetz“ ermöglicht eine Maskenpflicht, die vor allem Schüler ab der fünften Klasse sowie Besucher von kulturellen oder gastronomischen Einrichtungen treffen wird. Die Liberalen schieben den Schwarzen Peter aber weitgehend an die Länder ab.

Dabei wirkt Buschmann wie ein Schüler, der seinen Eltern die Fünf in der Klassenarbeit damit verkaufen will, dass drei andere Kinder eine Sechs gehabt hätten: Das Infektionsschutzgesetz sehe keine Lockdowns mehr vor, keine Ausgangssperren oder Schulschließungen, feiert er sich im Frühstücksfernsehen des ZDF. Wobei der „Liberale“ zwei Kommunikationsstrategien verfolgt. Einerseits rühmt Buschmann sich dafür, dass es ohne ihn schlimmer gekommen wäre: Es gäbe ja künftig keine Lockdowns mehr, ebenso wenig wie 2G- oder 3G-Regelungen. Andererseits schiebt er den Schwarzen Peter weiter: Elfjährige, die acht Stunden am Stück in der Schule die Maske tragen müssen. Besucher, die sogar draußen eine Maske tragen müssen. Gäste, die zwischen Tisch und Klo die Maske aufziehen müssen. All dem hat der liberale Justizminister den Weg geebnet. Doch umsetzen werden es die Länder, so wäscht sich Buschmann seine Hände in Unschuld.

Die Verantwortung übernimmt der Bund nur für die Maskenpflicht in Flugzeugen und dem Fernverkehr der Bahn. Ab dem 1. Oktober muss es die FFP2-Maske sein. Die Pflicht gilt auch in Pflegeheimen und Krankenhäusern, dort ergänzt um eine Testpflicht. Alles weitere überlässt der Bund praktisch den Ländern. Sie können einen Stufenplan verfolgen. Ab dem 1. Oktober dürfen sie eine Maskenpflicht in Innenräumen einführen, müssen aber dann Getestete davon ausnehmen.

In einer zweiten Stufe gilt die Maskenpflicht überall in Innenräumen. Dann können dort auch Obergrenzen für Besucherzahlen gelten. Eine Maskenpflicht wäre dann zudem draußen möglich, etwa bei Veranstaltungen. Für Einkaufsstraßen solle sie nicht gelten, verspricht Buschmann. Ob die Länder die zweite Stufe zünden, sollen Länder anhand einer „Gesamtschau“ entscheiden. Diese würde immer noch die Fallzahlen berücksichtigen, aber auch die Auslastung des Gesundheitswesens. Wie genau diese „Gesamtschau“ definiert ist, lassen Lauterbach und Buschmann offen. Die Landtage müssten aber zustimmen und eine Gefahrenlage vorliegen, wenn die Länder den Stufenplan umsetzen wollen.

Der Bund spricht sich nicht mehr dafür aus, dass die Menschen von der Maskenpflicht – beziehungsweise der Testpflicht – befreit werden, die sich innerhalb der letzten drei Monate haben impfen lassen. Aber die Länder können diese Befreiung für vierteljährlich Geimpfte einführen. Überprüfbar soll das dadurch sein, dass ein Restaurantbesucher seine „Corona-Warn-App“ vorzeigt: Leuchtet sie grün, darf er die Maske ablegen – leuchtet sie rot, muss er den Mundschutz tragen. Lauterbach glaubt daran, dass die Länder den Frisch-Geimpften das Abnehmen der Masken erlauben werden.

Lauterbachs Gesetz und Buschmanns Kollaboration zeigen allerdings auch die Schwäche der Union auf: Das Infektionsschutzgesetz überlässt den Ländern viel Spielraum. Doch CDU und CSU wollen diesen in den von ihnen regierten Ländern nicht nutzen – sondern kritisieren genau diesen Spielraum. Das Gesetz bringe einen „Flickenteppich“ mit sich, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU im Bundestag, Tino Sorge. Er wünscht sich „klare Regelungen“ und „gesamtdeutsche Mechanismen“. Nur: Wie diese Regelungen inhaltlich aussehen sollen, sagt Sorge nicht – lediglich, dass sie überall gleich sein sollen.

Aus den Ländern heraus zeichnet sich auch keine CDU-Linie ab. Es gibt lediglich Wortmeldungen, die unterschiedliche Teilaspekte aufgreifen: So fordert in Schleswig-Holstein Daniel Günther, dass Infizierte künftig nur noch in Isolation müssen, wenn sie Symptome zeigen. Hendrik Wüst warnt in Nordrhein-Westfalen vor Schulschließungen. Und Boris Rhein kritisiert in Hessen, dass die für die Maskenpflicht vorgesehenen Ausnahmen dafür sorgen würden, dass das Gesetz nicht mehr kontrollierbar sei. Welche Maßnahmen die CDU will oder ob sie einen „Freedom Day“ befürwortet, bleibt offen. So sorgt das Infektionsschutzgesetz weiter für negative Schlagzeilen – doch die größte Oppositionspartei wird davon nicht profitieren können.

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