Tichys Einblick
Seit jeher

Die Feinde der Juden haben mehrerlei Gestalt

Wir dokumentieren den Austausch von Positionen zwischen Gerd Buurmann und Malca Goldstein-Wolf mit dem Kölner Stadtanzeiger.

Die Bergische Synagoge in Wuppertal wurde in der Nacht zum 29. Juli 2014 mit Molotow-Cocktails beworfen.

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„Solange sich offizielle Vertreter der hiesigen Juden nicht von der jetzigen Politik Israels distanzieren, so lange werden Anti-Israel-Haltung und Antisemitismus Hand in Hand gehen, auch wenn weitere Antisemitismusbeauftragte ernannt werden.“

Diese Worte von Wolf Dieter Bonnemann veröffentlichte der Kölner Stadt-Anzeiger am 2. Januar 2019. Bonnemann beschwert sich in diesem Leserbrief, er habe „kein kritisches Wort von offizieller jüdischer Seite, sei es vom Zentralrat der Juden oder dem jeweiligen Vorstand der hiesigen Synagogengemeinde, gegen die israelische Nahostpoltik gehört.“

Das ist die Sicht des Bonnemann: Ein Jude, der Israel nicht kritisiert, muss sich nicht wundern, wenn er beleidigt, ihm seine Kippa vom Kopf gerissen oder seine Synagoge angegriffen wird. Es ist eine Sicht, die sich in Deutschland mittlerweile sogar in der Justiz findet.

Am 18. Januar 2016 fand am Wuppertaler Landgericht die Berufungsverhandlung gegen Attentäter statt, die Ende Juli 2014 einen Brandanschlag auf die Wuppertaler Synagoge verübt hatten. Das Amtsgericht Wuppertal erklärte damals, der Anschlag auf die Synagoge sei keine antisemitische Tat gewesen, da die Attentäter erklärt hatten, mit dem Anzünden der Synagoge die Aufmerksamkeit auf den Konflikt zwischen Israel und Gaza lenken zu wollen. Das Gericht verstand dieses Ansinnen und erklärte, dass es „keine Anhaltspunkte für eine antisemitische Tat“ gäbe!

Die Ausführungen von Bonnemann, Juden könnten aufgrund ihres Verhaltens selber Schuld am Judenhass sein, ist zutiefst antisemitisch. Es ist so, als würde man einer vergewaltigen Frau Mitschuld an dem Verbrechen geben, weil sie einen zu kurzen Rock getragen hat. In der selben perversen „Logik“ könnten Rechtsextreme auch Moscheen angreifen und dabei erklären, mit der Tat die Politik Saudi-Arabiens oder des Irans kritisieren zu wollen. Auch Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte könnten als Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik abgebucht werden.

Es ist vollkommen irrelevant, wie sich ein Jude benimmt, Antisemitismus ist immer falsch. Wolf Dieter Bonnemann jedoch sieht das anders. Er kann den Hass auf Juden in Deutschland irgendwie verstehen und erklärt: „Die Politik der israelischen Regierungen seither und das das Aufkommen einen neuen Antisemitismus sind nicht voneinander zu trennen. Die israelische Regierung nach 1967 haben wiederholt gegen Völkerrecht verstoßen. Ein solches Verhalten löst Reaktionen aus.“

Da haben wir es also. Die Vereinten Nationen müssen für Wolf Dieter Bonnemann herhalten, um den Judenhass zu rechtfertigen. Es ist daher wichtig zu betonen, dass die Vereinten Nationen nicht sehr vertrauenswürdig sind, wenn es um Israel geht. Der sogenannte Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat Israel nämlich öfter verurteilt als alle anderen Länder der Welt zusammen. Israel wurde öfter verurteilt als Saudi-Arabien, China, Nordkorea, Russland, Venezuela, Katar und all die anderen Länder der Welt von Deutschland bis den USA zusammen! Dafür gibt es nur zwei mögliche Erklärungen. Entweder ist Israel ein teuflischer Staat, böser, abartiger und verdammenswerter als alle anderen Länder der Welt zusammen oder die Vereinten Nationen sind judenfeindlich.

