Tichys Einblick
Die Fallzahlen im Vergleich

Corona-Update um 18. April: Die Maskenpflicht kommt

Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern führen eine Maskenpflicht ein. China korrigiert die Zahl der mit Corona Verstorbenen um 50% nach oben. „Reproduktionszahl“ ist dieser Tage ein geflügeltes Wort - was besagt sie?

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Die Bundesländer melden mittlerweile 137.882 Fälle (Stand 17. April, 20:00). Die Johns Hopkins Universität meldet 139.041 Fälle (Stand 17. April, 21:30). Davon sind laut Johns Hopkins Universität ungefähr 81.800 geheilt, es gäbe also aktuell circa 57.200 gemeldete infizierte Personen. Die Länder melden 4.100 mit Corona verstorbene Personen, fast 3% der als infiziert Gemeldeten. Doch die tatsächliche Zahl der Infizierten liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit weitaus höher, was wiederum die Fallsterblichkeit (also wie viele Prozent der Infizierten auch sterben) nach unten drückte. Schätzungen gehen von einer tatsächlichen Fallsterblichkeit von 0,34%-1,8% aus, basierend auf Daten aus dem Kreis Heinsberg und aus Südkorea.

Nach den Osterfeiertagen stieg die Zahl der Neu-Meldungen leicht an, nachdem sie mit 1,5% am 14. April ihren Tiefpunkt erreicht hatte.

Da nun das Wochenende ansteht, wird die Zahl der Neu-Meldungen wieder etwas sinken, weil weniger getestet und weitergemeldet wird. Dieser Trend war bisher jedes Wochenende zu beobachten.

Folgephänomene

Als erstes Bundesland hat Sachsen eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und in Geschäften erlassen und liberalisiert gleichzeitig Vorschriften. Medizinische Masken wie der Schutzklasse FFP2 müssen ausdrücklich nicht getragen werden, es reichen „Alltagsmasken“ aus Stoff oder auch nur ein vors Gesicht gebundenes Tuch oder Schal. Die bisherigen Ausgangsbeschränkungen gelten allerdings nicht mehr; Tagesausflüge sind ausdrücklich erlaubt, auch wenn die Gastronomie geschlossen bleibt. Ähnlich wie in anderen Bundesländern darf man nun in der Öffentlichkeit mit einer Person, die nicht im eigenen Hausstand wohnt, zusammen sein. Gottesdienste, Beerdigungen, Trauerfeiern und Trauungen dürfen mit bis zu 15 Teilnehmern stattfinden. Die genauen Regelungen finden Sie hier. Sie gelten ab Montag und sind bis zum 5. Mai gültig.

Auch Mecklenburg-Vorpommern verhängt eine Maskenpflicht, diese gilt allerdings nur im öffentlichen Nahverkehr. Im „MV-Plan“, der am 16. April beschlossen wurde, ist nur von einer „dringenden Empfehlung“ zum Masken tragen die Rede, die Verkündung der Pflicht am Abend war wohl eine Reaktion auf den Vorstoß Sachsens. Ausnahmen für das Tragen von „Mund-Nase-Schutz“ gelten für Kinder unter 6 Jahren und für Menschen mit Atemwegserkrankungen, die das Tragen einer Maske verhindert. Zoos und Sportplätze dürfen geöffnet werden. Der Einzelhandel darf generell öffnen, auch große Geschäfte über 800 Quadratmetern Fläche, solange die Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter beschränkt wird. Eine Liste der Änderungen finden Sie hier. Das Einreiseverbot für nicht in Mecklenburg-Vorpommern wohnende Deutsche bleibt bestehen. 30 Jahre offene innerdeutsche Grenzen waren wohl genug.

In beiden Ländern sollen die Bürger sich die Masken selbst besorgen. Eine Anleitung, solche Masken zu basteln, finden sie hier. Wer keine Lust hat, einen „Mund-Nase-Schutz“ selbst herzustellen, der findet im Internet diverse Angebote, zum Beispiel hier.

Heute korrigierte China die Zahl der mit Corona Verstorbenen nach oben – um 50%. Laut offiziellen Statistiken wären dort 3.869 Menschen verstorben. Diese massive Korrektur wurde damit begründet, dass in Wuhan nicht alle Verstorbenen gemeldet worden wären.

