Tichys Einblick
Deutsches NGO-Schiff festgesetzt

Wie Berliner Vereine Migranten auf ihre Schiffe locken

30 Seemeilen vor der libyschen Küste fordert eine deutsche NGO die libysche Küstenwache heraus. Das NGO-Schiff wird von Rom wegen zahlreicher Fehler festgesetzt. Die NGO klagt über von den Behörden verbreitete „Lügen“. Tatsächlich ist einiges über die Methoden der NGOs aus dem Fall im zentralen Mittelmeer zu lernen.

IMAGO

Und noch ein deutsches NGO-Schiff, das von den italienischen Behörden festgesetzt wurde. Diesmal ist es die „Humanity 1“ des Vereins SOS Humanity, eine rein deutsche Filiale des deutsch-französischen Vereins SOS Méditerranée. Als „Poseidon“ war das einstige Forschungsschiff nützlich gewesen, hatte nach Gasvorkommen gesucht. Nun befassen sich die Schiffsbetreiber mit Klimmzügen, die ihre Fahrt in der libyschen Such- und Rettungszone rechtfertigen sollen. Die Rettungseinsätze obliegen hier der libyschen Küstenwache, die auch weisungsberechtigt gegenüber zivilen Schiffen ist. Doch diese Weisungen soll die „Humanity 1“ missachtet haben, weshalb sie für 20 Tage festgesetzt wurde und ein Bußgeld von 3.333 Euro zahlen soll.

Grundlage ist wiederum das Dekret des Innenministers Matteo Piantedosi, das die Operationen der NGO-Schiffe zwar nicht verboten hat, sie aber an einige Regeln bindet. In diesem Fall wurde anscheinend eine sehr elementare Regel gebrochen. Das Ganze geschah schon vor knapp einer Woche, zwischen dem 30. November und 2. Dezember.

Doch die verschiedenen NGOs haben schon vor mehr als einem Jahr erklärt, dass sie sich nicht an das damals neue Dekret halten wollten. So ist wohl auch die heutige Erklärung der Humanity-Crew zu verstehen: „Die von den italienischen Behörden vorgebrachten Rechtfertigungen für diese Blockade beruhen auf einer Reihe von Lügen, die wir durch die Dokumentation der Ereignisse auf See widerlegen können.“ Hier steht nun Aussage gegen Aussage. SOS Humanity behauptet, dass die 46 von ihrem Schiff aufgelesenen Menschen zum Zeitpunkt der Rettung „bereits im Wasser trieben“. Wie sie ins Wasser kamen, wird nicht gesagt.

Vier Auflese-Aktionen waren laut Dekret drei zu viel

Die Aussagen der libyschen Küstenwache bestätigen diese Schilderungen teilweise, fügen aber wichtige Details hinzu, die den Charakter dieser „Rettungsaktion“ verändern. Demnach war eines der libyschen Patrouillenboote schon dabei, dem Migrantenboot „mit etwa 100 Menschen an Bord“ zu helfen, als die „Humanity 1“ eintraf. In diesem Moment sprang eine „Gruppe von etwa 40 Migranten über Bord, um sich dem NGO-Schiff zu nähern, das sie dann rettete“. Demnach war das Erscheinen der „Humanity 1“ der Auslöser für den Wassergang der Migranten und hat folglich die NGO hier Leben von Migranten in Gefahr gebracht.

Die NGO nennt das „haltlose Falschbehauptungen“, ja „eiskalte Lügen“ der Behörden, die durch den „lückenlos dokumentierten E-Mail- und Funkverkehr“ widerlegt würden. Weitere Informationen fänden sich auf der eigenen Webseite. Allerdings zeigen die Aufzeichnungen der NGO noch ein anderes Bild, als es SOS Humanity in ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu vermitteln sucht.

Vor allem ist mit Bezug auf den 30. November von insgesamt vier Rettungen im Rahmen einer Fahrt die Rede, was schon allein gegen das Piantedosi-Dekret verstößt. Zuerst hätte die „Humanity 1“ demnach 90 Migranten eingeladen, und zwar 29 Seemeilen (rund 54 km) vor der libyschen Küste, innerhalb der libyschen Rettungszone. Dann kamen die 46, die angeblich schon im Wasser schwammen. Es folgte noch eine dritte und vierte Aufnahmeaktion. Erst danach fährt das NGO-Schiff den zugewiesenen Hafen Crotone in Kalabrien an, entlädt die rund 200 Migranten und wird von den Behörden festgesetzt. Dabei waren allein die vier Einschleusungsaktionen am Stück Grund genug für die Festsetzung und vermutlich auch für die Geldstrafe in dieser doch geringen Höhe (unter 3.500 Euro).