Die Vereinten Nationen sind judenfeindlich

Es schmerzt, diese Tatsache zu akzeptieren. Kann es denn sein, dass eine bei vielen Menschen moralisch so hoch angesehene Organisation wie die Vereinten Nationen judenfeindlich sind? Ist es möglich, dass sich die ganze Welt irrt? Ja, es ist möglich. Die ganze Welt kann sich irren, besonders, wenn es um Juden geht. In diesem Fall hat sie sich schon einmal geirrt.

Es gibt Menschen, die hassen die jüdische Religion, sie werden Antijudaisten genannt, es gibt Menschen, die hassen das jüdische Volk, sie werden Antisemiten genannt und es gibt Menschen, die hassen den jüdischen Staat, sie werden Antizionisten genannt. Sie alle speisen sich aus dem selben alten Hass auf Juden, der Jahrhunderte lang tradiert wurde.

Viele Länder der Vereinten Nationen haben eine lange Geschichte der judenfeindlichen Tradition. In jenen Ländern, die christlich und islamisch geprägt sind, wurde der Judenhass jahrhundertelang über die Religion tradiert. Aber auch in aufgeklärten Ländern konnte sich der Judenhass in rassistischen Ideologien und anderen politischen Bewegungen manifestieren. Judenhass findet sich heute in jeder politischen Richtung, von links bis rechts, in jeder Klasse, von arm bis reich und bei vielen Menschen, von gebildet bis dumm. Es gibt einen weltweit agierenden Vereinten Judenhass und dieser Hass vereint sich leider auch in den Vereinten Nationen.

Judenhass ist in der Welt grenzübergreifend so zweifellos vorhanden, wie Frauenhass und wenn es um die Stellung der Frau geht, können die Vereinten Nationen auch keine gute Bilanz vorweisen. Bei der 37. Sitzung des Menschenrechtsrates in Genf kamen Länder zusammen wie Katar, Saudi-Arabien und Afghanistan, drei Länder, die nicht dafür bekannt sind, Frauen zu fördern, sondern eher dafür, sie wegzusperren, auszupeitschen und zu steinigen. Hillel Neuer von der Organisation UN Watch kritisierte damals die Vereinten Nationen mit deutlichen Worten:

„Was ist mit dem Witz, der sich UN-Menschenrechtsrat nennt und jedes Jahr Israel mehr verurteilt als alle anderen Länder der Welt zusammen? In einer Welt, in der Frauen systematisch vergewaltigt, ermordet und als Sklavinnen verkauft werden, welches ist wohl das einzige Land, das die UN-Kommission dieses Jahr auserkoren hat, um es für die Behandlung von Frauen zu verurteilen? Ja, Sie haben richtig geraten: Israel. Israel! Israel, wo Frauen Kampfjets fliegen, große Unternehmen und Universitäten leiten, dem Obersten Gericht schon zwei Mal vorstanden und als Sprecherinnen in der Knesset und als Premierministerin gedient haben.“

Die Vereinten Nationen sind vom Antisemitismus befallen. Aus diesem Fakt jedoch eine Rechtfertigung für die Existenz von Judenhass zu konstruieren, ist an Geschmacklosigkeit kaum noch zu überbieten. Am 2. Januar 2019 hat der Kölner Stadt-Anzeiger so eine Geschmacklosigkeit abgedruckt.

Die Antwort der Chefredaktion des Kölner Stadt-Anzeigers vom 3. Januar 2019:

„Der Kölner Stadt-Anzeiger distanziert sich von jeglichem antisemitischen Gedankengut. Am 10.12.2018 hatten wir kritisch über Antisemitismus in Köln berichtet. Dieser Bericht war Anlass für mehrere Leserbriefe zu dem Thema. Wir haben großes Verständnis für die Sorgen der Synagogen-Gemeinde Köln. In Zeiten, in denen Antisemitismus in Deutschland wieder zunimmt, sind wir als Redaktion gefordert, auch Leserzuschriften besonders kritisch zu prüfen. Leider sind wir in diesem Fall unserem Anspruch nicht gerecht geworden, was wir bedauern.“

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Tapfer im Nirgendwo sagt: „Bedauern ist gut, daraus lernen ist besser.“


Zuerst erschienen bei Tapfer im Nirgendwo


Synagogen-Gemeinde Köln erklärt: „Kölner Stadt-Anzeiger hat in seiner journalistischen Sorgfaltspflicht völlig versagt.“

Eine Presseerklärung der Synagogen-Gemeinde Köln bezüglich eines Leserbriefs im Kölner Stadt-Anzeiger.

