Tichys Einblick
„Träume von einem Ausstieg beenden“

Christian Lindner hinterfragt Kohleausstieg 2030

Spätestens bis 2038 soll Deutschland per Gesetz aus der Merkel-Ära auf Kohlestrom verzichten, doch die Ampel setzt alles daran, dieses Ziel bereits 2030 erreicht zu haben. Davon rückt nun erstmals Christian Lindner ab, der den Ausstieg 2030 für unrealistisch hält.

IMAGO / photothek

In einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger artikulierte Finanzminister Christian Lindner (FDP) Zweifel an der Machbarkeit eines Kohleausstiegs bis 2030. „Solange nicht klar ist, dass Energie verfügbar und bezahlbar ist, sollten wir die Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030 beenden“, so Lindner. Darüber hinaus gab der Finanzminister zu Bedenken, dass der verfrühte Kohleausstieg dem globalen Klima ohnehin nichts bringen würde, da die in Deutschland eingesparten Emissionen aufgrund europäischer Regeln dann einfach in Polen anfallen würden.

Stattdessen plädiert Lindner für eine Erhöhung der inländischen Gasproduktion und gab zu bedenken, dass man generell „physikalische Knappheit nicht mit Geld lösen“ könne. Deutschland werde in Zukunft auch neue Gaskraftwerke als Reserve brauchen, aber die Frage sei, „wie dies so effizient marktwirtschaftlich gelingt, dass die Strompreise nicht weiter steigen“.

Während Wirtschaftsminister Robert Habeck sich im Westen Deutschlands mit der Landesregierung NRW und dem Energiekonzern RWE auf einen Kohleausstieg in 7 Jahren einigte, herrscht im Osten des Landes diesbezüglich noch weitaus größere Skepsis. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland trotz hochtrabender Klimaziele pünktlich zum Beginn der Heizperiode gemeinsam mit Polen die meiste Kohle zur Stromproduktion verbrennt, erscheint die Loslösung von Kohlestrom innerhalb der nächsten Jahre tatsächlich illusorisch, bzw. nur dadurch möglich, dass man die Kohle einfach nicht mehr selbst verbrennt, sondern anderswo verbrennen lässt, um den Strom dann zu importieren.

Dennoch führte Lindners Aussage zu erwartbarer Empörung bei den üblichen Verdächtigen. Luisa Neubauer warf Lindner „zündeln“ vor und bezeichnete die Klimaziele als „völkerrechtlich bindend“. Außerdem erwartete sie – offensichtlich im Majestätsplural – „von den Ampel-Partnern, diesen ‚Vorstoß‘ vom Tisch zu räumen“. Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, hingegen plädierte im Deutschlandfunk für ein Beibehalten des Kohleausstiegs, da eine Kehrtwende in dieser Frage das Vertrauen in die Politik nur weiter untergraben würde. Fatalismus in Reinkultur.

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