Tichys Einblick
Panikpraxis

Das Umweltbundesamt, die App und die Panik

Das UBA hat eine neue App vorgestellt, die über Luftqualität informieren soll (werbefrei, wie das Amt anpreist). Auf dem Smartphone kann man sich künftig erschrecken lassen, weil Feinstaub, Ozon, NO2 scheinbar wieder mal zu hoch sind.

Schöning/ullstein bild via Getty Images
Die gute Nachricht: Die Luftqualität in Baden-Württemberg wird immer besser. Der Wert für Stickstoffdioxid (NO2) an der berühmten Messstation Neckartor in Stuttgarts Innenstadt lag im ersten Halbjahr bei 56 Mikrogramm je Kubikmeter (µg/m3) Luft. Der Grenzwert liegt bei 40 µg/m3 Luft.

Das teilte die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) in Karlsruhe mit. Sie sagt natürlich nicht dazu, dass diese Messungen nicht besonders präzise sind und einen Messfehler von 15 Prozent aufweisen. Das wiederum bedeutet, dass der angezeigte Messwert 46 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft betragen kann, obwohl tatsächlich vielleicht nur 40 µg/m3 NO2 enthalten sind. Auf solch geringen Differenzen aber beruhen die Klagen des Abmahnvereins DUH, denen Richter bedenkenlos recht geben, obwohl es nicht möglich ist, so genau zu messen.

Die Landesanstalt präsentiert das gesamte Unterfangen als seriöse Angelegenheit. Doch es gelingt nur mit manipulativ aufgestellten Messstationen und fragwürdigen Messungen, Werte und angebliche Gefahren überhöht darzustellen. Vollends lächerlich im Vergleich zu den USA, wo 103 µg/m3 NO2 in der Luft als unbedenklich angesehen werden. Am Arbeitsplatz dürfen 950 µg/m3 vorhanden sein, und leichte Reizungen des Gewebes sind erst bei Konzentrationen von mehr als 8.000 µg/Kubikmeter Luft im Labor nachgewiesen worden.

Das Amt vermeldet für die Weinsberger Straße Ost in Heilbronn 48 Mikrogramm gegenüber 52 µg/m3 im Vorjahr und in der Reinhold-Frank-Straße in Karlsruhe 36 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gegenüber 38 µg/m3. ›Aufatmen‹ können die Freiburger. Sie erleiden keine tausende von vorzeitigen Toten mehr, dort wurden in der Schwarzwaldstraße 39 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen, im Vorjahr 50 µg/m3.

Auf solchen windigen Werten beruhen Fahrverbote und Kampf gegen das Automobil, die für die beispiellosen wirtschaftliche Verwerfungen sorgen. Da kann das Umweltbundesamt (UBA) in die Bresche springen. Das hat eine neue App vorgestellt, die über Luftqualität informieren soll (werbefrei, wie das Amt anpreist). Auf dem Smartphone kann man sich künftig erschrecken lassen, weil Feinstaub, Ozon, NO2 scheinbar wieder mal zu hoch sind.

Das Umweltbundesamt: »Rund um die Uhr erfassen die Messstationen der Bundesländer und des Umweltbundesamtes die Qualität der Luft. Schon kurz nach der Messung sind die Messergebnisse für die einzelnen Schadstoffe und der daraus ermittelte Luftqualitätsindex (LQI) in der App verfügbar. Der LQI errechnet sich aus den gemessenen Konzentrationen der drei Schadstoffe Feinstaub (PM10), Stickstoffdioxid (NO2) und Ozon (O3), wobei der Schadstoff mit der schlechtesten Einzelbewertung das Gesamtergebnis des LQI bestimmt.«

Der Index soll in fünf Klassen eingeteilt werden: sehr gut, gut, mäßig, schlecht und sehr schlecht. Das Umweltbundesamt dazu, wie praktisch das ist: »Je nach LQI-Klasse erfolgt eine Einordnung, ob die Luftverschmutzung gesundheitlich bedenklich ist oder Aktivitäten im Freien empfehlenswert sind.« Wie wenig davon zu halten, ergibt sich aus einer »weiteren Information«, die das Umweltbundesamt am Schluss anfügt: »Alle tagesaktuell veröffentlichten Luftqualitätsdaten sind vorläufig und nicht qualitätsgesichert.« Im Klartext: Vergesst App und Angaben, die Daten sind ungenau!

Wenn etwas bedenklich ist, dann eher die Panikpraxis. So meldete beispielsweise die Wetter App des Weather Channel an den jüngsten heißen Tagen als Luftqualität »sehr schlecht«. Das auf einem Dorf, blauer Himmel – doch Menschen in Panik, weil die App drohende Gefahr zeigte. Dass das rein rechnerische Werte waren, konnte nur wenige beruhigen. Der Grund war schnell gefunden: Der Gehalt an Ozon stieg an den sonnigen Nachmittagen an, um Abends dann wieder abzufallen. Ozon ist zwar ein Reizgas, an einem heißen Nachmittag wird jedoch kaum jemand ausgiebig Sport betreiben.

Geholfen hätten Dieselmotoren, deren Emissionen die Luft von Ozon befreien und somit die Ozonbelastung senken. Wie hier bei TE die beiden Wissenschaftler Prof. Dr. Paul Tavan und Dr. Robert Denschlag in einer Studie den aktuellen Stand der Wissenschaft zur Zusammensetzung und Toxizität der Abgase moderner Dieselmotoren zusammengefasst haben, funktioniert der Prozess folgendermaßen:

Das dem Auspuff entweichende Stickstoffmonoxid (NO) reagiert mit Ozon (O3) zu Stickstoffdioxid (NO2) und Luftsauerstoff (O2). Tagsüber kann sich dieser Prozess unter der Einwirkung der solaren UV-Strahlung auch zum Teil umkehren. Es entstehen dann erneut Stickstoffmonoxid und das zuvor aus der Atmosphäre entnommene Ozon. Sobald die Sonneneinstrahlung nachlässt, kehrt sich dieser Prozess um: Das photochemisch entstandene stark toxische Ozon verschwindet wieder und erzeugt dabei aus dem ungiftigen Stickstoffmonoxid das viel weniger toxische Stickstoffdioxid. Deswegen übrigens werden die Ozonwerte zum Beispiel in Stuttgart nicht in der Innenstadt am Neckartor, sondern draußen neben dem Kurpark Bad Cannstatts gemessen.

Aber das passt zu keiner Panikmache.