Tichys Einblick
TE-Interview 12-2020

Bundestagsvizepräsident Friedrich: Wir brauchen keine neuen „Räte“

Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich warnt vor selbstherrlichem Regierungsstil in Corona-Zeiten und einer Räterepublik. Der Föderalismus habe sich gerade in der Krise bewährt.

imago Images/Charles Yunck

Berlin. Die Einführung von „Bürgerräten“, die sogar in Gesetzgebungsverfahren eingreifen könnten, lehnt Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich ab. Solche Räte mit berufenen oder gar ausgelosten Mitgliedern hatten Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck vorgeschlagen. „Jeder Abgeordnete hat genügend Möglichkeiten, sich Fachkenntnis zu verschaffen. Wer als Abgeordneter in seinem Wahlkreis unterwegs ist, den Kontakt zu Bürgern sucht und pflegt, braucht keine neuen «Räte»“, so Friedrichs im Gespräch mit dem Monatsmagazin Tichys Einblick. „In dem Vorschlag, Räte zu etablieren, liegt möglicherweise der Verdacht, dass immer weniger Abgeordnete sich der Mühsal der Wahlkreisarbeit unterziehen und Meinungen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort einholen.“

Kritisch sieht der Vizepräsident des Bundestages, dass immer mehr Abgeordnete über die Parteilisten ins Parlament einziehen. „Tatsächlich verdankt schon heute die Mehrheit der Abgeordneten ihr Mandat nicht dem Votum der Wahlkreisbürger, sondern dem guten Platz auf der Liste, die von der Partei aufgestellt wird. Die Profilierung in der eigenen Partei droht dann wichtiger zu werden als die Kommunikation mit dem Bürger vor Ort.“ Deshalb sieht Friedrich die Streichung oder Zusammenlegung von Wahlkreisen kritisch. „Jede Verringerung der Zahl der Direktwahlkreise verwässert das Prinzip des den Bürgern vor Ort verantwortlichen Abgeordneten und stärkt den Einfluss der Parteifunktionäre. Wer die Direktmandate reduziert oder gar abschafft, riskiert, dass der eine oder andere Abgeordnete das schicke Leben im Glanze der Hauptstadt der Kärrnerarbeit im Wahlkreis vorzieht. Ob das der parlamentarischen Demokratie zuträglich ist, darf bezweifelt werden.“


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