Tichys Einblick
Streckenweise Volksfeststimmung

Corona-Demo: Aufgelöst; Volksfeststimmung und am Abend Krawall

Die Demonstrationen in Berlin nehmen wohl den Verlauf, den der Berliner Senat und Politik als Drehbuch vorgegeben haben: Die Demonstranten in die Enge zwingen, Abstandspflicht einfordern, dann Maskenpflicht und schließlich auflösen. Gegen Abend Auseinandersetzung mit Rechtsextremen vor dem Reichstag.

imago Images

Die Demo steht mittags bereits seit einigen Stunden still. Aufgrund der mangelnden Einhaltung der Auflagen verhinderte die Polizei ein Weiterkommen und sperrte Zugänge und Seitenstraßen. Zwischenzeitlich stand die Demonstration kurz vor der Eskalation, die Polizei setzte Pfefferspray ein und durch Megafone erfolgten teils polizeifeindliche Durchsagen, allerdings nicht vom Veranstalter. Es ist eine bunte Menge, deren politische Absichten nicht eindeutig erkennbar sind. Es ist ein Protest, der sich gegen die erzwungene Stagnation richtet.

Maskenpflicht: Verfügung kommt nicht an

Nachdem die Polizei eine Maskenpflicht verfügt, die vor Ort aber weder bei den Teilnehmern noch bei der Polizei angekommen ist, gab die Polizei nun die Auflösung bekannt. Bisher passiert aber nichts. Die Durchsage der Veranstalter sagt,  man könne ja „einen Spaziergang“ zur Siegessäule machen, also die Demo einfach so weiterführen. Niemand könne ja bestimmen, wer wo hinläuft. Die Veranstalter riefen außerdem dazu auf, friedlich zu bleiben. „Auflösung“ ist vielleicht ein Begriff des Polizeirechts, aber wohin sollen Menschen gehen, die mehr oder weniger in Straßenschluchten, zwischen gesperrten Wegen und Menschenmenge eingekesselt sind. Auch die Distanzpflicht ist dann als  pure Ironie zu werten. Vielen  drängt sich der Verdacht auf: von der Polizei so gewollt. Allerdings kann es auch ein Stau der Menschenmassen gewesen sein, wie er bei solchen Veranstaltungen schnell eintritt. Während Berlins Polizei sonst stolz auf ihre Deeskalationsstrategie ist, ist derzeit noch unklar, ob es hier zu einer geplanten Eskalation kam.

Insgesamt herrscht allgemeines Chaos. Mehrfach fragte TE sowohl Ordner, Sprecher als auch Polizisten und niemand hatte genaue Kenntnis über die Lage. Die Lage bleibt unübersichtlich, die Mehrheit der Leute verharrt an Ort und Stelle und hat sich hingesetzt, singt u.a. die Nationalhymne und skandiert „Macht auf!“ oder „Schließt euch an!“ (an die Polizei gerichtet). Allerdings beunruhigen Meldungen, wonach Räumfahrzeuge und Wasserwerfer in Nähe der Friedrichstraße aufgefahren sind. Will die Polizei wirklich den nächsten Schritt gehen und mit offen physischer Gewalt gegen die ihr unliebsamen Bürger vorgehen? Das könnte Verletzte bedeuten. Bislang waren die Demonstranten friedlich.

Auflösung: Rechtlich problematisch – vor Ort undurchführbar

Die Auflösung ist gerade im Hinblick auf der jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts extrem problematisch. Auf die Sicherheitsabstände wird regelmäßig hingewiesen. Die Maßnahme, die Demo aufzulösen, scheint zudem nicht sinnvoll. Durch die lange Blockade wurden die Menschen immer dichter gedrängt, was nicht zur Einhaltung der Hygieneregeln beiträgt. So wird ein Zustand hergestellt, den die Polizei und die Politik nutzen wollen. Das mag in der ersten Runde zu Gunsten der Polizei ausgehen. Die Verbitterung der Bürger über den Zustand einer Demokratie, die so mit ihren Grundrechten umgeht, wird die Bürger diesem Staat weiter entfremden und legt den Keim für den nächsten Protest. Rechtlich dürfte dieses Vorgehen keinen Bestand haben, denn die Polizei schafft per Nötigung den Zustand, den sie bekämpfen will.

Gegen offensichtliche Gewalttäter dagegen zögert die Polizei: Eine Rockgruppe etwa ruft: „Komm her, so lange du noch ein Kiefer hast.“ Doch zwischen den friedlichen Gruppen und den aggressiven Teilnehmern gibt es erkennbar Distanz. Wenn die Polizei jedoch vorgeht, wird es zu einer Solidarisierung kommen. Dies ist eine unnötige Zuspitzung, die nicht hätte kommen müssen.

Wasserwerfer Nähe Friedrichstraße. Auch Fahrzeuge mit Räumgittern (siehe unten) wurden gesichtet. Die Demonstranten werden auf enge Räume gepresst, um die Einhaltung der Abstandsregel zu verunmöglichen.

Demonstranten rufen den Polizisten zu: „Ihr prügelt Eure Mütter, Väter, Eltern, Großeltern“. Die Polizisten versuchen Kontakte zu vermeiden. Viele äußern sich frustriert, etwa junge Beamte aus Schleswig-Holstein. Sonst werden sie gerade in Berlin mit Steinen oder Unrat beworfen. Jetzt sind sie es, die gegen friedliche Demonstranten vorgehen. Will der Berliner Senat mit der Duldung der Kanzlerin eine Keil zwischen Bevölkerung und Polizei treiben? Es sieht danach aus.

Diese Aufforderung der Polizei kann vor Ort nur als Hohn oder Provokation empfunden werden. Eine einheitliche politische Meinung oder gar eine Dominanz von „Rechten“, wie es die Politik behauptet, gibt es nicht. In weiten Teilen der Demonstration gibt es auch keinerlei Gedränge – es ähnelt dem von Wochenmärkten. Auf Berlins Straßen gibt es übrigens keine Maskenpflicht – sie wurde nur für die Demonstrationen erfunden.

Es sieht nach abgekartetem Spiel aus. Die Gerichte sagen, in der Öffentlichkeit keine Maskenpflicht, Abstand genügt. Morgens, als die ersten Demonstranten anrücken, ist die Dauerberichterstattung der Reporter: Außer uns trägt niemand Masken.

Dann werden die Straßen der Demo und Seitenstraßen von der Polizei so abgesperrt, dass die Menge der Demonstranten Abstand halten unmöglich macht. Nun verhängt die Polizei Maskenpflicht, weil der Abstand nicht eingehalten wird.

Dann löst die Polizei die Demos auf. Im nächsten Schritt kommt es  zu Rangeleien und Gefühlsausbrüchen, und zu rechtsextremen Gewalttaten.

Der Zugriff der Polizei erfolgt punktuell. So demonstrieren die Politiker der AfD und viele mit Fahnen des Kaiserreichs vor der Russischen Botschaft – weitgehend unbehelligt von der Polizei. Auch Abordnungen aus Schweden und Dänemark sind darunter, mit kahlem Schädel.

Gegen 19.00 versucht diese Personengruppe die Treppe des Reichstags zu stürmen. Auch Neugierige laufen mit – mit türkischer Fahne. Es ist wie ein enthemmtes Volksfest. Diese beiden Ereignisse stören das Bild der an sich friedlichen Demonstration erheblich.

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