Tichys Einblick
Berliner Vorkaufspleite

Ein Untersuchungsausschuss sucht nach Gründen des Versagens um Florian Schmidt

2019 verstrickte Baustadtrat Florian Schmidt sich in einen Skandal um die von ihm mitbegründete »Diese eG«. Der Grünen-Politiker trickste, verbrannte Geld und manipulierte wohl auch seine eigenen Akten. Im Abgeordnetenhaus hat ein Untersuchungsausschuss begonnen. Viel Zeit bleibt nicht bis zu den Wahlen im September.

imago Images

Zumindest der RBB steht noch zu seinem Baustadtrat. Florian Schmidt, dem vom Berliner Rechnungshof »pflichtwidriges Verhalten« vorgeworfen wird, nennt man im Landesfunkhaus noch immer mit Schweiß auf den Augenbrauen einen »Robin Hood der Mieter«. Das könnte auch wirklich stimmen, wenn – ja, wenn der Rächer von Sherwood Forest den englischen Staatsschatz geraubt hätte, um ihn ohne Zögern im River Idle zu versenken.

Tatsächlich würde man den grünen Baustadtrat eher in der Rolle des täppischen King John besetzen, der sich an den aufrechten Angelsachsen durch überhöhte Steuern bereichert, um das Geld dann für Lustbarkeiten seiner Wahl zu verprassen. Auch Florian Schmidt sah sich weder an seine politische Verantwortung gebunden noch an die formalen Regeln des Vorkaufsrechtes, das er als Urbanist und Milieuschützer so gern ausübte. Und schon gar nicht an das Gebot, sparsam mit Steuermitteln umzugehen. Jetzt soll eine Untersuchungsausschuss der Affäre um die Vorkaufspleite auf den Grund gehen. Viel Zeit bleibt nicht mehr bis zu den Abgeordnetenhauswahlen, die voraussichtlich am 26. September stattfinden. Vorkäufe sorgen bundesweit immer öfter für Rechtsstreitigkeiten, weil sich Investoren gegängelt fühlen. Ursprünglich war dieses Ausnahmerecht der öffentlichen Hand dafür gedacht, öffentliche Vorhaben zu ermöglichen. Heute dient es eher als Investitionshemmnis und soll die Wohnraumpreise in einem günstigen Sinn beeinflussen. Am Erfolg darf man – wie im Fall des Berliner Mietendeckels – zweifeln.

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Durch Florian Schmidts Agieren ist dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bereits jetzt ein Schaden von 270.000 Euro entstanden. Sollte die von Schmidt gegründete »eingetragene Genossenschaft« namens »Diese eG« doch noch Insolvenz anmelden, würde der Bezirksschaden sich aber wohl verhundertfachen. Denn die Berliner öffentliche Hand übernahm Haftungsrisiken im Umfang von 27 Millionen Euro. Und was hat die hochverschuldete Diese eG nun dafür bekommen? Vier Mietshäuser im Berliner Dächermeer. Bei zwei weiteren Kandidaten, die Schmidt für seine Genossenschaft ausgesucht hatte, versagten schon die Geldmittel. Am Ende mussten eine Alt- Genossenschaft und ein privater Käufer aus demselben Umfeld einspringen.
Das grüne Grunddilemma

Selbst wenn man aus irgendwelchen Gründen für die Vergemeinschaftung von Wohnraum wäre, wäre das ein wahrhaft kümmerliches Ergebnis. Es handelt sich um eine Art links-grüner Klientel- Politik für dieses sehr spezielle Milieu, das man sich lebhaft vorstellen kann. Aber in Wahrheit war am Ende niemandem gedient, weil Schmidts Vorkaufsmodell einfach nicht funktioniert, wahrscheinlich nicht funktionieren kann.

Damit ist diese Schmidt-Akte ein typisches grünes Kabinettstückchen: Mit viel Ideologie und noch mehr Gutmenschentum bewegt man am Ende nichts, scheitert vielmehr demonstrativ an den wirtschaftlichen Gegebenheiten und hält sich sogar noch für moralisch höherstehend dadurch. Das ist das Grunddilemma dieser Partei, das sie immer wieder bemänteln muss, um überhaupt als wählbar zu gelten.
Florian Schmidts Verwirklichung dieser Prinzipien ist beinahe schon kapriziös zu nennen. Bis vor kurzem wurde wegen des Verdachts der Untreue gegen ihn ermittelt. aber die Berliner Staatsanwaltschaft fand die Pflichtverstöße am Ende einfach nicht gravierend genug, auch der finanzielle Schaden sei nicht erheblich. Komisch nur, dass der landeseigene Rechnungshof genau das Gegenteil festgestellt hatte: die Pflichtvergessenheit des Stadtrats und den von ihm angerichteten finanziellen Schaden. Nun, der Rechnungshof ist im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft von der Politik unabhängig.

