Tichys Einblick
Zwei Anfragen – eine Antwort

Bundesregierung bestätigt indirekt die Involvierung des Verfassungsschutzes in der Correctiv-Affäre

Gleich zwei Anfragen sollen klären, was die Bundesregierung über das Potsdamer Treffen wusste. Anstatt aber alle Zweifel auszuräumen, dass der Verfassungsschutz in die Correctiv-Affäre involviert sein könnte, bestätigt die Regierung indirekt genau das.

IMAGO / Panama Pictures

Tichys Einblick hat in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass es sich nicht zu schade ist, die heißen Eisen anzufassen. Das galt für die Berlin-Wahl, das galt für die Agora-Affäre. Die Correctiv-Affäre könnte das nächste Kapitel werden. Denn der eigentliche Skandal dieser Affäre ist nicht das private Treffen in Potsdam. Es ist dessen mutmaßliche Ausspionierung durch den Bundesverfassungsschutz. Was wussten Haldenwangs Schlapphüte und was haben sie getan?

Correctiv wirft Tichys Einblick vor, eine diesbezügliche Falschmeldung zu verbreiten. Die Involvierung des Verfassungsschutzes und dessen Zusammenarbeit mit einem vermeintlich unabhängigen „Rechercheportal“ würde schließlich nicht nur den deutschen Staat, sondern auch den deutschen Journalismus desavouieren. Es wäre eine Mischung aus Spiegel-Affäre und Watergate. Das muss übrigens heute nichts mehr heißen: So, wie auch die Berlin-Wahl und die Agora-Affäre kleingeredet wurden, könnte man auch diesen Vorgang kleinreden.

Nichtsdestotrotz: Es gäbe eine sehr einfache Möglichkeit, genau das herauszufinden. Etwa, indem die Bundesregierung jeden Verdacht ausräumen würde, dass der Verfassungsschutz in den Vorgang involviert war. Genau das wollten zwei Bundestagsabgeordnete klargestellt wissen: Martina Renner (Linke) und André Hahn (Linke).

Renner wollte von der Bundesregierung erfahren, wann dieser (oder nachgeordneten Stellen) Informationen zum „Strategietreffen von Angehörigen der rechtsextremen Szene“ vorgelegen hätten. Hahn fragte ähnlich: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Recherchen von Correctiv hinsichtlich des stattgefundenen Treffens im November?

Klare Fragen. Klare Antworten würden jeden Zweifel ausräumen. Doch an beide MdBs ergeht dieselbe Antwort von Staatssekretär Mahmut Özdemir. Aus Transparenzgründen soll sie hier in Gänze zitiert werden:

„Nach sorgfältiger Abwägung ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage nach dem Erkenntnisstand zur Veranstaltung am 25. November 2023 in Potsdam aufgrund entgegenstehender überwiegender Belange des Staatswohls nicht erfolgen kann.
So können aus der Beantwortung, ob bzw. wann der Bundesregierung und den ihr nachgeordneten Behörden Informationen zu der genannten konkreten Veranstaltung vorlagen, Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des BfV und gegebenenfalls die nachrichtendienstlichen Methodiken und Arbeitsweisen ermöglicht werden, wodurch die zukünftige Erkenntnisgewinnung des BfV aufgrund entsprechender Abwehrstrategien nachhaltig beeinträchtigt oder in Einzelfällen sogar unmöglich gemacht wird.

Ist eine Frage – wie im Falle der dieser Beantwortung zugrundeliegenden Anfrage – auf eine bestimmte Veranstaltung mit einem bestimmbaren Teilnehmerkreis sowie einem bestimmbaren Kreis an Personen, die vorab Kenntnis von einer bestimmten Veranstaltung gehabt haben, bezogen, so könnten aus einer Beantwortung stets Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige Informationen gezogen werden. Diese drohende nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit könnte einen gravierenden Nachteil für die wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten.“

Da sieh mal einer an. Explizit nach dem BfV hatte keiner der Abgeordneten gefragt, aber die Bundesregierung weiß sehr wohl, wer gemeint ist. Und der „Kenntnisstand“ der Bundesregierung ist salopp gesagt „Staatsgeheimnis“. Zwar handelt es sich um eine Standardantwort im parlamentarischen Fragerecht, dass solche Antworten Rückschlüsse auf die Methoden des Verfassungsschutzes geben könnten. In diesem Zusammenhang dürfte aber die Bundesregierung eigentlich wissen, wie man genau diese Antwort in diesem Zusammenhang deuten darf.

Man könnte argumentieren: Die Bundesregierung will weder bejahen noch verneinen. Aber sie hätte in diesem (doppelten) Moment die Möglichkeit besessen, ganz klar zu sagen: Nein, es gab keine Involvierung des BfV und es gab kein Vorabwissen. Wohl wissend, sollte es doch rauskommen, dass dem nicht so war, bemüht sie sich der Standardformulierung, die ihnen nicht auf die Füße fallen kann. Heißt: Hätte die Bundesregierung nichts gewusst, hätte sie dies auch so darstellen können.

Somit bleibt nur ein Umkehrschluss: Offenbar war der Verfassungsschutz involviert, und man hütet nunmehr das Staatsgeheimnis wie einen Augapfel, weil die „Rückschlüsse auf die Methoden“ unangenehme Wahrheiten über die hiesige rechtsstaatliche Ordnung enthüllen könnten. Wir leben schließlich im besten Deutschland aller Zeiten.

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