Tichys Einblick
Regulierungswahnsinn

EU: Projekt der gelangweilten Bürokraten

Die EU verbietet ab 2035 die Neuzulassung von Verbrennermotoren. Das ist noch ein vergleichsweise weit greifendes Verbot der EU. Die EU reguliert auch in die kleinsten Bereiche des Lebens hinein. Wie Salz auf Pizza aufzutragen ist, wie gut Staubsauger saugen dürfen und wie krumm die Banane sein darf.

IMAGO / Panama Pictures

Nun ist es also da, das Verbrennermotor-Verbot der EU. Ab 2035 werden keine fabrikneuen PKW mehr zugelassen, die einen Verbrennermotor nutzen. In den Folgejahren sollen andere Verbrenner verboten werden: Lieferwägen, LKW. Natürlich müssen die Polit-Bonzen nicht auf ihre gepanzerten Limousinen mit Fahrservice verzichten: Kleinserienhersteller, die weniger als 1.000 Fahrzeuge im Jahr herstellen, dürfen weiter Verbrenner in der EU anmelden.

Doch die Zielmarke von 2035 ist eine Lüge. Schon früher werden neue Verbrenner unmöglich gemacht. Ab 2025 müssen die Hersteller den gesamten CO2-Ausstoß ihrer verkauften Flotten um 15 Prozent senken. Ab 2030 muss der Ausstoß um 37,5 Prozent gesenkt werden. Als Vergleichsjahr dient das Jahr 2021. Aber wegen der Corona-Pandemie waren die Neuwagenverkäufe im Jahr 2021 im Vergleich zu den Vorjahren stark gesunken.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Für die Hersteller ist die Lösung simpel: Es werden weniger Kleinwägen verkauft. Dank günstiger Motoren haben sie eine geringere Effizienz als größere Fahrzeuge, stoßen also relativ mehr CO2 aus – und weil die Fahrzeuge insgesamt billiger sind, ist an ihnen auch weniger zu verdienen.

Was Regierungen nicht in ihren Heimatländern beschließen können, das lagern sie nach Brüssel aus. Ein Verbrennerverbot wäre im Bundestag gescheitert. Im EU-Parlament wird es beschlossen.

Die EU regelt in die kleinsten Lebensbereiche der Bürger hinein. Erst vor kurzem wurde die Abgasnorm für Dieselfahrzeuge verschärft. Verkehrsexperten wie Thomas Mayer, Experte für Kolbentechnik, meinen: Diesel sind schmutziger als Benziner, insofern waren die ersten Abgasnormen durchaus sinnvoll. Doch schon längst sorgen die verschärften Abgasnormen nicht für sauberere Luft in den Städten. Denn es werden Situationen geregelt, die im Normalbetrieb eines Fahrzeugs einfach nicht vorkommen. Wozu Grenzfälle regeln, die nie relevant sind?

Glühbirnen und bald auch Halogenlampen

Seit 2009 dürfen in Europa keine Glühbirnen mehr verkauft werden. Nur ein kleiner Teil des Stroms, der in den Wolframfaden der Birne fließt, wird auch in Licht umgesetzt. Der Rest wird als Wärme abgestrahlt. Ab September dieses Jahres werden auch die meisten Formen von Halogenlampen verboten. Das Verbot sollte eigentlich früher kommen, wurde aber verschoben, da LED-Lampen nicht den von der Kommission erwünschten Entwicklungsstand erreicht hatten. Viele Verbraucher wollen keine quecksilberhaltigen Energiesparlampen oder LED-Lampen für das Verhörzimmer-Gefühl. Also werden sie vor die Wahl gestellt: Nutzt LEDs oder sitzt im Dunkeln.

Staubsauger, die Staub auch aufsaugen

Staubsauger dürfen seit 2014 nur noch eine maximale Saugleistung von 1.600 Watt erreichen. 2017 wurde diese Reglung noch einmal auf maximal 900 Watt verschärft. Indem die EU-Kommission den maximalen Stromverbrauch von allerlei Haushaltsgeräten festlegt, soll der Stromverbrauch in Europa reduziert werden. Die Kommission möchte „im engen Austausch“ mit den Herstellern gestanden haben, um diese Werte festzulegen. Manche dieser Staubsaugerverkäufer sagen, 400 Watt seien genug, um mit ihren Geräten staubzusaugen. Nicht geklärt ist: Wie eng war der Austausch mit den Putzkräften für die Dienstwohnung in Brüssel? Denn die hätten vielleicht auch etwas beizutragen gehabt.

Kaffee-Warmhalteplatten

Dasselbe Gesetz, dass Staubsaugersaugkraft begrenzt, regelt auch die klassischen Filterkaffeemaschinen, die in vielen Haushalten zu finden waren, bevor Nespresso seinen Siegeszug antrat. Bei Kaffeemaschinen mit Warmhalteplatte für die Kaffeekanne muss sich die Warmhalteplatte nach mindestens 40 Minuten automatisch abschalten. Warum 40 Minuten und nicht 30 Minuten oder 60? Das ist der Redaktion unklar. Jedenfalls müssen neuverkaufte Geräte seit 2014 besagte Selbstabschaltung haben, um den immensen Energieverbrauch der Filterkaffeemaschinen zu begrenzen.

Belgische Pommes

Belgische Pommes müssen zweifach frittiert sein – nur dann sind sie ordentlich kross. Doch das ist seit 2018 illegal. Denn immer wenn Nahrungsmittel durch Hitze braun werden, entsteht der krebserregende Stoff Acrylamdid. Also beim Grillen, Frittieren, Backen. Erst versuchte die Kommission es mit Hinweisen auf Acrylamdidhaltigen Lebensmitteln. Doch weil das den Bürgern nicht schmeckte und sie trotzdem Pommes, Brot und Steaks essen, wurde ein Verbot erlassen. Nahrungsmittel müssen schonend gegart werden, frittiert werden darf nur einmal und das Produkt muss möglichst hell sein. Auch Brot muss so hell wie möglich gebacken werden.

