Tichys Einblick
Die Fallzahlen im Vergleich

Corona-Update zum 10. April: Eine Studie aus dem Kreis Heinsberg

Die Fallzahlen in Deutschland steigen weiterhin nur langsam an. In Mecklenburg-Vorpommern erklärt das Oberverwaltungsgericht Reisebeschränkungen für unverhältnismäßig.

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Die Länder melden 112.348 Corona-Fälle in Deutschland. Die Johns Hopkins Universität meldet 115.523 Fälle, davon 50.557 Genesungsfälle. Es gibt in Deutschland also gut 62.515 aktiv gemeldete Corona-Fälle. Da viele der Infizierten allerdings nur leichte oder gar keine Symptome zeigen, liegt die tatsächliche Zahl an Infizierten weitaus höher.

Die gemeldeten Fallzahlen steigen in Deutschland zwar weiter, doch wesentlich langsamer als noch vor einer Woche. In den nächsten Tagen wird die Zahl der Neu-Meldungen wahrscheinlich noch weiter sinken Das ist ein Trend, der jedes Wochenende zu beobachten ist und durch die Osterfeiertage möglicherweise noch verstärkt wird.

Folgephänomene

Die vom Land Mecklenburg-Vorpommern verhängte Reisebeschränkung wurde vom Oberverwaltungsgericht in Greifswald für nicht gültig erklärt. Mit dem Verbot wollte die Landesregierung erreichen, dass die Einwohner nicht an die Küste, Seenplatte oder zu den Inseln reisen können. Dies sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit der Bürger. Doch diese Unverhältnismäßigkeit wurde auch damit begründet, dass in den Reisezielen im Land keine auswärtigen Touristen anwesend seien – denn das Einreiseverbot für Deutsche, die ihren Erstwohnsitz nicht in Mecklenburg-Vorpommern haben, gilt nach wie vor. Es sind auch Fälle bekannt, in denen nicht in Mecklenburg-Vorpommern hauptsächlich Ansässigen Ausreiseverfügungen ausgestellt werden – an Deutsche mit Erstwohnsitz anderswo.

Erst vor wenigen Tagen wurde an dieser Stelle berichtet, dass der britische Premierminister, Boris Johnson, auf Grund einer Corona-Infektion auf der Intensivstation behandelt werden musste, zwischenzeitlich auch unter zusätzlicher Versorgung mit Sauerstoff. Nun wurde er aus der Intensivstation entlassen, verbleibt aber noch weiter im Krankenhaus, das berichtet die BBC. In Ermangelung einer offiziellen Nachfolgeregelung für den Premierminister führt der Außenminister, Dominic Raab, die Geschäfte.

Hintergründe

Gerade wurden die vorläufigen Ergebnisse einer repräsentativen Studie zu den SARS-CoV-2 Infektionen im Kreis Heinsberg vorgestellt. Der Kreis Heinsberg gilt als einer der Corona-Hotspots Deutschlands. Der Grund dafür liegt darin, dass mindestens ein infiziertes Ehepaar an einer Karnevalssitzung teilnahm – und dort viele weitere Menschen ansteckte. Solche „Super-Spreader-Events“ gelten laut der Heinsberger Studie als besonders gefährlich, weil sich viele Menschen an einem Ort gleichzeitig anstecken – was sehr schnell dazu führen kann, dass eine Pandemie außer Kontrolle gerät – und weil dort die Virenbelastung, der sich die Teilnehmer ausgesetzt sehen, sehr hoch ist. Die Virenbelastung ist deswegen so wichtig, weil, so die Studie weiter, eine hohe Virenbelastung zum Zeitpunkt der Erstinfektion zu einem schweren Krankheitsverlauf führen dürfte.

In Gangelt – das ist die Gemeinde im Heinsberger Landkreis, in der die Studie erhoben wurde – sind mittlerweile etwa 15% der Personen immun gegen das Corona-Virus; haben sich also infiziert, konnten aber Antikörper bilden und gesunden. Zum Vergleich: Es sind nur gut 5% der dortigen Bevölkerung offiziell als infiziert gemeldet. Zwei von drei Infizierten werden also nie auf das Virus getestet. Diese Dunkelziffer lässt sich allerdings nicht direkt auf den Rest Deutschlands übertragen, denn im Kreis Heinsberg wird wegen der hohen Zahl der dort Erkrankten überdurchschnittlich viel getestet – in Gegenden, in denen weniger Kranke bekannt sind, wird weniger getestet, damit dürfte die Dunkelziffer der Infizierten und nicht Getesteten höher liegen.

Für Heinsberg wird die Letalität für alle mit Corona infizierten Personen auf ungefähr 0,37% geschätzt. Dies ist deutlich weniger als die Schätzung der Johns Hopkins Universität, die zu einer Letalität von 1,98 kommt. Allerdings sind in den Heinsberger Zahlen auch die Menschen beinhaltet, die trotz Infektion keine oder nur leichte Symptome zeigen und damit normalerweise gar nicht erst getestet werden – die Johns Hopkins Universität nutzt hingegen die Zahl der offiziell als infiziert Gemeldeten, aber es werden fast nur welche auf Corona getestet, die auch schwere Symptome zeigen.

Die Forscher bewerten die bisherigen Maßnahmen zur „Gesellschaftlichen Quarantierung“ als angemessen, um der Lage Herr zu werden und ein außer Kontrolle geraten der Pandemie zu verhindern, empfehlen jedoch, einige der Einschränkungen langsam wieder zu lösen. Kindertagesstätten und Schulen könnten zum Beispiel bald ihren Betrieb wieder aufnehmen, auch das Abitur könnte stattfinden – vorausgesetzt, andere Schutzmaßnahmen, wie das Isolieren von Risikopatienten würden fortgesetzt.

Damit reihen sich die Experten, zumindest indirekt, ein in den Chor derer, die eine Diskussion um mögliche Exit-Strategien fordern. Ministerpräsident Laschet will allerdings eine Diskussion darüber erst nächste Woche in einer Konferenz mit den anderen Ministerpräsidenten und der Kanzlerin führen, denn er möchte das Vorgehen bundesweit – und im Idealfall auch mit den Nachbarstaaten – absprechen.


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