Tichys Einblick
Pressekonferenz zur Kriminalitätsstatistik

Faesers Flucht nach vorn: Mehr Migration führt zu mehr Straftaten

Nancy Faeser muss zugeben: Die steigende Migration hat zu mehr Kriminalität geführt. Das Land ist gewalttätiger geworden. Auf ihrer Pressekonferenz behauptet sie daneben, mit ihren Reformen etwas zum Besseren zu wenden. Heraus kommt dabei ein durchaus fetter SPD-Staat.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 (PKS), Berlin, 09.04.2024.

picture alliance/dpa | Britta Pedersen

„Nun sind sie halt da, die gewaltbereiten, straffällig werdenden Menschen.“ Dieser Satz fiel an diesem Dienstag zwar nicht, aber er war das unausgesprochene Motto, dem die Ausführungen Nancy Faesers bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 zu folgen schienen. Und so könnte die verkorkste Migrationsrhetorik Angela Merkels in die nächste Runde gehen. Am späten Dienstagvormittag begann Faeser mit den Worten, Deutschland sei weiterhin „eines der sichersten Länder der Welt“, ein „starker Rechtsstaat mit einer hervorragenden Polizei“. Aber zugleich musste sie eine Statistik mit einer deutlichen Zunahme der Straftaten verkünden, und das im zweiten Jahr in Folge.

Schon im Herbst hatte Faeser gesagt: „Unsere Gesellschaft ist tatsächlich gewalttätiger geworden.“ Das galt für 2022, aber auch für das erste Halbjahr 2023. Der Satz fiel bei der BKA-Tagung zum Thema „Ursachen und Dynamiken von Gewalt – wie brechen wir die Welle?“ Das BKA spricht demnach von einer wahren Gewaltwelle, die Bundesministerin aber vom sicheren und starken Rechtsstaat Deutschland.

Pressekonferenz zur Kriminalitätsstatistik
Tatsächlich gab es deutlich mehr Gewaltkriminalität, mehr Kinder- und Jugend- und mehr Ausländerkriminalität im vergangenen Jahr, auch Messerangriffe waren mehr, obwohl der Bund hier offenbar nicht alles zählen mag, was den Ländern zählenswert scheint. Diese Zahlen und Tendenzen waren intern natürlich längst bekannt, schon seit etwa einem halben Jahr. Die Politik hatte also genügend Zeit, sich einen passenden Spin auszudenken. Man konnte sich überlegen, wie die zunehmende Gewalt und der steigende Ausländeranteil an der Kriminalität weg zu erklären war.

Nun trat Faeser zum Teil eine Flucht nach vorne an. Auf Nachfrage bestätigte sie: „Eine steigende Migration hat zu mehr Straftaten geführt.“ Deshalb „mache“ man „die Maßnahmen“ ja – das „große Abschiebepaket“, die Grenzkontrollen, das gemeinsame EU-Asylsystem (GEAS), das morgen ins EU-Parlament kommen soll. Insgesamt ist das ein Offenbarungseid der Innenministerin, der zeigt, wie sehr sie mit ihrem Konzept der offenen Grenzen – die trotzdem fortbestehen – gescheitert ist.

Faesers Flucht nach vorn

Die Ampel an der Macht und insbesondere die verantwortliche SPD-Ministerin Faeser nahmen mit Schrecken die wachsende Kriminalität im Lande wahr, die Zunahme zumal von Raubverbrechen (nun definitiv +17,4 Prozent im letzten Jahr), Messerangriffen (+9,7 Prozent) und Gewaltkriminalität (+8,6 Prozent) im allgemeinen, dabei noch etwas mehr der vorsätzlichen einfachen (+7,4 Prozent) als der gefährlichen und schweren Körperverletzung (+6,8 Prozent). Oder ist das doch ein Gelingen im Hinblick auf die nun fällig werdende Kontrolle, den „starken“ (oder auch fetten) SPD-Staat?

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Eine Gewaltspirale, wie sie im europäischen Drogenhandel in Frankreich, Belgien oder den Niederlanden zu sehen ist, will Faeser übrigens „für Deutschland auf keinen Fall“. Und doch stieg die Drogenkriminalität in Deutschland um 30 Prozent an, etwa durch die Drogenkartelle, die im Hamburger Hafen aktiv sind. Zudem hängen die Geschehnisse im Hafen von Rotterdam oder anderswo auch mit den Lieferketten nach Deutschland zusammen. Mit der Cannabis-Legalisierung macht die Bundesregierung hier die Tore für mehr Drogen auf.