Trotz angehender Rettungsaktion in den Konflikt gegangen

Umstritten ist nun vor allem der Hergang der zweiten „Rettungsaktion“ mit den 46 im Meer schwimmenden Migranten. Der italienische Festsetzungsbericht spricht von „zahlreichen Funksprüchen, mit denen das libysche Patrouillenschiff befahl, Abstand zu halten, um die Rettungsmaßnahmen nicht zu behindern“. Das soll nicht wahr sein. Laut der NGO gab es keine Anweisungen der libyschen Küstenwache an sie. Aber die Aktivität der libyschen Küstenschützer war der NGO-Schiffscrew bekannt. Es bestand kein Zweifel daran, dass eine Rettungsaktion im Gange war.

Zum anderen seien die 46 Migranten der zweiten Rettung schon vor der Ankunft der „Humanity 1“ und vor dem Zuwasserlassen der NGO-Schlauchboote im Meer geschwommen, nämlich um der libyschen Küstenwache zu entkommen. Doch entlastet das die NGO nur auf den ersten Blick. Denn die Migranten wären sicher nicht ins Wasser gesprungen, wenn sie nicht genau gewusst hätten, dass sich ein NGO-Schiff nähert, das sie aufnehmen würde. Wohlgemerkt: Der Vorgang ereignete sich 60 Kilometer (gut 30 Seemeilen) nördlich der libyschen Küste, das heißt zugleich 400 bis 500 Kilometer südlich von Lampedusa oder Sizilien. Ohne die NGO-Hilfe wäre eine Ankunft auf einer der beiden Inseln mit einem derart seeuntüchtigen Gefährt sehr schwer bis unmöglich.

Es kommt nun hinzu, dass die Crew der „Humanity 1“ kontinuierlich vom Aufklärungsflugzeug „Seabird 1“ (betrieben vom ebenfalls deutschen Verein Sea-Watch) über die Lage an dem Schlauchboot informiert wurde. Es war beschädigt, hatte nur auf einer Seite noch Luft. Dank den Seabird-Berichten wussten die Humanity-Leute auch, dass das libysche Patrouillenschiff schon dabei war, die Migranten an Bord zu nehmen. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass damit die Rettungskompetenz in dieser Lage geklärt war, zumal man sich in der libyschen Such- und Rettungszone befand. Die zwei bis drei deutschen NGOs wollten es aber darauf ankommen lassen, wagten die Machtprobe mit den staatlichen Akteuren.

Auch Berliner NGO Alarmphone wieder mit von der Partie

Als dritter NGO-Akteur kommt der Verein Alarmphone hinzu, der auch zum Berliner Sea-Watch-Biotop gehört und während der Rettungsaktion im Kontakt mit den Migranten auf dem Schlauchboot war. Alarmphone steht seit längerem im Verdacht, Einschleusungen über das Mittelmeer zu erleichtern, indem mit den Migrantenbooten kommuniziert wird. Eine solche Rolle soll sie beispielsweise auch in der Ägäis gespielt haben, bis ihr die „Bodentruppen“ (NGOs wie Mare Liberum) entzogen wurden. In der Chronologie von SOS Humanity wird Alarmphone erwähnt, spielt aber dann keine weitere Rolle in der Rekonstruktion. Trotzdem ist anzunehmen, dass den Bootsinsassen von den Telephonisten signalisiert wurde, dass ein NGO-Schiff Kurs auf den Ort der Rettung genommen hat.

Das dürfte dann das Signal zum Sprung ins kalte Mittelmeer-Nass gewesen sein. Insofern hätten drei deutsche NGOs gemeinsam die Einschleusung von 46 illegalen Migranten zu verantworten. Die mediterranen NGO-Schiffe insgesamt waren es auch, die die Seenot der über 80 Bootsinsassen eiskalt auslösten, indem sie ihnen die Idee einflüsterten, sich mit Schlauchbooten aufs Meer zu begeben, um sich dann von NGO-Schiffen auflesen und nach Europa bringen zu lassen.

Dagegen wurden 35 Migranten von dem seeuntüchtigen Schlauchboot von der libyschen Küstenwache gerettet und ans sichere libysche Land gebracht. Die NGO-Leute nennen dies einen „Pullback“. Sie gehen also ohne näheren Grund davon aus, dass der vorherige Aufenthaltsort Libyen für die Migranten nicht sicher war. Woher weiß man so etwas?

Es bleibt festzuhalten: Ohne das Wirken von SOS Humanity wären in jenen Tagen insgesamt 200 Migranten weniger auf dem europäischen Kontinent gelandet. Und 46 davon wären wohl nicht auf hoher See ins Wasser gegangen und hätten sich nicht der Lebensgefahr ausgesetzt. Insofern scheint die NGO selbst gewisse Probleme mit der Wahrheit ihres eigenen Treibens zu haben.

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