Tichys Einblick
Der Wind dreht gegen Brüssel

Capitano Salvini, der Rächer Italiens und Mittelosteuropa emanzipieren sich

Silvio Berlusconi, Mario Monti, Matteo Renzi und Paolo Gentiloni haben die Interessen der Italiener nicht wirklich verteidigt, im Gegenteil. Am Ende haben sie alle gekniffen, meint ein Großteil der Italiener. Jetzt ist da einer, der den Mut hat, Brüssel und Berlin die Stirn zu bieten. Deswegen unterstützen sie ihn. Die Parallele findet sich in Mittelosteuropa.

FILIPPO MONTEFORTE/AFP/Getty Images

Artikel wie dieser von der freien Journalistin Andrea Affaticati auf n-tv.de sind selten. Denn Affaticati bleibt bei der üblichen Oberfläche von demoskopischen Ziffern zu den italienischen Bewegungen und ihren Protagonisten Salvini und Di Maio nicht stehen, sondern schaut auf Zusammenhänge und tiefer liegende Gründe. Sie trifft sich dabei mit einem Beitrag des tschechischen TE-Autors Daniel Kaiser über grundlegende Änderungen in Mittelosteuropa.

Andrea Affaticati beschreibt:

»Was Salvinis Anhänger zusammenschweißt, gleich, wie sie die Politik dieser Regierung bewerten, ist etwas anderes. Man könnte es mit verletztem Nationalstolz beschreiben. Salvinis wortgewaltiges Auftreten, sein harscher Konfrontationskurs gegen Brüssel, ist für seine Anhänger so etwas wie eine verspätete Revanche für all die Vorfälle der letzten Jahre, die landesweit als nationale Demütigung empfunden wurden. Dazu zählen beispielsweise das süffisante Lächeln von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem früheren französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy über Berlusconi. Dazu zählt auch die teutonische Strenge, mit der Wolfgang Schäuble als Bundesfinanzminister Italien dazu verdonnerte, seine „Hausaufgaben“ zu machen.«

In Zahlen stellt sich die ungewohnt zusammengesetzte Koalition in Rom demoskopisch so dar: Die Lega von Salvini kommt auf 36 Prozent, Cinque Stelle von Di Maio auf 27,7 Prozent. Damit hat die Lega mit Salvini seit den Parlamentswahlen im März fast 20 Prozentpunkte zugelegt, Fünf Sterne mit 4 Punkten weniger ihren Stand gehalten. Zusammen haben die in vielen Dingen so verschiedenen Bewegungen eine satte Mehrheit. Was Salvini, Di Maio und die ihren eint, ist ihre kritische Haltung gegen eine EU mit der Sackgassen-Losung ever closer union. Oder noch besser frei nach Andrea Affaticati: Ihr in Paris, Berlin und Brüssel – also „draußen in Europa” – seid keine höheren Wesen als wir.

Da treffen sich Andrea Affaticati und Daniel Kaiser, der schreibt:

„Vor dem EU-Beitritt 2004, vielleicht bis zur Finanz- und Eurokrise, als sich zeigte, wieviel Dilletantismus es auch in westlichen Führungsschichten gibt, war es für die Länder im Osten Mitteleuropas undenkbar, EU- und internationalen Abkommen nicht beizutreten. Die Sorge, ob wir in Westeuropa gut ankommen, war riesig und grenzte an eine Psychose. Das ist jetzt Vergangenheit. Und das ist auch gut so.

Noch einmal Affaticati:

„Weder Mario Monti noch die darauffolgenden Mitte-Links-Regierungen von Matteo Renzi beziehungsweise Paolo Gentiloni haben es vermocht, die Interessen der Italiener wirklich zu verteidigen, im Gegenteil. Am Ende haben sie alle gekniffen, meint ein Großteil der Italiener. Jetzt ist da einer, der den Mut hat, Brüssel und Berlin die Stirn zu bieten. Deswegen unterstützen sie ihn.”