Die Perlenkette von „Spitzendelikten“ brachte einen Anstieg der Straftaten um 5,5 Prozent auf 5,94 Millionen hervor, ohne ausländerrechtliche Taten um 4,4 Prozent auf 5,64 Millionen. Die 300.000 ausländerrechtlichen Straftaten entsprechen in etwa der Zahl der illegalen Zuwanderer im letzten Jahr. Es ist seriös, diese Zahl herauszurechnen. Aber es bleibt beim überproportionalen Anstieg der Ausländerkriminalität und bei einem (vor allem dadurch) eingeholten Kriminalitäts-Höchstwert von 2016, den auch der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen (CDU) hervorheben sollte.

Dissonanter Unions-Chor: Zuwanderung eindämmen oder nur Traumata erkennen?

Seit Jahren gebe es auch einen steigenden Anteil nichtdeutscher Täter, blies Stübgen in das Horn, das auch seine Parteikollegen in Bund und Ländern nun wieder bedienen: Eine Eindämmung der illegalen Zuwanderung wird da gefordert, auch die Reduktion von Sozialleistungen und eine Einschränkung bei der Vergabe von Aufenthaltstiteln.

Stört es eigentlich seine Parteifreunde, wenn NRW-Innenminister Herbert Reul in schwarz-grün gestreifter Krawatte bei Phoenix auftritt, um zu verkünden, dass steigende Kriminalitätszahlen nicht immer nur schlecht sind? Sie könnten doch auch belegen, so Reul, dass die Polizei ihre Arbeit tue. Das Argument beißt sich nicht erst dann in den eigenen Schwanz, wenn man es – wie von der Hamburger Polizei getan – auf die Kriminalität im öffentlichen Raum bezieht. Wenn ein Baum umfällt und keiner sieht es, dann ist der Baum trotzdem umgefallen: Wenn eine Landespolizei erst nach Jahren genauer auf das eigene Bahnhofsviertel schaut, dann war da schon vorher einiges los, was besser festgebunden worden wäre.

Reul fordert, dass man „Traumatisierungen“ und „Radikalisierungen“ erkennt und die Deutschen davor schützt. Deutschland sei ein Einwanderungsland. „Wir müssen aber wissen, welche Menschen in unser Land kommen“, sagte er der Bild. Um die Frage nach dem „Wieviel?“ geht es Reul aber weniger – auch bei den Abschiebungen, die er eher nicht für ein Mittel bei der Kriminalitätsbekämpfung hält, weil jährlich viel mehr dazu kommen, als man so loswürde.

Erstaunlich: Sogar grüne Innenpolitiker, die gleichzeitig gegen ein Ernstnehmen der Statistik in allen Teilen sind, beginnen damit, eine konsequente „Strafverfolgung“ zu fordern und sich als halbe Law-and-Order-Politiker zu inszenieren. So etwa Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, die mit der Forderung nach konsequenter „Strafverfolgung und -anwendung“ hervortritt, zum anderen aber mit dem Aufruf, auch „nach den Ursachen zu forschen“.

Hier dynamisiert sich etwas

Die Zahlen sind hier eindeutig, zumindest was das Wachstum angeht: Während die Zahl der Tatverdächtigen insgesamt um 7,3 Prozent anstieg, nahmen die ausländischen Tatverdächtigen um 17,8 Prozent zu. Die Zahl der zugewanderten Tatverdächtigen wiederum stieg um 30 Prozent und immer noch um 25 Prozent ohne Ausländerrechtliches. Die Zahl der deutschen Tatverdächtigen nahm dagegen praktisch nicht zu (plus ein Prozent).

Das bedeutet zunächst: Hier dynamisiert sich etwas, eine schon bestehende Tendenz der Kriminalitätsstatistik wird weiter verstärkt. Ja, man kann es eindeutig sagen: Der Zuwachs in der Kriminalität verdankt sich ausschließlich den Ausländern. Und die Zuwanderer (also Asylbewerber, illegale Einwanderer, Flüchtlinge usf.) machten den Löwenanteil, nämlich über die Hälfte dieses Zuwachses aus.

