Tichys Einblick
Minderjährige bei der Bundeswehr

Vorwürfe der sexuellen Gewalt an 17-jährigen Soldaten in Deutschland

Die Bundeswehr nimmt jedes Jahr rund 1500 Soldaten neu auf, die noch minderjährig sind. An 15 von ihnen soll sexueller Missbrauch begangen worden sein. Eine TE-Anfrage zu diesen Vorwürfen läuft noch.

Rekrutengelöbnis am 20.07.2022 im Bendlerblock in Berlin

IMAGO / Mike Schmidt

Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) stellt heute ihren jährlichen Bericht vor. In ersten Interviews, die sie unter anderem dem RBB gegeben hat, war von diesem Thema keine Rede:

Rund 1500 minderjährige Soldaten nimmt die Bundeswehr im Schnitt jedes Jahr auf. 15 dieser Minderjährigen sollen zwischen 2018 und 2022 Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sein. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage hervor, die die Linke an die Bundesregierung gestellt hat. Angaben dazu, in wie vielen Fällen der Verdacht bestätigt wurde, macht das Verteidigungsministerium in dieser Antwort nicht. Eine entsprechende Anfrage von TE wurde bisher nicht beantwortet.

Seit 2004 gilt: Das Mindestalter für den freiwilligen Dienst liegt bei 17 Jahren. Während sich weltweit bereits 150 Länder dazu entschieden haben, nur über 18-Jährige ins Militär zu lassen, ist die deutsche Regierung anscheinend nicht daran interessiert, das Mindesalter anzuheben. Oder mit ihren Worten: „Eine vertragliche Verpflichtung zur Anhebung der Altersgrenze auf 18 Jahre besteht nicht“. Jedes Jahr rekrutiert die Bundeswehr durchschnittlich knapp 1500 Minderjährige – auch wenn diese laut Antwort in bewaffneten Konflikten oder „Feindseligkeiten“ nicht eingesetzt werden sollen.

In einem der Verdachtsfälle war der Beschuldigte laut Verteidigungsministerium minderjährig. In den anderen 14 Fällen waren die Beschuldigten volljährig. Zu den Konsequenzen dieser Vorwürfe heißt es in der Antwort lapidar und ausweichend: „Die Bundesregierung führt keine Statistik darüber, welche straf- oder disziplinarrechtlichen Maßnahmen in diesem Zusammenhang erfolgt sind.“

Dass unter der Ampelregierung „Gelder in Millionenhöhe“ in die Werbung für die Bundeswehr flössen, kritisieren die Abgeordneten der Linken, die die Anfrage gestellt haben: Żaklin Nastić, Andrej Hunko und Heidi Reichinnek. Die gezielte Werbung für die Bundeswehr verstoße gegen den „Beutelsbacher Konsens“, so diese Abgeordneten weiter. Der Beutelsbacher Konsens legt fest: Kinder dürfen in der politischen Bildung nicht „überwältigt“ werden; Alles solle kontrovers betrachtet werden, was auch in Politik und Wirtschaft als kontrovers gelte; Und den Schülern soll eine Orientierung geboten werden, damit sie politische Situationen und eigene Interessen analysieren können.

Auf den Social Media-Plattformen, auf denen die Bundeswehr Werbung für den Dienst schaltet und so Nachwuchs für sich gewinnen möchte, ist von dieser eingeforderten „Kontroversität“ kaum etwas zu erkennen – diese erreichen aber nach eigenen Angaben 1,4 Millionen Nutzer täglich. Es ginge darum, Karrieremöglichkeiten vorzustellen und die Community zu betreuen, wobei allerlei Waffen und Panzer vorgestellt werden. Was als Themen nicht auftaucht: Aufnahmerituale, Erfahrungen von der Front und eben sexueller Missbrauch im Dienst.

Während die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) die Jugendoffiziere als „ganz besondere – und im internationalen Vergleich einzigartige – Träger der politischen Bildung“ bezeichnet, kritisieren Abgeordnete der Linken, die Bundeswehr würde Schüler durch Werbevorträge von Jugendoffizieren überwältigen. Knapp 4.200 Vorträge haben Jugendoffiziere im vergangenen Jahr an Schulen und Hochschulen gehalten und damit rund 101.000 Jugendliche erreicht. Die Bundesregierung sagt, dass dabei „Kampfeinsätze nicht explizit thematisiert wurden“. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass nicht thematisiert wurde, wieso für einen Prozent der minderjährigen Soldaten der Verdacht besteht, sexuelle Gewalt erlebt zu haben.