Tichys Einblick
Faeser bleibt unglaubwürdig

Kurz vor der Wahl will Faeser „zusätzliche Kontrollen“ an den Grenzen im Osten

Nun also doch: zwei Wochen vor der Hessen-Wahl lenkt Nancy Faeser verbal ein und will „zusätzliche Kontrollen“ an den Grenzen im Osten. Doch der Wille, illegale Einreisen zu verhindern, steht nicht dahinter. Dazu würden auch die Mittel fehlen. Die Ermittler gegen kriminelle Schleuser sind überlastet.

Die Grenzschutzpolizei bei einer Grenzkontrolle in Bayern am 20. September 2023.

IMAGO / ZUMA Wire

Nancy Faeser zaghaft: „Wir bereiten erst mal stationäre Grenzkontrollen mit vor. Es geht um zusätzliche Kontrollen. Und wir müssen schauen, was das dann bringt.“ Mit jedem Wort versucht die Innenministerin zu verbergen, dass sie auf offener Bühne eine Rückwärtsrolle aufführt.

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Monatelang hat sich Faeser gegen stationäre Grenzkontrollen gewehrt, als sei das ihr persönlicher Gottseibeiuns – sie, die Innenministerin, die eigentlich für die Sicherheit im Innern und an den Grenzen zuständig wäre. Seit Jahren wirbt auch der Bundespolizist Heiko Teggatz (Deutsche Polizeigewerkschaft, DPolG) für die Notifikation der von illegaler Migration stark betroffenen Grenzabschnitte, um der Bundespolizei dort wieder den Status einer Grenzbehörde zu geben. Denn die könnte illegale Zuwanderer zurückweisen, was ihr ohne Notifizierung sogar „verboten“ sei. Das ist, kurz gesagt, das Rationale hinter der Notifizierung von Grenzabschnitten gegenüber der EU und den dadurch möglichen Grenzkontrollen.

Teggatz hat also gute Argumente auf seiner Seite. Die Gegenposition der konkurrierenden Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist bekannt und überrascht dennoch. „Wir sprechen uns als GdP gegen stationäre, feste Grenzkontrollen aus, weil wir das in der polizeilichen Arbeit nicht als effektiv ansehen“, sagte die Vizevorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Erika Krause-Schöne, der Rheinischen Post. Dauerhafte stationäre Grenzkontrollen seien auch eine „dauerhafte Belastung“ und „sehr personalintensiv“. Die Zahl der ankommenden Migranten könne so ebenfalls nicht begrenzt werden, was nur zum Teil stimmt. Denn Zurückweisungen wären ein erster Schritt zur Begrenzung.

Aber vielleicht will man bei der GdP mit solch einer hoheitlichen Aufgabe gar nichts mehr zu tun haben? Jede Person, die ein Schutzbegehren vorbringe, müsse aufgenommen werden, so Krause-Schöne weiter. Es liege dann in der Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Asylgesuche zu prüfen. Aber wozu dann eigentlich die intensivierte Schleierfahndung, die die Vizevorsitzende dennoch fordert? Eine Notifizierung der Grenzen zu Polen und Tschechien fordert allerdings auch die GdP, um die Fahndung bis an die Grenze auszudehnen. Dann wären auch Zurückweisungen möglich. Hier gibt es also durchaus Einigkeit der beiden Gewerkschaften – gegen die alte Position der Ministerin, die es stets abgelehnt hat, alle belasteten Grenzabschnitte zu notifizieren.

Faeser weicht zurück: der Anfang ihres politischen Endes?

