Tichys Einblick
Waffenrecht

Experten entschärfen Gerüchte um Waffenverordnung

Im Netz kursieren Gerüchte, die Bundesregierung befürchte Unruhen und bewaffne ihre Mitarbeiter. Ein Fachverband und ein Anwalt erklären, warum das Unsinn ist.

IMAGO / Shotshop

Hat die Bundesregierung “still und leise” die Waffengesetze für Bundesbehörden abgeschafft, um jedem Mitarbeiter eine scharfe Schusswaffe “in die Hand drücken” zu können, wie im Netz spekuliert wird? Selbst ein Anwalt und prominenter Lockdown-Kritiker verbreitete in einem Youtube-Video diese Geschichte. Der Staat gehe angeblich davon aus, dass sich die Lage im Land verschärfen werde und sich die Bürger in ihrer Verzweiflung zur Wehr setzen werden.

Ein Verband und ein Anwalt widersprechen indes den Spekulationen, die sich um eine “Waffengesetz-Bund-Freistellungsverordnung” drehen, die Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer im Dezember unterzeichnet haben. Der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler schreibt in einer Mitteilung, die Realität sei “fast schon enttäuschend nüchtern und sachorientiert”. Mit Bewaffnung der Mitarbeiter von Bundesbehörden habe die Verordnung “nichts zu tun”. Sie gestalte vielmehr den Umgang von Staatsbediensteten mit Waffen während der Arbeit.

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Etwa erteile die Physikalisch-Technische Bundesanstalt Zulassungen für Reizstoffe oder Schreckschusswaffen und müsse entsprechende Waffen prüfen dürfen, heißt es weiter. Dazu müssten die Mitarbeiter der Behörde von den Waffengesetzen freigestellt sein. Ähnliches gelte für einen Mitarbeiter beim Bundesgerichtshof, der Asservate in Augenschein nehme. “Ohne Freistellung im Sinne der angesprochenen Verordnung wäre ihm aber der Umgang mit Waffen untersagt”, erklärt der Verband.

Der Geschäftsführer des Verbands, Ingo Meinhard, sagt auf Nachfrage, die Verordnung erlaube nicht, dass ein Mitarbeiter einer Bundesbehörde eine Waffe mit nach Hause nehme oder sich privat eine Waffe kaufe. “Staatsbedienstete erhalten keine neuen Befugnisse. Der Gesetzgeber hat nur den Text der alten Fassung von 1976 umgeschrieben”, sagt er. Etwa habe man die Namen von Behörden aktualisiert. Die Verordnung sei im vergangenen Jahr erschienen, weil der Bund damals die Waffengesetze komplett überarbeitet habe.

Auch Anwalt Hans Scholzen sagt, es handle sich um “eine völlig falsche Auslegung der Fünften Verordnung zum Waffengesetz”. Mitarbeiter von Bundesbehörden hätten es nicht leichter, eine Waffe kaufen und führen zu dürfen. “Auch Behördenmitarbeiter müssen Zuverlässigkeit, Sachkunde, Vorstrafenfreiheit und ein Bedürfnis nachweisen. Ein Bedürfnis haben in der Regel nur Sammler, Sportschützen und Jäger”, sagt der Düsseldorfer Anwalt, der auch Präsident des Verbands für Waffentechnik und -geschichte ist und als freier Autor für waffenrechtliche Fachzeitschriften arbeitet.

Im Netz kursierten Spekulationen um eine Verordnung, welche am 4. Dezember verkündet wurde. Demnach brauche es für sämtliche Angestellten des Bundes keine Erlaubnis mehr für den Umgang mit Waffen und Munition, auch nicht für Minderjährige. “Die Bundesregierung hat damit die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, jedem einzelnen Mitarbeiter, vom Standesbeamten bis zum städtischen Straßenreiniger, unter Umgehung aller rechtlichen Vorschriften, eine scharfe Schusswaffe in die Hand drücken zu können”, heißt es und weiter: “Offensichtlich geht man bereits jetzt davon aus, dass sich die Lage im Land nochmal dramatisch verschärfen und sich die Bevölkerung in ihrer Verzweiflung zur Wehr setzen wird.”

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