Tichys Einblick
Paralleluniversum Bundestag

Die CDU diskutiert über Clan-Kriminalität – sie ist dagegen

Die CDU will gegen kriminelle Großfamilien kämpfen. Die Allianz gegen Clan-Kriminalität will sie aber beenden - denn die sei inhaltslos. Eine bemerkenswerte Position, angesichts der Tiefe des eigenen Antrags.

IMAGO / Political-Moments

Die Familie Remmo ist der Goldstandard, wenn es um Clan-Kriminalität in Deutschland geht. In Dresden haben ihre Mitglieder das Grüne Gewölbe überfallen und ausgeraubt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte DNA-Beweise gegen die Täter – und ließ sich trotzdem auf einen Deal ein. In dessen Folge durften sich die Verbrecher aussuchen, wann sie ins Gefängnis gehen. Zudem durften sie einen großen Teil der millionenschweren Beute behalten. Das ist der real existierende Kampf gegen Clan-Kriminalität in Deutschland. Das ist der Hintergrund zu dem Thema, über das der Bundestag diskutiert hat. Es ist wichtig, das vorab zu erwähnen – die Realität geht im Paralleluniversum Bundestag sonst leicht unter.

Eingebracht hat das Thema Clan-Kriminalität die CDU in Form eines Antrags. Mit der in Hessen bereits laufenden Landtagswahl hatte das nichts zu tun. Deswegen berief die CDU einen Gast aus dem Bundesrat als Hauptredner: den hessischen Justizminister Roman Poseck (CDU). Der zählte die Erfolgsbilanz der hessischen Polizei in den jüngsten Tagen auf. Hätte Poseck noch Fähnchen verteilt, wäre das Bild des Wahlkämpfers rund gewesen.

„Billiger Hessen-Wahlkampf“ sagte Sebastian Fiedler (SPD) in Richtung des Justizministers. Und: „Sie hecheln der AfD hinterher“. Zudem nannte Fiedler Beispiele, die deutlich machten, warum es nur „billiger Wahlkampf“ der CDU war, das Thema auf die Weise in den Bundestag zu holen. So fordert die CDU, es solle ein „bundesweites Lagebild“ von der Clan-Kriminalität erstellt werden: „Das ist längst in Bearbeitung – und das wissen Sie auch“, hielt Fiedler dem Minister vor.

Um einen Antrag präsentieren zu können, raffte die CDU dann in der Tat Punkte zusammen, die ohnehin schon zur Debatte stehen. An erster Stelle: Das Recherchewerkzeug „VeRA“ solle „unverzüglich“ angeschafft und eingesetzt werden. Es ist wie so oft bei der CDU 2023: Ihre Hauptkritik an der Ampel lautet, dass die schneller tun solle, was sie tut. Ebenso soll die Ampel schneller und intensiver die Netz-Kommunikation der kriminellen Familien stören und deren Vermögen öfters einziehen. Außerdem verbindet die CDU den Kampf gegen die Clan-Kriminalität mit dem Ausländerrecht. Kriminellen mit doppelter Staatsangehörigkeit solle die deutsche aberkannt werden. Sollten sie sich in einem Asyl-Verfahren befinden, solle der Antrag abgelehnt werden.

An der real existierenden Clan-Kriminalität namens Remmo gehen diese Vorschläge vorbei. Stattdessen wärmt Poseck alte Vorschläge wieder auf. Etwa Ursula von der Leyens alten Traum von der Speicherung von IP-Adressen. Eine Familie, die bereit ist, in ein hoch gesichertes Gebäude einzubrechen und dabei Gewalt anzuwenden, soll dadurch abgehalten werden, dass ihre digitale Kommunikation überwacht wird. Die 83 Millionen anderen Deutschen müsste man dann gleich mit überwachen – geht ja nicht anders. Im Kampf gegen die Clan-Kriminalität. So schwach wie der Wahlkämpfer Poseck im Bundestag auftritt, kann sein Ministerpräsident Boris Rhein froh sein, dass er es in Hessen nur mit schwachen Gegnern zu tun hat.

Bis zu dieser Stelle ging es noch um den seriöseren Teil der Debatte. Nun zum absurden: Schon im CDU-Antrag ist die Rede von Aussteigerprogrammen für Familienkriminelle. Auch davon, den Familien das Sorgerecht zu entziehen. Ein Thema, das SPD und Grüne gerne aufgreifen. Marcel Emmerich (Grüne) wirft der CDU vor, dass im Antrag nichts zur Integration stehe.

Peggy Schierenbeck (SPD) schildert, wie aus ihrer Sicht die Integration aussehen könnte. Dabei erwähnt sie als Beispiele Kita-Plätze oder Alarmknöpfe auf Bahnsteigen, die als Maßnahmen der Prävention sich auch gegen die Clan-Kriminalität auswirkten. Es wäre spannend zu wissen, ob die Remmo-Familie diesen Teil der Debatte verfolgt hat – und wie ihre Gesichtsausdrücke dabei waren. Schierenbeck würde sich das wünschen, denn die Sozialdemokratin will, „Kindern aus Clanfamilien die Chance bieten, eigene Räume außerhalb der Familien in der Gesellschaft zu finden“. Etwa in der Kita.

Lamya Kaddor ist vor allem wichtig, den Begriff „Clan-Kriminalität“ nicht zu verwenden, denn der füge der Polizeiarbeit eine „rassistische Fußnote“ hinzu. Ohne den Begriff kann sie mit dem Thema deutlich besser leben. Muss noch erwähnt werden, dass Lamya Kaddor eine Abgeordnete der Grünen ist oder ergibt sich das aus dem Kontext?

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat im Juni eine „Allianz gegen Clankriminalität“ gegründet. Die möchte die CDU beenden. Denn die sei „inhaltslos“. Ganz anders als ihr Antrag, der obendrein überhaupt nichts mit der Wahl in Hessen zu tun hat. In diesem Antrag fordern die Christdemokraten auch, „die internationale Zusammenarbeit … weiter zu intensivieren“. Das ist eine sehr gute Forderung. Denn die kann man eigentlich immer erheben. Fehlt an der Stelle nur noch der Bürokratieabbau.

Bernd Baumann (AfD) beschreibt die CDU-Initiative recht treffend: Die Partei habe schon in der vergangenen Woche eine 180-Grad-Wende in der Migrationspolitik hingelegt. Nun lege sie halt bei der Clan-Kriminalität nach. Dieser Kurswechsel sei „verschlagen“ und „doppelzüngig“. Denn: „Damit haben Sie unser komplettes Programm kopiert. Man könnte sagen: raubkopiert“, sagt der AfD-Mann und hält der CDU vor, die Probleme erst verschuldet zu haben, gegen die sie nun anspreche. Wenn die CDU aber die Themen der AfD aufgreife, sei es nur noch ein „taktisches Mannöver“, wenn sie den politischen Konkurrenten diabolisiere. Die CDU halte die Linksgrünen dadurch an der Macht – gegen eine Mehrheit in der Bevölkerung.

Den Antrag hat der Bundestag in die Ausschüsse verschoben. Dort reden sie nun weiter.

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