Tichys Einblick
Peter Voß

Ehemaliger SWR-Chef geht mit ÖRR hart ins Gericht: „Skandaldichte ist beachtlich“

Peter Voß, früher SWR-Intendant und Moderator des Presseclubs, kritisiert die jüngsten Skandale in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Dabei teilt er gegen Jan Böhmermann und Formate wie FUNK aus. Bei Berichten herrsche Predigerton statt nüchterner Analyse vor.

IMAGO / MAVERICKS

Der ehemalige Intendant des SWR, Peter Voß, hat in einem Gastbeitrag der FAZ die jüngsten Skandale sowie grundsätzliche Probleme der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten scharf kritisiert. Es helfe nichts, die „grotesken Vorgänge zu beschweigen“. Der Beitrag „Die Skandaldichte ist beachtlich“ spricht von „besorgniserregenden“ Vorgängen. Der ÖRR unterhöhle sein eigenes Fundament.

„Muss man beim Gedanken an ARD und ZDF gramvoll sein Haupt verhüllen, oder darf man sich als alter ‚Öffentlich-Rechtlicher‘ zu deren systematisch bedingten Politskandalen der jüngsten Zeit äußern?“, beginnt Voß seinen Artikel. In „fast regelmäßigen Abständen“ laufe jeweils eine „neue linksgrunzende Sau durchs öffentlich-rechtliche Dorf“, von der man nicht wisse, ob sie nicht „heimlich von der AfD als Wahlhelfer ernährt und gemästet“ werde. Zum Anlass nimmt Voß die jüngste Enthüllung, bei der eine Mitarbeiterin des WDR in einer Penny-Filiale als echte Kundin dargestellt wurde.

Doch die Kritik des langjährigen Presseclub-Moderators geht tiefer. Insbesondere das Verhalten Jan Böhmermanns und die Außenwirkung, die er erzeuge, sieht Voß problematisch. Er brutzle längst „im Saft der eigenen Polemik“ und brächte das ZDF in Verlegenheit. Rauswerfen, so Voß, könne man ihn wohl kaum, selbst wenn er Demokraten als Nazis beschimpfe. „Schließlich hat er’s ja nicht im Programm getan, dafür muss man ihm schon einmal dankbar sein“, fährt Voß sarkastisch fort. „Es war eine ‚private‘ Äußerung – als ob seiner Bekanntheit, die er wesentlich dem ZDF verdankt, irgendeine öffentliche Äußerung von ihm noch privat sein könnte.“

Voß beklagt damit nicht nur die häufige Ausrede der Sender, skandalöse Äußerungen als Privatmeinungen abzutun und den Urheber nicht zur Rechenschaft zu ziehen. Er prangert auch die Doppelmoral an. „Gesetzt den Fall, ein anderer öffentlich-rechtlicher Spaßmacher würde ‚privat‘ etwas sagen, das mit ein wenig bösem Willen als ‚rechtspopulistisch‘ gebrandmarkt werden könnte – würde man da auch so sorgfältig differenzieren?“ Ähnlich kritisiert der Fernseh-Veteran die ideologische Schlagseite des Formats „Funk“. Die Sendung „Never Ever“ von Negah Amiri habe mit dem „Alibi-Bekenntnis“ begonnen, einen „sexy Klima-Aktivismus“ zu bieten, der sich nicht auf der Straße anklebt, sei dann aber zur „Apologie für Fanatiker der Letzten Generation und Extinction Rebellion“ geraten.

Auch das „nachrichtlich-berichtende Format“ habe erheblich nachgelassen. Entscheidend bleibe die Auswahl und Behandlung „vieler und vielfältiger Problemfelder“ in eigener Sache. „Da scheint mir nach wie vor bei den eigentlichen Reizthemen – vor allem beim Themenkomplex Migration und Integration und bei der Frage nach der richtigen Strategie gegen die zunehmende Erderwärmung – ein Defizit an Differenzierung zu bestehen“, konstatiert Voß. Nicht nur bei diesen Themen ersetze der „Predigerton“ die nüchterne Analyse.

Voß hatte im Jahr 2009 für Aufsehen gesorgt, als er nach 35 Jahren aus der CDU austrat. Als Grund nannte er damals die Nichtverlängerung des Vertrags des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Bender. Die Entmachtung habe der hessische Ministerpräsident Roland Koch vorangetrieben. „Herr Koch hat mit seinem Vorgehen der CDU, dem ZDF und den Medien im Allgemeinen schwer geschadet“, begründet Voß seinen Schritt. Allerdings erkannte Voß auch eine direkte Einflussnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Merkels Beteiligung ist offensichtlich. Ich bin mir sicher, dass Koch sich ohne den Segen der Bundesregierung nicht durchgesetzt hätte – er war nur das Sprachrohr.“

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