Handreichungen innerhalb der rot-grün-roten Koalition

Als erwiesen galt zudem, dass Schmidt die Akten seiner Vorkäufe manipulierte, um der Opposition und der Presse keinen Anlass zur Kritik zu liefern. Auch von diesem Vorwurf wurde er allerdings freigesprochen, in diesem Fall – noch durchschaubarer – von der Bezirksaufsicht des rot-grün-roten Senats. Hier ist sicher, dass eine Hand die andere wäscht. Denn inzwischen gerät auch der Bausenator von der Linkspartei, Sebastian Scheel, Nachfolger von Katrin Lompscher (ebenfalls Linke), ins Visier des Untersuchungsausschusses.

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Für Stefan Evers, der für die CDU im Abgeordnetenhaus und jetzt im Diese-eG- Untersuchungsausschuss sitzt, ist klar: »Es wurden Zahlen geborgen und Recht gebeugt, dass es kracht.« Aber das war, so glaubt Evers, nur dank der Mitwirkung des Senats möglich. Die zentrale Figur ist für ihn deshalb Bausenator Sebastian Scheel, der zuvor Staatssekretär unter Katrin Lompscher war und als solcher an der Finanzierung der grünen Mietergenossenschaft mitgewirkt hat. Aber auch Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) gelten Evers als Teil eines »undurchsichtigen Dschungels«.

Tatsächlich hatte man es es sich seit 2017 zum Ziel gesetzt, »die Vorkaufsrechte nach dem Baugesetzbuch (BauGB) in Berlin verstärkt zu nutzen«. So erläuterte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die »Richtlinien« der Berliner Linkskoalition. Im mitgelieferten Vademecum heißt es: »Die Ausübung des Vorkaufs in sozialen Erhaltungsgebieten […] soll nur ausgeübt werden, wenn ein geeigneter, ankaufswilliger Dritter zur Verfügung steht. […] Grundsätzlich ist der Dritte für die Finanzierung des Kaufpreises und aller Nebenkosten verantwortlich.« Aber mit diesem Rest von Privatwirtschaft nahm es Schmidt nicht so genau. Wenn das Geld bei der selbst gegründeten Genossenschaft nicht reichte, dann sprang eben der Bezirk für die Haftungsrisiken ein.

Die Bürger werden gleich auf zwei Weisen ausgeraubt

Daneben sorgten die linke Bausenatorin und ihr Staatssekretär für eine Anschubfinanzierung aus Senatsmitteln. Das wird wohl ein zentraler Punkt der Anklage im Untersuchungsausschuss werden – nicht mehr gegen Florian Schmidt, sondern gegen den heutigen Bausenator und damaligen Staatssekretär Sebastian Scheel (Die Linke). Bernd Schlömer (FDP) bedauert, dass »viele gute Projektideen« keine Zuwendungen erhalten, weil »bei der ›Diese eG‹ alle Verhältnismäßigkeit verloren wurde«.

Am Ende floss erneut Landesgeld, um die Schmidt-Genossenschaft vor der Pleite zu bewahre. Zur gleichen Zeit wurden allerdings die Mieten in den gekauften Objekten erhöht. Letztlich werden also – um im Robin-Hood-Bild zu bleiben – die Bürger gleich auf zwei Weisen ausgeraubt, weil man der Räuberbande das Überleben sichern will.

Damit dürften die Mieten der links-grünen Genossenschaft übrigens den Berliner Mietendeckel verletzen. Nun verzerrt der bekanntlich den Wohnungsmarkt und verhindert Modernisierungen. Die Grünen sind dagegen, wie alle wissen, eine moderne und gerechte Partei, sie werden also nicht für ein Modernisierungshindernis sein, das Ungerechtigkeiten schafft und perpetuiert. Widerspruch aufgelöst.

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