Tichys Einblick
Ist der Ofen bald ganz aus?

Energiekrise: Bäckereien schließen, Supermärkte löschen das Licht

Das Schweizer Handelsunternehmen Migros stellt wegen Gas- und Strommangels eine Verkürzung der Produktionszeiten in Aussicht – und streicht die Weihnachtsbeleuchtung. Bäckereien können ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen.

IMAGO / Addictive Stock

Die Energiekrise hat den Lebensmittelhandel erreicht. Fabrice Zumbrunnen, Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschafts-Bundes, kündigte Einschnitte für die eigene Supermarktkette an. Migros gehört mit rund 100.000 Angestellten zu den größten schweizerischen Unternehmen. Es verfügt über Eigenmarkenprodukte und dazugehörende Industriezweige. Ende 2021 verfügte der Einzelhandelsriese über 658 Filialen in der Schweiz.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
In der Schweizer Boulevardzeitung „Blick“ erklärte Zumbrunnen, dass in diesem Jahr keine Weihnachtsbeleuchtung in den Filialen zu erwarten sei. Zugleich müsste man sich darauf einstellen, dass die eigene Großbäckerei mehrere Sorten aus dem Angebot entfernen würde. „Fließt weniger Gas und Strom, müssen wir die Produktionszeiten verkürzen und entscheiden, was weniger oder gar nicht mehr hergestellt wird“, so Zumbrunnen. Vielleicht würden unter diesen Umständen nur noch fünf Brotsorten produziert. Das „nicht lebensnotwendige“ Patisserie-Sortiment würde stark eingeschränkt.

Sollte man aufgrund „einer Kontingentierung nur noch 80 Prozent des Stroms bekommen“, müsse man sich noch weiter einschränken. Die Öffnungszeiten würden verkürzt, einige Filialen komplett geschlossen bleiben. „Dadurch sinkt der Verbrauch von Strom, da Kassen, Kühlregale, Beleuchtung, Rolltreppen und Lifte abgestellt werden.“ Man würde aber eine Grundversorgung erhalten, etwa, wenn es nur einen einzigen Migros-Supermarkt im Umkreis einer Gemeinde gebe.

Auch in Deutschland mehren sich die Nachrichten, dass in Zukunft etwa das Brotangebot abnehmen könnte. Friedrich Dumler von der „Bäckerei Dumler“ hat mit anderen Bäckereien im Kulmbacher Land einen offenen Brief an die zuständigen Abgeordneten verfasst. Dumler betreibe seine Bäckerei bereits in dritter Generation. Doch die derzeitige Krise sei „existenzbedrohend“. Die Bäckerei habe die Kundenpreise immer wieder erhöhen müssen. Das staatliche „Energiekostendämpfungsprogramm“ helfe nur der Industrie, aber nicht dem Mittelstand. Zitat:

„Es dürfte niemandem geholfen sein, wenn im Fall einer Gasknappheit Privathaushalte weiter mit Gas versorgt werden, die betroffenen Beschäftigten aber dann ihren Arbeitsplatz verlieren, Unternehmen zur Aufgabe gezwungen werden und die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln in Gefahr gerät.“

Doch nicht nur in Oberfranken melden sich die Bäcker. Die Rems-Zeitung berichtet von mehreren Bäckereien, die mit der Energiekrise um ihre Zukunft bangen:

„Der Preis für den Strom, mit dem die Öfen in den Filialen laufen, sei seit vergangenem Jahr um 15 Mal so hoch, sagt Inhaber Günther Mühlhäuser. Der Ofen im Stammhaus läuft mit Öl, dafür zahle man jetzt das Dreifache. ‚Das sind alleine 150 000 Euro Mehrkosten pro Jahr nur für Öl.‘ Auch er sieht eine Preisanpassung als unumgänglich an. Die Mehrkosten eins zu eins an die Kunden weitergeben könne man als Bäcker aber nicht, sagt er. Die Handwerkskammer Region Stuttgart hatte darum Alarm geschlagen und schnelle, unbürokratische Unterstützung von der Regierung gefordert. Schließlich seien Bäckereien energieintensiv und systemrelevant.“

Ein ganz ähnliches Bild bietet der Schwarzwälder Bote. Er berichtet: Bäckereien im Kreis Rottweil haben ihr Limit erreicht. Doch nicht nur im Süden Deutschlands klagen die Bäcker. In Hannover haben sich 29-Bäckerbetriebe zusammengeschlossen und fordern ein Rettungspaket – große Industriebäckereien würden gerettet, dem Bäcker-Handwerk ginge es dagegen wegen steigender Preise an den Kragen. Ähnliche Berichte gibt es aus dem sächsischen Großschirma, dem Münsterland, dem Ruhrgebiet oder dem Saarland. Die Bäckerei Speckmann, ein Familienunternehmen mit 17 Angestellten aus dem niedersächsischen Wehrbleck, steht dabei als Beispiel für viele: Sie musste nach 50 Jahren Betrieb wegen der Preissteigerungen schließen, obwohl sie bislang „grundsolide“ wirtschaftete.

Anzeige