Faeser weicht nun spürbar zurück. Man hatte lange darauf gewartet. Und natürlich geschieht es im Moment der allerhöchsten Not, in dem Faeser die Folgen ihres eigenen Nicht-Handelns zu spüren bekommt und auch vom Bundeskanzler – wiederum öffentlich – mit Liebesentzug entlohnt wird. Die Innenministerin wackelt, auch aufgrund alter Affären rund um die Entlassung des BSI-Präsidenten Arne Schönbohm (aufgrund einer Comedy-TV-Sendung und mit zweifelhaften, verfassungsfernen Mitteln betrieben). Ebenso und noch mehr wackelt Faeser durch ihre evidente Inkompetenz im Amt. Seit Dezember 2021 besetzt sie den Stuhl des Bundesinnenministers. Doch nun ist ihr – geäußert im Talk von Anne Will am Sonntag – aufgefallen, dass noch viel an „Digitalisierung“ in ihrem Haus fehle und deshalb die Ergebnisse leider zu wünschen lassen.

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Weit gefehlt, kann man da nur sagen, denn es sind die Ergebnisse auch ihrer Politik, die man heute bestaunen kann. Von Beginn an setzte Faeser auf Erleichterungen für Zuwanderer, etwa schnellere und leichtere Einbürgerungen für einen größeren Personenkreis und „Chancenaufenthalte“ für abgelehnte, „geduldete“ Asylbewerber. Immer wieder setzte sich Faeser an die Spitze der „Solidarität“ in der EU, stand am Ende allein da mit den versprochenen Zusatz-Aufnahmen, schob zusammen mit Annalena Baerbock (Grüne) ein Sonderaufnahmeprogramm für Afghanen an – und rühmte sich nun (wiederum in der infamen Sonntags-Talkshow, in der die Nöte der Kommunen keine Rolle spielten), dass dadurch noch kein Afghane deutschen Boden betreten hätte. Doch die Aufnahme von insgesamt 40.000 Afghanen – zusätzlich zu den ohnehin beständig illegal einreisenden – ist so vorgesehen.

Kurzum, die gestiegenen Zahlen an deutschen Grenzen mögen sich allen möglichen Faktoren verdanken. Doch sie sind nicht zuletzt auf das Wirken von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zurückzuführen.

Außenwirtschaft: Export und Just-in-time nicht verteuern

Nun meldet sich allerdings „die Wirtschaft“ zu Wort – ein Wort, das im Grunde ebenso täuschend ist wie man es von „der“ Wissenschaft seit einiger Zeit weiß. Aber immerhin der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, warnt im Handelsblatt, dass eventuelle Grenzkontrollen an der polnischen und tschechischen Grenze „zwangsläufig zu Verzögerungen“ beim Reise- und Warenverkehr führen würden. Man dürfe über das Ziel der Bekämpfung krimineller Schleuser nicht die reibungslose Lieferung von Exportgütern wie auch „Just-in-time-Lieferungen in konjunkturell angespannten Zeiten“ verteuern.

Die Frage ist aber doch, ob der Verbandsvertreter für alle von ihm Vertretenen spricht. Denn für den einzelnen Unternehmer ist auch die Sicherheit vor illegaler Zuwanderung von entscheidender Bedeutung und letztlich ein Standortfaktor. Auch der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) warnte vor „langen LKW-Staus an den Grenzen“. Allerdings sind die aus Bayern nicht bekannt, wo schon seit Herbst 2015 durchgehend Grenzkontrollen betrieben werden.

Bundespolizist: „Sicherheit Deutschlands ist in Gefahr“

So hängt vieles am Ende an einer ausreichenden Ausstattung der Bundespolizei. Schon derzeit liegen hunderte Verfahren gegen Schleuser „auf Halde“, wie ein Bundespolizist im Focus berichtet. „Wir haben in dem Bereich viel zu wenige Ermittler.“ Es fehle massiv an Personal für die Bearbeitung. Doch Schleuserbekämpfung ist ja das, was Faeser nun angeblich vorhat. Im Bundestag sagte sie: „Zur Schleuserbekämpfung kann es richtig sein, auch eine kurzfristige stationäre Grenzkontrolle zu machen.“ Man muss den Satz genau lesen, um seinen Sinn zu verstehen: Faeser will Schleuser bekämpfen, nicht illegale Migration an sich, die auch ohne Schlepper gelingen kann.

