Tichys Einblick
Antisemitismus

Die Zeit der Sonntagsreden ist vorbei

Die Aufmärsche vor den Synagogen zeigen: Vom Antisemitismus geht eine reale Gefahr aus. Ein starker Staat muss seine jüdischen Bürger schützen.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

„Unerträglich“, nannte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die antisemitischen Ausschreitungen, die sich vor Synagogen in seinem Bundesland ereignet haben. In der Tat, es ist nicht zu ertragen, dass in dieser Weise der Antisemitismus sein hässliches Gesicht zeigt. Aber wir ertragen es: Denn was der Innenminister sagte, klang doch zu sehr nach Status quo. Reul versuchte zu erklären, warum die Polizei nicht schnell genug reagiert hatte. Und mittlerweile sind die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen auch verstärkt worden. Das ist sicherlich richtig. Gilt aber tatsächlich, dass die Bundesrepublik Deutschland Antisemitismus nicht ertragen kann und will, dann kann es dabei nicht bleiben.

Juden fühlen sich nicht sicher

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Schon vorher konnte man wissen, dass immer mehr Juden sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlen und sogar über Auswanderung nachdenken. Die Fälle sind Legion, in denen Juden, die ihre Kippa tragen, angegriffen worden sind, jüdische Kinder auf dem Schulhof drangsaliert, Synagogen mit Parolen beschmiert werden. Die aktuelle Eskalation kann die Sicherheitsbehörden nicht überrascht haben, wenn diese denn ihr Geschäft verstehen. Wenn der Staat jetzt nicht seine Stärke zeigt und unmissverständlich deutlich macht, dass er die Sicherheit aller jüdischen Bürger garantiert, dann ist die Vokabel „unerträglich“ leider nichts anderes als ein Phrasen-Baustein aus dem Setzkasten für Sonntagsreden. Hier geht es auch um die Staatsräson der Bundesrepublik, die eben in solchen Sonntagsreden sonst immer beschworen wird: Juden sind in Deutschland sicher.
Der Staat ist gefordert

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Klar benannt werden muss, von wem hier die Gewalt ausgeht. Es waren ja nicht deutsche Neonazi-Gruppen, die vor die Synagogen gezogen sind (freilich müssen auch diese im Visier der Polizei bleiben). Sondern ein Mob, der sich, wie jetzt auch Reul erläuterte, nicht nur aus Palästinensern zusammensetzte. Es mische sich hier viel zusammen, so der Innenminister. Auch Angehörige aus anderen Ländern des arabischen Raums seien unter den Teilnehmern gewesen. Auch hier ist der souveräne Staat gefordert: Die deutsche Öffentlichkeit darf nicht zur Bühne der arabischen Straße werden. Die Sicherheitsbehörden müssen endlich genauer ausleuchten, wie diese fünften Kolonnen aus dem Ausland gesteuert werden und wie sie hier agieren. Und dann muss gehandelt werden. Bis dahin hat die Sonntagsrede Quarantäne.

Dieser Artikel von Sebastian Sasse erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

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