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Faeser: 17.600 unerlaubte Einreisen verhindert – Länder suchen Tausende Plätze für Asylbewerber

Während Faeser sich in neuer Grenzermanier für verhinderte Einreisen auf die Schulter klopft, wurden mehr als 70.000 neue Asylanträge allein in diesem Jahr nicht verhindert. Kommunen und Länder platzen immer noch aus allen Nähten, können aber nichts anderes als klagen.

picture alliance/dpa | Britta Pedersen

Wer hätte es gedacht, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sich irgendwann noch einmal wie eine Ungarin aufführen würde? Oder wie ein griechischer Migrationsminister a.D., der verkündet, wie viele illegale Einreisen die eigenen Grenzer verhindert haben. Die Lage ist inzwischen so weit. Auch Nancy Faeser will in den letzten fünf bis sechs Monaten insgesamt 17.600 unerlaubte Einreisen verhindert haben, zudem seien 708 Schleuser festgenommen worden – fragt sich nur, für wie lange. Aber die Frage stellt sich immer.

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Das Absinken der Asylanträge (um ein Fünftel) ist daneben eine Tatsache, aber auch nicht mehr schwer nach den Höchstständen des vergangenen Jahres. Ein Tiefstand ist damit keineswegs erreicht, und Faeser erinnert durch ihre Rhetorik daran, dass das auch gar nicht gewünscht ist. Ein leichter Sinkflug genügt, bis die Zahlen im Frühling und Sommer wieder – erwartungs- wie wunschgemäß – Fahrt aufnehmen werden. Man kann hier an die diversen Äußerungen der EU-Einwanderungslobby erinnern, die vom berühmten „wir kriegen Menschen geschenkt“ (KGE) bis zu „sie kommen aus Liebe“ (YJ) reichen. Ein solches Geschenk will auch Faeser keineswegs ausschlagen.

Nun will Faeser auch noch für schnellere Abschiebungen sorgen. Doch das ist das unsicherste Versprechen dieser Ampel, vor allem seit die Grünen das ohnehin zaghafte Abschiebegesetz verwässert haben mit einem Pflichtanwalt, der jedes Überraschungsmoment der Abschiebehaft zunichtemacht und die Rückführung im schwersten Fall ganz abwendet.

Der Rest von Faesers Botschaften ist ohnehin Sand in die Augen der Bürger streuen: Am Montag werde sie sich an der EU-Außengrenze zwischen Bulgarien und der Türkei ein Bild machen, „wie der massiv verstärkte Schutz der Außengrenzen und menschenrechtskonforme Asylverfahren nun schnellstmöglich umgesetzt werden“, erfährt man von der Nachrichtenagentur dts. Die Umsetzung wird aber wohl noch etwas auf sich warten lassen, die gesetzte Übergangsfrist sind zwei Jahre.

Länder suchen vergeblich nach mehr Kapazitäten

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Derweil wird es in deutschen Ländern zusehends enger, vor allem was die Erstunterbringung neuer Asylbewerber angeht. Denn der Strom versiegte eben nicht. Schon 71.061 neue Asylanträge wurden in diesem Jahr bis Ende März gestellt. Das stellt die Länder, Kreise und Kommunen noch immer vor arge Nöte. Allein in Baden-Württemberg fehlen derzeit 9.000 Regelplätze in Erstaufnahmeeinrichtungen. Aktuell besitzt das Ländle schon 6.200. Man will diese Zahl also allen Ernstes mehr als verdoppeln. In Niedersachsen will man fast eine Verdreifachung von 3.800 auf 11.300 Erstaufnahme-Plätze. Ähnlich sieht es in anderen Ländern aus: Mecklenburg-Vorpommern will sich von 1.200 auf 3.600 Plätze entwickeln.

Aber rechtlich und wegen der ablehnenden Haltung der Bürger ist die Einrichtung neuer Zentren oft schwierig. Die „Liegenschaftsakquise“ ist ein hartes Brot für die Länder, und zäh dazu. Seit dem Herbst bemüht sich Niedersachsen um neue Gebäude und Grundstücke, bisher meist erfolglos.

Warum aber eigentlich die Eile? Die Zahlen schwellen doch ab, das könnte doch so weitergehen, wenn man der Innenministerin glauben mag, gerade in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg, wo SPD, Grüne und CDU an den wichtigsten Schalthebeln der Macht sitzen. Doch wie die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen mitteilt, müsse man davon ausgehen, „dass die Zahlen, wie auch in den vergangenen Jahren, spätestens zum Sommer wieder stärker ansteigen“.

Am Ende müssen es die Kommunen und Viertel tragen

Zudem gab es im vergangenen Jahr anscheinend einen – viel zu wenig öffentlich diskutierten – Streit zwischen Ländern und Kommunen, weil die Länder eigentlich zur Unterbringung während des Asylverfahrens verpflichtet sind, dieser Verpflichtung aber nicht mehr durchweg nachkamen. Stattdessen starteten die Busse verfrüht, jene Busse, die mit voller Ladung losfahren und leer wieder zurückkommen, weil wieder ein Landkreis zur Aufnahme von 50 oder 100 Migranten verdattert wurde. Landkreise und kreisfreie Städte gaben diese Belastung dann wiederum an die Gemeinden und Stadtbezirke weiter.

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Die erst im Herbst wieder zwischen Bundeskanzler und Länderchefs neu festgezurrte Regel, dass erst das Asylverfahren entschieden sein soll, bevor der dann „anerkannte Flüchtling“ in einer Kommune angesiedelt wird, wird wohl auch dieses Jahr nicht eingehalten werden. Denn es fehlen schlicht die Kapazitäten, was der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, am meisten beklagt: „Nach unserer Einschätzung sind die bestehenden Kapazitäten der Länder nahezu ausgeschöpft und reichen in Teilen bereits jetzt nicht mehr aus.“

Daher würden auch in Zukunft „Asylbewerber aus den Aufnahmeeinrichtungen der Länder auch ohne abgeschlossenes Asylverfahren oder ohne Anhörung auf die Landkreise verteilt“. Das aber bedeute für alle Beteiligten „einen hohen Aufwand“, den Sager zwar nicht weiter erläutert. Aber allein die Unterbringung ist ja ein hoher Aufwand für die Kommunen. Die Integration von Personen, die eigentlich gar nicht zu integrieren sind, weil ihr Antrag eventuell abgelehnt wird, kommt hinzu.

Insofern kommt auch die EU-Asylreform, die Nancy Faeser jetzt mit eigenen Augen in Bulgarien vorantreiben will, zu spät für die Kommunen, die Kreise und Länder. Überall im Land werden in diesen Wochen neue Unterkünfte akquiriert, neu gebaut und am Ende requiriert, beschlagnahmt. Denn auch ein Zuzug von 70.000 in drei Monaten will verkraftet und untergebracht sein. Daneben muss mit den Folgen gelebt werden: höhere Arbeitslosigkeit, mehr Bürgergeldbezug, mehr Kriminalität und Unsicherheit auch für die Einheimischen, die sich das schon vor dem Bau der Einrichtungen ausmalen können.