Pressekonferenz zur Kriminalitätsstatistik
Insgesamt waren zwei von fünf Tatverdächtigen (41 Prozent) Ausländer, fast jeder fünfte Tatverdächtige war Zuwanderer (18 Prozent). Niemand muss auf die krasse Überrepräsentation an dieser Stelle hinweisen, sie ist evident. BKA-Chef Holger Münch lieferte nur eine kleine Rokoko-Schnecke zu der Frage, indem er einwarf, dass der Ausländeranteil „deutlich“ abnehme, wenn man bedenkt, dass nicht alle straffälligen Ausländer auch in Deutschland ansässig seien. Auf Nachfrage konnte er dazu keine genauen Zahlen angeben, nur die allgemeine, irgendwie entlastende Erkenntnis, dass nicht alle kriminellen Ausländer auch hier leben müssen. Die Überrepräsentation betrifft Zuwanderer stärker und eindeutiger als Ausländer – denn bei Zuwanderern ist meist klar, dass sie in Deutschland ansässig sind. Zuwanderer stellen 3,6 Prozent der Bevölkerung, und doch machen sie 18 Prozent der Tatverdächtigen aus.

Klar ist auch: Die Polizeiressourcen wachsen nicht mit dieser Einwanderung mit – im Gegenteil: Durch Angriffe auf sie werden die Polizisten stärker belastet. Besonders schlimm ist das laut Faeser, weil sie ihren Kopf „auch für die Politik“ hinhalten. Gut und richtig erkannt, könnte man sagen.

Münchs Korrelationen und der Zuwachs bei den Minderjährigen

Münch will das Phänomen als Korrelation von Migrationsdynamik und mehr Straftaten erklären. Die steigende Kriminalität habe nicht so sehr etwas mit der Nettozuwanderung zu tun als vielmehr mit der hohen „Dynamik“. Nach 2015 habe man gute Erfolge mit der „Zurückdrängung der Dynamik“ gehabt. Das scheint Münchs Expertenrat an Faeser zu sein und bleibt doch etwas rätselhaft. Es scheint nur eins zu bedeuten: Weniger illegale, mehr legale Einwanderung, bitte. Daneben benennt Münch noch einige andere Korrelationen, etwa: Je mehr Inflation oder Sorge darum, desto mehr Gewaltkriminalität. An dieser Stelle soll es (dank zurückgehender Inflation) also auch bald besser werden, so Münch. Man darf gespannt sein.

Ein Hammer kommt aber noch, der meist unterbeleuchtet wird: Unter Minderjährigen und Halbwüchsigen sieht es – mit wichtigen Abstufungen – noch schlimmer aus als bei den Erwachsenen. Bei den Minderjährigen kam 90 Prozent des Zuwachses von den Zuwandererkindern. Insgesamt nahmen die ausländischen Tatverdächtigen unter 18 Jahren um 31 Prozent zu, während der Zuwachs bei deutschen Kindern einstellig blieb. Bei den Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) um 27,4 Prozent, während die Zahl der Deutschen in dieser Alterskohorte sogar sank. Jeder, der diese Zahlen liest und versteht, muss zugeben, dass sie auch der Zukunft dieses Landes ein besorgniserregendes Zeugnis ausstellen. Polizeigewerkschafter Rainer Wendt (DPolG) sagte zu den Zahlen: „Da wird eine ganze Generation von Straftätern herangezogen, deren Gewalt wir völlig schutzlos ausgeliefert sind.“ Die Explosion der Zahlen bei nichtdeutschen jungen Männern betrachtet Wendt als alarmierend.

Auch Faeser will nun angeblich „ohne Scheu und ohne Ressentiments“ über das Thema Ausländerkriminalität reden. Doch das hielt nicht lange an. Wohl lobte Faeser die von ihr und der Ampel vorgenommenen „Verschärfungen“ im Bereich Abschiebungen. „Null Toleranz“ will Faeser angeblich gelten lassen bei straffällig gewordenen Ausländern. Erleichterte Abschiebungen von Straftätern seien ein „großer Bestandteil“ in ihrem Abschiebegesetz, das aber – auch dank den Grünen – eher ein Abschiebeschutz geworden ist. Mit dem staatlichen gestellten Pflichtanwalt kann künftig jeder Abschiebling gegen sein Verfahren vorgehen.

„Null Toleranz“ oder doch null Effizienz beim Abschieben?

Faeser kommt zugute, dass der Bund gar nicht für Abschiebungen zuständig ist, jedenfalls noch nicht. Später wird BKA-Chef Holger Münch erklären, dass es natürlich nur um die Abschiebung von Mehrfach- und Intensivtätern geht, als ein Deutsche-Welle-Reporter besorgt nachfragt, ob man ukrainische Straftäter auch in ihr Heimatland abschieben könnte. Auch Faeser verneint das, nicht zuletzt, weil das Land ja nicht über funktionierende Flughäfen verfüge. Dabei kommt man auch mit Zug und Bus in die Ukraine.

