Tichys Einblick
Macht- und Kasperle-Theater

EuGH verbietet Abschiebung schwerkrimineller Flüchtlinge

Auch „Flüchtlinge“, die schwer kriminell geworden sind, dürfen nicht abgeschoben werden, hat der sogenannte Europäische Gerichtshof entschieden. Er will auch mit offenkundig nicht nachvollziehbaren Urteilen nationales Recht aushebeln.

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Der sogenannte EuGH * hat entschieden, dass anerkannte Flüchtlinge selbst nach schweren Straftaten nicht abgeschoben werden dürfen.

Tschechien hatte einem Flüchtling aus Tschetschenien den Flüchtlingsstatus aberkannt, nachdem er wegen wiederholter Raubüberfälle und Erpressung zu neun Jahren Haft verurteilt worden war. In Belgien wurden ein Mann aus der Elfenbeinküste wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen zu vier Jahren und ein Mann aus dem Kongo wegen Diebstahls mit vorsätzlicher Tötung zu 25 Jahren Haft verurteilt. Die Flüchtlingsanerkennung wurde ihnen verweigert beziehungsweise entzogen. Diese Fälle hat jetzt der EuGH * zu Gunsten der sogenannten Flüchtlinge entschieden; für sie gelte der unbedingte Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention sowie die EU-Grundrechte, urteilten die Luxemburger Richter der EU am Dienstag (Rechtssachen C-391/16, C-77/17 C-78/17).

Das Urteil hat mehrere Dimensionen: Es unterläuft jeden Versuch, wenigsten schwer kriminelle „Flüchtlinge“ abzuschieben. Die Bundesregierung hat sich ohnehin nur zögerlich dazu bekannt. Jetzt ist auch dieses Tor offen – von deutschen Gerichten droht kriminellen Ausländern keine Gefahr mehr, die möglicherweise in ihren Heimatstaaten bestraft werden könnten, die Schutzfunktion der Staaten wird eingeschränkt; sogenannter Flüchtlingsschutz hat Vorrang.

EU-Recht schlägt nationales Asylrecht

Es ist ein sehr weitgehender Schutz vor Abschiebung, ein zu weit gehender. Denn die EU-Richter legen fest, dass EU-Ausländer, die eine begründete Furcht vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland haben, als Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens einzustufen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob ihnen dieser Status förmlich nach EU-Recht verliehen wurde. Außerdem dürften Personen nach der Grundrechtecharta der EU nicht in ein Land abgeschoben werden, in dem Folter oder unmenschliche sowie erniedrigende Strafen drohen. Das Verhalten des Betroffenen – also auch kriminelles – spiele dabei keine Rolle. Hier gehe der Schutz durch die EU-Regeln über den der Flüchtlingskonvention und des jeweiligen nationalen Asylrechts hinaus.

Die Richter der EU in Luxemburg sind fein raus: Sie müssen ja die Bevölkerung nicht vor Kriminellen schützen. Ihnen geht es auch um etwas anderes, nicht um den Schutz der Bevölkerung oder um die Durchsetzung von Recht und Gesetz: Ihre Zielrichtung ist erkennbar nur, EU-Recht über nationales Recht zu setzen. Denn über ihre Regelungen wird schrittweise EU-Recht an die Stelle nationaler Regelungen gestellt; das war bereits bei früheren Urteilen der Fall. So entschieden diese Richter ebenfalls am Dienstag, dass zukünftig an die Stelle von „Vertrauensarbeitszeit“, wie sie in Deutschland üblich ist, wieder eine strikte Kontrolle der Arbeitszeit zu treten habe; ein zusätzlicher Bürokratisierungsschub für Unternehmen und der Versuch, Flexibilisierung der Arbeitszeit europaweit zurück zu drehen.  Das sind nur die jüngsten Urteile, die allerdings seit den 90er-Jahren aufeinander aufbauen, um Vertragsrecht der EU schrittweise über das demokratisch legitimierte und legale Recht der Mitgliedsstaaten zu setzen.

Vorfahrt für EU-Recht

Rechtlich steht das EU-Recht nicht über dem Grundgesetz – genießt aber Anwendungsvorrang. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dem längst gebeugt. Egal ob Entscheidungen über Währungsfragen oder vergleichsweise bescheiden wirkende wie die Frage vor dem Bundesverwaltungsgericht, ob Rundfunkgebühren auch bar bezahlt werden können – die letztendlichen Entscheidungen wurden den Richtern der EU überlassen. Diese entscheiden in der Regel nach dem Prinzip der Machtausdehnung zu Gunsten sogenanntem europäischen Recht, das schrittweise als überlegen und letztgültig etabliert wird. Mit dem sogenannten Maastricht-Urteil bestätigte das deutsche Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit des EU-Vertrags von Maastricht mit dem deutschen Grundgesetz. Es wies die Beschwerde zurück, dass durch die Verlagerung bestimmter Kompetenzen an die Europäische Union – vor allem mit der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion – das vom Grundgesetz garantierte Demokratieprinzip (Art. 20 I, II GG) und der Grundrechtsschutz nicht mehr gegeben seien. Im Normalfall sei für die Einhaltung des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht der in Deutschland so genannte Europäische Gerichtshof (EuGH *) zuständig. Das Verfassungsgericht verteidigt das Grundgesetz nicht mehr.

Man kann es in aller Kürze fassen: Das Bundesverfassungsgericht ist eine leere Hülle wie auch die jeweilige Gesetzgebung: Im Bundestag noch Kasperle-Theater, entschieden wird in Brüssel.


*EuGH: fälschlich Europäischer Gerichtshof, da nur Gerichtshof der EU.