Fehl im Amt
Fühlt sich Faeser Deutschland oder der ganzen Welt verpflichtet?
Aber die beiden Gruppen sind in der Realität nicht scharf voneinander zu trennen, wie eine aktuelle Meldung zeigt: Am Dienstag wurden in Frankfurt am Main fünf „syrische“ Asylbewerber (darunter drei Frauen und zwei Männer) festgenommen, die mutmaßlich mehr als 100 ihrer Landsleute nach Deutschland geschleust haben sollen. Mehr als 350 Einsatzkräfte hatten im Auftrag der Staatsanwaltschaft Stade „wegen des Verdachts des banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern“ eine Razzia in fünf Bundesländern und sieben Städten durchgeführt. Zwölf Objekte wurden durchsucht. Die Schleusungen fanden bequem per Flugzeug mittels Fremdpässen statt.

Aber noch nicht einmal beim Thema Schleuserbekämpfung kann man Faeser letztlich trauen, dass sie alles tut, was nötig wäre. Der Bundespolizist Tibor Rumpf, in leitender Position beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) tätig, sagt laut Focus: „Momentan ist die Bundespolizei mit ihren Kräften nicht in der Lage, Deutschland vor illegaler Einwanderung an den Grenzen wirksam zu schützen.“ Und damit sei auch die „Sicherheit Deutschlands in Gefahr“. Darüber müsse sich jeder im Klaren sein – um wieviel mehr die verantwortliche Ministerin.

So seien die professionellen Schleuser, die in der Tat als wirkungsvolle Übertragungsriemen der illegalen Migration dienen können, den Ermittlern stets einen Schritt voraus. Kein Naturzustand, sondern etwas, was sich mit konsequenter Arbeit und Voraussicht ändern ließe. 4.500 Smartphones von geschleusten Migranten oder Schleusern liegen aktuell in den „Auswertestellen“ der Bundespolizei herum. Jedes davon enthält mögliche Informationen zu Schlepperringen. Aber es fehlen die Beamten, um sie auszuwerten. Auch das groß angekündigte „Operative Zentrum Analyse“ gegen Schleuserkriminalität sei bloßes „Wahlkampfgetöse“, so Rumpf.

Faeser: Für Finanzen nicht zuständig

Es wird also aller Voraussicht nach so weitergehen mit steigenden Asylbewerberzahlen. Da passt hinein, dass eine befasste Bund-Länder-Arbeitsgruppe laut der Augsburger Allgemeinen angekündigt hat, die Finanzhilfen Migration für Länder und Kommunen im kommenden Jahr zu kürzen. Von 3,75 Milliarden Euro wie zuletzt will der Bund (also der Bundessteuerzahler) dann noch maximal 1,7 Milliarden Euro an die nachgelagerten Gebietskörperschaften ausbezahlen. Die Länder, sicher auch die Kreise und Kommunen, wollen das aber nicht auf sich sitzen lassen und fordern Nachverhandlungen. Darauf wird es hinauslaufen.

Nancy Faeser hat damit glücklicherweise gar nichts zu tun. Denn, wie sagte sie kürzlich in einem Interview? „Für Finanzen ist mein Kollege Christian Lindner zuständig“. Folglich konnte Faeser auch nicht bestätigen, was die Kollegen aus dem Regierungsviertel aufgeschnappt hatten, dass nämlich ein Sondervermögen von 15 Milliarden Euro bei der nächsten Bund-Länder-Runde vorgestellt werden soll.

Für die Verteilung von Finanzen ist Faeser in der Tat nicht zuständig, aber sie tut einiges für deren Verzehr, sei es in Bund, Ländern oder Kommunen, um von der mittel- und langfristigen Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu schweigen, die die Massenzuwanderung ungelernter, bildungsferner Migranten mit sich bringen wird.

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