Tichys Einblick

Bundesverfassungsgericht: AfD-Klage gegen Flüchtlingspolitik abgewiesen

Antragsgegnerin: Bundesregierung, vertreten durch die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin. Wie das Bundesverfassungsgericht eine Chance verspielt, noch bevor es noch fester an die Kette gelegt wird.

AFP/Getty Images

Die Richter in Karlsruhe haben Klagen gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung als unzulässig verworfen. Heute am 18. Dezember 2018 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht den entsprechenden Schriftsatz. Ein Papier übrigens, das sich liest wie direkt aus der Amtssprachenhölle ans Licht gezerrt. Wir versuchen dennoch eine Annährung.

Zunächst einmal scheinen die Klagen der AfD-Bundestagsfraktion auch deshalb abgelehnt worden zu sein, weil die Richter angeblich keinen zulässigen Klageweg erkannt hätten. Es scheint also äußerst schwierig zu sein, überhaupt einen Hebel zu finden, die Kanzlerin persönlich für ihre Entscheidungen zur Verantwortung zu ziehen.

So schreibt Spiegel.de, vom Gericht überprüft werden sollte vor allem Angela Merkels Entscheidung von Anfang September 2015, die Grenze von Österreich nach Deutschland für Flüchtlinge offenzuhalten. Die Kläger hätten, so interpretiert der Spiegel den Beschluss der Verfassungsrichter, „nicht hinreichend darlegen (können), dass sie diese Entscheidungen in ihren Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet hätten – zumal die AfD damals noch gar nicht im Bundestag saß.“

Ziel der Klagen war es, die Bundesregierung zu einer Handlung zu verpflichten und „objektives Recht“ zu wahren. Das allerdings wäre in diesem Verfahrensweg gar nicht zulässig. In der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes heißt es dazu: „Das Organstreitverfahren eröffnet nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage.“ Alle drei Klagen wurden einstimmig als unzulässig verworfen. „Die Antragstellerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass entsprechende Entscheidungen der Bundesregierung sie in ihren Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet hätten.“

Nun liegt ein Grund der Ablehnung also darin begründet, dass die AfD als Kläger zum Zeitpunkt der Grenzöffnung noch gar nicht im Bundestag saß, die Fraktion also nicht für sich beanspruchen konnte, dass die Regierung Merkel die „Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages und dadurch zugleich den Gewaltenteilungsgrundsatz sowie Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes verletzt habe.“ 

Das Gericht stellt weiter fest: „Das Grundgesetz kennt keinen allgemeinen Gesetzes- oder Verfassungsvollziehungsanspruch, auf den die Organklage gestützt werden könnte.“

Weiter heißt es da: „Mit dem Antrag zu 1. begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass die Antragsgegnerin durch die Duldung der Einreise bestimmter Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages verletzt habe, soweit dadurch zugleich politische Grundentscheidungen betroffen seien. Alle wesentlichen Fragen der Migration sind ihrer Ansicht nach von dem Parlament in einem „Migrationsverantwortungsgesetz“ zu normieren.“

Hier sieht nun das Gericht allerdings einen der wesentlichen Abweisungsgründe der Klagen auch deshalb, weil die AfD als Kläger bekundet hätte, überhaupt gar kein Interesse daran zu haben, die Regierung seitens des Parlaments zu legitimieren. So schlussfolgert das Bundesverfassungsgericht in seiner Pressemitteilung Nr. 87/2018 vom 18. Dezember 2018: „Ihr geht es damit nicht um die Durchsetzung eigener oder dem Deutschen Bundestag zustehender (Beteiligungs-)Rechte, sondern um das Unterbinden eines bestimmten Regierungshandelns. Die Antragstellerin hält mithin ein „Migrationsverantwortungsgesetz“ mit Blick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung für notwendig, kündigt indes zugleich an, an dessen Initiierung im Deutschen Bundestag nicht mitwirken zu wollen. “

Ausdrücklich befindet das Bundesverfassungsgericht an der Stelle, es sei nicht dazu da, ein bestimmtes Verhalten der Bundeskanzlerin zu kontrollieren, wenn das Gericht begründet: „Die Antragstellerin erstrebt (…) keine Befassung des Deutschen Bundestages zum Zwecke der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, sondern die Kontrolle eines bestimmten Verhaltens der Antragsgegnerin durch das Bundesverfassungsgericht.“

Man könnte hier nachfragen: Kennt das Gericht seine ureignen Aufgaben nicht? Und das Gericht hat die Antwort bereits gegeben: Das Verhalten der Kanzlerin „kann im Organstreitverfahren aber nicht isoliert beanstandet werden; ebenso wenig kann auf diesem Wege die Beachtung von (Verfassungs-)Recht erzwungen werden.“

Es geht aber immer noch kurioser, wenn die Antragsteller in ihrer Klageschrift schreiben, „dass die Duldung der Migration bestimmter Ausländer „nur zulässig wäre aufgrund eines vorab ordnungsgemäß zustande gekommenen parlamentarischen Gesetzes““ und das Verfassungsgericht hier befindet, dass der Kläger der Kanzlerin und ihrer Regierung ja überhaupt keinen Vorwurf gemacht hätte, den man behandeln könnte:

„Mit diesem Antrag wird schon keine konkrete Rechtsverletzung durch die Antragsgegnerin behauptet; er zielt vielmehr – im Ergebnis ebenso wie der Antrag zu 1. – auf die Wahrung objektiven Rechts in einer von der Antragstellerin vorgenommenen Auslegung. Dies ist im Organstreitverfahren nicht zulässig.“

Zusammengefaßt: Es gibt also zwar einen Kläger, aber damals eben noch nicht. Das mag ein formal stichhaltiges Argument für Juristen sein. Politisch ist es eine Bankrotterklärung, was juristisch so schlüssig daher kommt. Nicht um die Verletzung einer damals im Bundestag vertretenen oder nicht vertretenen Partei geht es. Sondern um eine Würdigung des Verhaltens der Bundesregierung. Von einem höchsten Gericht könnte man verlangen wollen als einen eleganten Side-Step: Kollege kommt gleich…

Gut, dass so etwas bald nicht mehr passieren kann. Es wird durch politische Richter ohnehin immer fester an die Kette gelegt. Der zukünftige Gerichtspräsident ist ein Richter direkt von Merkels Gnaden. Stephan Harbarth ist ohne Zweifel ein Jurist, der sein Handwerk als Wirtschaftsanwalt gewinnbringend ausgeübt hat – Präsident aber wird er, weil er den Migrationspakt im Deutschen Bundestag mit den absonderlichsten Begründungen durchgesetzt hat. Dafür gebühren im Dank und Anerkennung der Bundesregierung, und er wird sich sicherlich revanchieren und zukünftig solche absonderlichen Klagen gar nicht mehr zulassen, steht zu vermuten.  Solchen Umgang kennt man sonst nur aus Polen, wo es allerdings der dortigen Regierung zur Last gelegt wird, wenn sie solcherarts höchste Richter beruft. 

Den gesamten Beschlusstext des Bundesverfassungsgerichtes können Sie ab heute hier nachlesen.