In der Ausgabe vom 2. Januar 2019 findet sich ein Leserbrief von Wolf Dieter Bonnemann aus Bergisch Gladbach, der mit einer pur antisemitischen Behauptung – die Juden sind für den Antisemitismus selbstverantwortlich – in der Fortsetzung bester Nazidiktion mit der Politik des Staates Israel eine Erklärung für elendige Vorfälle in Deutschland abgibt. Dieter Bonnemann sagt in seinem Statement, die Position des Staates Israel seien eine verständliche, logisch und nachvollziehbar Ursache für den heutigen Antisemitismus. Wenn unser neuer Gemeinderabbiner bei einem privaten Spaziergang nach wenigen Tagen des Aufenthalts in Köln bereits Erfahrung mit antisemitischen Menschen und Beschimpfungen machen mussten, ist dies nach Herrn Bonnemann der Politik Israels zuzuschreiben. Es besteht also kein Zusammenhang zu Nazi- oder Dschihad-Einstellungen und Parolen, zu Bestrebungen, Beschneidungen und Schächten zu verbieten? Die Rufe „Juden ins Gas!“ auf Demonstrationen haben wir Juden uns auch selbst zuzuschreiben? Das hatten wir bereits einmal in Deutschland… Nun ein zweites Mal – oder die Fortsetzung von 1945?

Erstaunlich ist auch die Vorgehensweise des Kölner Stadt-Anzeigers. Solch antisemitische Worte ohne jede Kommentierung oder antisemitische Kennzeichnung abzudrucken, ist nicht durch eine „freie Meinungsäußerung“ gedeckt. Hier hat der KStA völlig in seiner journalistischen Sorgfaltspflicht versagt. Die Synagogen-Gemeinde Köln erwartet von der Chefredaktion und allen weiteren Verantwortlichen eine transparente Untersuchung, wie es zum Abdruck kommen konnte.

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Die Antwort der Chefredaktion des Kölner Stadt-Anzeigers vom 3. Januar 2019:

„Der Kölner Stadt-Anzeiger distanziert sich von jeglichem antisemitischen Gedankengut. Am 10.12.2018 hatten wir kritisch über Antisemitismus in Köln berichtet. Dieser Bericht war Anlass für mehrere Leserbriefe zu dem Thema. Wir haben großes Verständnis für die Sorgen der Synagogen-Gemeinde Köln. In Zeiten, in denen Antisemitismus in Deutschland wieder zunimmt, sind wir als Redaktion gefordert, auch Leserzuschriften besonders kritisch zu prüfen. Leider sind wir in diesem Fall unserem Anspruch nicht gerecht geworden, was wir bedauern.“


Zuerst erschienen bei Tapfer im Nirgendwo


So geht das nicht!

Ein offener Brief von Malca Goldstein-Wolf an den Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeiger.

Sehr geehrter Carsten Fiedler,

als pro-jüdische Aktivistin habe ich 2018 auch Unterstützung aus Ihrem Hause erfahren, unter anderem durch diesen Bericht. Mit Ihrer heutigen Berichterstattung unterstützen Sie meinen Kampf gegen Antisemitismus allerdings nicht, im Gegenteil. Wenn Sie Judenhassern wie Wolf Bonnemann eine Bühne geben, helfen Sie mit, Antisemitismus zu schüren.