Die Zahlen der Infizierten und Verstorbenen, die China der Weltöffentlichkeit mitteilt, werden schon lange kritisiert. Der Volksrepublik wird unter andem von den Vereinigten Staaten vorgeworfen, das wahre Ausmaß der Pandemie im Land (auch mit Hilfe der WHO) zu vertuschen und damit den Rest der Welt zu gefährden.

Hintergründe: Die Regierung und die Reproduktionszahl

Seit der Pressekonferenz Angela Merkels am 15. April ist vielerorts von der sogenannten „Reproduktionszahl“ die Rede. Die Kanzlerin erntete von vielen Seiten Applaus, für ihre – wie manch ein Kommentator fand – leicht verständliche Erklärung der Reproduktionszahl.

Nun, wer als Journalist in der Pressekonferenz der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten sitzt und Fragen stellt, und nach fast 80 Tagen in denen der Virus in Deutschland unterwegs ist, immer noch nicht weiß, was die Reproduktionszahl ist, der ist wirklich auf sehr simple Erklärungen der Kanzlerin angewiesen. Da wundert es dann nicht, dass Lobgesänge geäußert werden. Die Reproduktionszahl (auch der Begriff Reproduktionsfaktor wird oft verwendet, eigentlich richtig ist Basisreproduktionszahl) beschreibt, wie viele Personen ein mit einer Krankheit Infizierter ansteckt. Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz verkündete das Robert Koch-Institut (RKI), dass mittlerweile eine Reproduktionszahl von 1 erreicht worden wäre – also im Durchschnitt ein Infizierter einen Anderen ansteckt. Die absolute Zahl der Infizierten bleibt also konstant, denn es werden ebenso viele Personen infiziert wie geheilt. Zum Vergleich: Zu Beginn der Pandemie wurde in verschiedenen Studien eine Reproduktionszahl von 2,4 bis 3,3 festgestellt; in China stellte die „WHO-China Joint Mission“ eine Reproduktionszahl von 2-2,5 fest (bei Abwesenheit von Bekämpfungsmaßnahmen). In seinem Lagebericht vom 17. April schätzt das RKI die aktuelle Reproduktionszahl sogar nur auf ungefähr 0,7 ein. Dabei beziehen sich die Wissenschaftler auf Daten bis zum 13. April. Möglicherweise wird die Reproduktionszahl etwas nach oben korrigiert werden müssen, sobald Daten von nach Ostern einbezogen werden, denn in den letzten Tagen stieg die (statistische) Neu-Meldungsrate – wie am Anfang dieses Textes beschrieben – wieder etwas an.

Doch es ist ein gutes Zeichen, denn eine Reproduktionszahl von weniger als 1 bedeutet, dass weniger Personen neu infiziert werden als geheilt.

Zum Vergleich: In einer ungeschützten Bevölkerung haben die Masern eine Basisreproduktionszahl von zwölf bis 18. Für die Spanische Grippe wird die Reproduktionszahl im Median auf 1,8 geschätzt (die meisten Schätzungen liegen zwischen 1,47 und 2,27). Der Median ist ein Mittelwert, ähnlich dem Durchschnitt. Bei der Hong-Kong Grippe von 1968 wird ebenfalls ein Wert von 1,8 geschätzt (mit einer Schätzweite von 1,56 bis 1,85). Die saisonalen Grippen, die jedes Jahr aufkommen, haben im Median eine Reproduktionszahl von 1,28 (Schätzungen gehen in der Regel von 1,19 bis 1,37).

Aber um auf die Pressekonferenz von Angela Merkel zurück zu kommen, eines muss man ihr lassen: In der Konferenz nennt sie (für die Bundesregierung) überraschend harte Fakten. Sie sagte, dass bei einer Reproduktionszahl von 1,1 (also nur 0,1 Punkte höher als die zu dem aktuellen Zeitpunkt verkündete Zahl) schon im Oktober die Kapazitätsgrenze des Gesundheitssystems erreicht sei. Sollte die Reproduktionszahl auf 1,2 steigen, dann würde das Gesundheitssystem schon im Juli an seine Grenzen stoßen, und bei einer Reproduktionszahl von 1,3 im Juni.

Das ist eine ungewöhnlich direkte Aussage einer Regierung, die sich sonst nur vage auszudrücken pflegt. Um was zu erreichen?