Pressekonferenz zur Kriminalitätsstatistik
Nun geht es nicht um eine harte Abschiebepraxis gegen Ukrainer, deren Kriminalität im Vergleich mit anderen Zuwanderern unterdurchschnittlich ist. Faesers Ausflucht steht aber exemplarisch für das Argumentieren in anderen Fällen. Bei den fälligen Abschiebungen krimineller Asylbewerber in ihre Herkunfts- oder Transitländer werden immer wieder solche lächerlichen Hindernisse in den Vordergrund gerückt wie nun von Faeser vor versammelter Bundespresse.

Dann kommt das Thema Prävention: Faeser will für dreimal so viele Integrationskurse gesorgt haben, obwohl deren Nutzlosigkeit zuletzt schon fast bewiesen war – etwa was Sprachkurse angeht. Faeser will den illegalen Zu- und Einwanderern durch die Kurse Regeln aufzeigen, etwa die Regel „Respekt statt Gewalt“. Der deutsche Staat schütze alle Menschen, egal woher sie kommen,woran sie glauben und wen sie lieben – auch wenn diese drei Dinge nicht immer gut zu verbinden sind, wie der neue Antisemitismus und die Feindschaft gegen Schwule und Lesben in gewissen Milieus zeigen. Darüber täuscht Faeser mit ihrer Vision des „starken Staats“ hinweg, den sie an anderer Stelle entweder verrät oder in einen Überwachungsstaat mutieren lässt.

Respekt einflößende Integrationskurse und Gesetze gegen Cybermobbing

Auf der Website des Innenministeriums werden indes nicht nur die markig-selbstzufriedenen Worte der Ministerin zitiert, sondern auch die von ihr gefundenen Gründe für den starken Anstieg der Kriminalität und insbesondere der Ausländer-, Kinder- und Jugendkriminalität. So gibt es angeblich besondere „Risikofaktoren bei Schutzsuchenden“, weil die ein „Flucht-Trauma“ zu überwinden hätten, das anscheinend durch die „Lebenssituation in Erstaufnahmeeinrichtungen“ verstärkt wird. Faeser spielt den Bundesländern und Kommunen hier den schwarzen Peter zu: Sorgt gefälligst besser für die Asylbewerber, dann habt ihr auch weniger Probleme.

Daneben wird zum x-ten Mal auf die erhöhte Mobilität nach der Pandemie hingewiesen. Faeser weiß in der Pressekonferenz, dass Kinder und Jugendliche besonders belastet von den Maßnahmen waren, und mahnt eine Aufarbeitung der Maßnahmen an. Angeblich läuft die Evaluierung schon – aber das wohl nur auf kleinster Sparflamme, wie Lauterbachs zögerliches Öffnen der Archive zeigt.

Für die Zukunft wünschen sich Faeser und ihre beiden Mitpanelisten mehr Befugnisse im Kampf gegen Cyberkriminalität. Der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen (CDU) fordert einen gesonderten Straftatbestand „Cybermobbing“, von dem oftmals Frauen und Kinder betroffen seien, neben kommunalen Amts- und Mandatsträgern. Hier wird mobil gemacht gegen eine „virtuelle Verrohung“, die der realen auf den Straßen gleichberechtigt zur Seite gestellt wird. Doch das wirkt nicht nur wie ein Ablenkungsmanöver. Es passt in die Tendenz zur Kriminalisierung von bisher nicht strafbaren Taten und Worten, zu einer polizeilichen Überwachung des Internets. Daneben will Faeser IP-Adressen speichern, Stübgen will die Vorratsdatenspeicherung, deren Nutzen ungewiss ist. Die Nutzung einer US-amerikanischen Datenbank zum Kindesmissbrauch hat man allerdings laut Stübgen verschlafen.

So versandet die Pressekonferenz ihrem Ende zu. Sicher ist, dass die auf Podium erneut versuchen, die Realität vor den Augen des Publikums zu verstecken. Auch einige aus der Presse würden gerne dabei helfen und stellen aus Faesers Sicht hilfreiche Fragen nach dem „Verhetzungspotential“ der Zahlen. Doch die Zahlen sind die Zahlen, wie man auf TE noch im Detail sehen wird.

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