Plastik aller Art

Seit einiger Zeit ist nun „Einmalplastik“ verboten. Nur solches Plastik ist noch erlaubt, für das die Kommission keine zufriedenstellende Alternative feststellen konnte. Verboten sind zum Beispiel Besteck und Strohhalme. Wer sich wundert, warum Takeaway und Cocktails nach Holz schmecken: Besteck wird nun aus Holz geformt und Halme aus Pappe. Das soll auch dazu beitragen, die Meere plastikfrei zu halten. 86 Prozent des Plastiks in den Meeren kommt aus Asien, die größten Plastikquellen sind Jangtse und Ganges – in Europa hingegen wird recycelt, verstromt oder in Deponien abgelagert.

Schnullerketten

Wurden nicht verboten. Stattdessen erarbeitete die Kommission eine 50-seitige Norm für die Produktion von Schnullerketten. Diese regelt zum Beispiel, dass ein Normal-Baby einen Halsumfang von 230 mm hat, weswegen eine Schnullerkette maximal 220 mm lang sein sollte. Gab es Fälle von Selbststrangulation durch Schnullerketten? Die EU selbst konnte das nicht als Problem erkennen, schreibt sie im Vorwort der Norm doch: „Die Anzahl der Unfälle, die durch Schnuller verursacht werden, ist gering und Unfälle, die einen tödlichen Ausgang haben, sind so gut wie nicht bekannt.“

Reguliert wird trotzdem.

Pizza Napoletana

Nahrungsmittelregulierungen für traditionelle Produkte können sinnvoll sein. Schwarzwälder Kirschtorte muss mit Kirschwasser gemacht werden. Schwarzwälder Schinken muss geräuchert sein und aus dem Schwarzwald kommen. Unklar ist aber, warum es durch die EU geregelt werden muss, dass für das Belegen einer Pizza Napoletana diese Arbeitsschritte eingehalten werden müssen:

„mit einem Löffel werden in die Mitte der Teigscheibe 70 bis 100 g geschälte und zerkleinerte Tomaten gegeben,

mit einer spiralförmigen Bewegung wird die Tomatenmasse auf der ganzen Innenfläche verteilt,

mit einer spiralförmigen Bewegung wird Salz auf die Oberfläche der Tomaten gegeben,

auf die gleiche Weise wird eine Prise Oregano verteilt,

eine geschälte Knoblauchzehe wird in dünne Scheiben geschnitten, die auf die Tomaten gelegt werden,

mit einer Ölflasche mit Ausgießer werden in einer spiralförmigen Bewegung von der Mitte aus auf der Oberfläche 4 – 5 g natives Olivenöl extra (zulässige Toleranz: + 20 %) verteilt“

Merke: Wird Salz nicht spiralförmig, sondern in einem Kreuzmuster aufgebracht, ist es keine Pizza Napoletana.

Gurken und Bananen

Gurken durften zwanzig Jahre lang in der EU nicht verkauft bzw. nicht eingeführt werden, wenn sie nicht den Bestimmungen für die Ideal-Gurke entsprach. Sie durften maximal 10 mm Biegung pro 10 cm länge aufweisen. Das Gurkengesetz wurde 2009 nach 20 Jahren Bestand außer Kraft gesetzt, eine inhaltlich ähnliche Bananenverordung gilt bis heute. Als Grund für diese Regulierung wird der Verbraucherschutz vorgeschoben, in Wahrheit war es wohl ein Lobbyprojekt der Großhändler. Gerade Gurken sind einfacher pauschal zu handeln. Über den Umweg der EU konnte den Landwirten eine gerade Normgurke aufgezwängt werden, die so wohl kaum Akzeptanz gefunden hätte. Ähnlich ist es mit den Regelungen für Bananen, die wohl auch dazu dienen sollen, europäische Produzenten zu schützen: Eine in Europa eingeführte oder verkaufte Banane muss 14 cm lang und 27 mm dick sein und darf „keine abnormale Krümmung aufweisen“.

Was ist eine „abnormale Krümmung“? Ist eine gerade Banane abnormal? Warum muss eine Bananenkrümmung in Gesetzestexten eingefasst und der Zoll mit ihrer Kontrolle beauftragt werden? Von der Größenregulierung ausgenommen werden übrigens europäische Produktionsgebiete: Madeira, Azoren, Algarve, Kreta, Lakonien und Zypern. Diese Bananen dürfen trotzdem verkauft werden, auch wenn sie nur als Güteklasse II gehandelt werden dürfen. Zur Vermarktung von Bananen schreibt die EU vor:

„Die Aufmachung der Bananen erfolgt in Händen oder Clustern mit mindestens vier Fingern oder als einzelne Finger [Bananen, Annahme der Redaktion]. Pro Packstück sind jedoch höchstens zwei Cluster mit je zwei fehlenden Fingern zulässig, sofern der Stiel nicht abgebrochen, sondern glatt abgeschnitten wurde, ohne die anderen Früchte zu verletzen. In jeder Reihe ist höchstens ein Cluster mit drei Fingern zulässig, das die gleichen Eigenschaften aufweist wie die anderen Früchte des Packstücks. In den Anbauregionen können Bananen als Büschel vermarktet werden.“

Welchen Vorteil haben die Bürger Europas davon, dass reguliert wird, in welchen Stückelungen Bananen gehandelt werden?

Anzeige