Ich konnte zunächst gar nicht glauben, was ich da lesen musste. Wolf Dieter Bonnemann macht die Juden selbst, ganz selbstverständlich, für Judenhass verantwortlich. Er schreibt:

„Solange sich offizielle Vertreter der hiesigen Juden nicht von der jetzigen Politik Israels distanzieren, so lange werden Anti-Israel-Haltung und Antisemitismus Hand in Hand gehen, auch wenn weitere Antisemitismusbeauftragte ernannt werden.“

Israelische Politik kann nie als Grund für Judenhass genannt werden. Es ist ein Unding, so etwas zu behaupten und es ist unerträglich, dass so eine Hetze abgedruckt wird. Bonnemann verteidigt indirekt den täglichen Raketenangriff auf Israel, er rechtfertigt Terroranschläge der Palästinenser auf unschuldige Israelis und er verharmlost tätliche Angriffe auf Juden hierzulande.

Auch ich bin dieses Jahr körperlich angegriffen worden, von einer Dame, die sich auch mit einer dieser radikalen pro-Palästina Organisationen identifiziert. Was mein Vergehen war? Ich hatte gewagt, eine kleine israelische Flagge in der Hand zu halten.

Herr Bonnemann macht genau das, was heutzutage in Mode gekommen ist. Er kotzt seinen Hass auf Juden scheinheilig als „Israelkritik“ getarnt in die Öffentlichkeit. Er möchte die Menschen glauben machen, dass die bösen Juden an ihrem Schicksal selbst schuld sind. In diesen Zeiten tragen auch Sie als Medienerstatter eine soziale Verantwortung. Mit Abdruck dieses Statement handeln Sie grob fahrlässig und sorgen dafür, dass Angriffe auf Juden salonfähig gemacht werden. Das ist inakzeptabel und zutiefst unmoralisch.

Falls es Sie interessiert, welch Geistes Kind Bonnemann ist, lesen Sie gerne die palästinensische Propaganda, die auch er unterzeichnet hat.

Herr Fiedler, ich bitte Sie, diesen Artikel nicht so stehen zu lassen. Eine öffentliche Klarstellung ist das Mindeste, um den Schaden zu begrenzen. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.

So geht das nicht!

Shalom,
Malca Goldstein-Wolf

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Die Antwort des Chefredakteurs des Kölner Stadt-Anzeigers, Carsten Fiedler:

Sehr geehrte Frau Goldstein-Wolf,

Sie haben Recht: Dieser Leserbrief hätte so nicht veröffentlicht werden dürfen. Die Synagogen-Gemeinde Köln hat sich ebenfalls mit berechtigter Kritik an mich gewandt. Wir haben dazu in der heutigen Ausgabe des „Kölner Stadt-Anzeiger“ neben einem Beitrag der Synagogen-Gemeinde eine entsprechende Stellungnahme der Chefredaktion veröffentlicht mit folgendem Wortlaut:

„Der Kölner Stadt-Anzeiger distanziert sich von jeglichem antisemitischen Gedankengut. Am 10.12.2018 hatten wir kritisch über Antisemitismus in Köln berichtet. Dieser Bericht war Anlass für mehrere Leserbriefe zu dem Thema. Wir haben großes Verständnis für die Sorgen der Synagogen-Gemeinde Köln. In Zeiten, in denen Antisemitismus in Deutschland wieder zunimmt, sind wir als Redaktion gefordert, auch Leserzuschriften besonders kritisch zu prüfen. Leider sind wir in diesem Fall unserem Anspruch nicht gerecht geworden, was wir bedauern.“
Kölner Stadt-Anzeiger, Chefredaktion

Herzliche Grüße,
Carsten Fiedler
Chefredakteur

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Die Antwort von Malca Goldstein-Wolf:

Sehr geehrter Herr Fiedler,

Ich bedanke mich für Ihre prompte Antwort und Ihre klare Haltung! Was ich mich jedoch immer noch frage ist: „Was geht in dem Redakteur vor, der diesen Leserbrief zum Abdruck gebracht hat?“ Das bereitet mir, ehrlich gesagt, Unwohlsein… Vielleicht fragen Sie ihn mal?

Beste Grüße,
Malca Goldstein-Wolf


Zuerst erschienen bei Tapfer im Nirgendwo