Tichys Einblick
Die Morde von Christchurch

Brutaler Terror in Neuseeland mit vielen Toten

Jeder Bericht und jede Analyse nur wenige Stunden nach solch einer Tragödie, wie dieser von Christchurch, in Neuseeland, kann nicht das wiedergeben, was vielen Menschen durch den Kopf geht. Es ist ein Planet auf dem wir leben - mit ähnlichen Problemen und gleichen Schmerzen auf allen Kontinenten.

Phil Walter/Getty Images

Der türkische Präsident Erdogan beschreibt exakt die bisher bekannt gewordenen Fakten, wenn er angesichts des Massakers von Christchurch/ Neuseeland von einer Islamfeindlichkeit spricht, welche die Ebenen des Massenmordes erreicht hätte. Andere aktuelle Bezüge Erdogans werden noch zu diskutieren sein, aber sicher nicht in den kommenden Tagen. Die islamische Welt schaut jetzt noch genauer als sonst auf die Reaktion der westlichen Welt auf die aufgebrachten Stimmen ihrer politisch-religiösen Führer.

Wer sich die ersten grausigen Bilder, Filmsequenzen und Fakten zu diesem Amoklauf – Ähnlichkeiten mit den Taten des norwegischen Massenmörders Anders Breivik drängen sich auf – anschaut, der ist fassungslos. Auch in Neuseeland soll nun, wie schon in Norwegen ein Papier aufgetaucht sein, das eine Erklärung für das Unerklärliche sein soll, wenn der Attentäter sein Manifest mit „Der große Austausch“ überschreibt.

Eine geschockte neuseeländische Regierungschefin Jacinda Ardern tritt vor die Presse und berichtet von bislang einer Frau und drei Männern, die verhaftet worden seien. Und sie verweist schon zu diesem frühen Zeitpunkt auf das Motiv des Amoklaufes: „Wir verurteilen diese Attacke, die von einem rechtsextremen, gewalttätigen Terroristen begangen wurde, aufs Schärfste.“

Einer der Täter soll der aus Australien stammende Brenton Tarrant sein, der besagtes Manifest im Internet veröffentlicht hat, berichtet der Spiegel. Der Mann wolle, so entnehmen die Journalisten dem Manifest (den virtuellen Verbreitungsort wollen wir hier weder recherchieren geschweige denn nennen) mit seiner Tat dafür sorgen, dass es „nirgendwo in der westlichen Welt für Einwanderer sicher sei.“

Die Schrift des Mörders soll 70 Seiten umfassen. Er selbst soll sich darin als „Öko-Faschisten“, „Ethno-Nationalisten“ und Rassisten bezeichnet haben. Es ist ein Sammelsurium von -ismen, deren er sich bedient und zeigt, wie gefährlich es ist, wenn sich diese verselbständigen. Nicht nur Personen und Nachrichten umrunden den Erdball, sondern auch Ideologien. Migration ist nicht konfliktfrei und nicht ausschließlich wohlstandsfördernd, wie beispielsweise der Migrationspakt behauptet. Samuel Huntington sprach vom „Clash of Civilisations“ und die Konfliktlinien fordern in Form brutaler Verbrechen ihre Opfer auch in Neuseeland. Es ist eine Welt. Im positiven wie im negativen, im Verbrechen. Es ist, als ob die Welt eine Echokammer ihrer selbst wäre mit Begriffen, die sich wiederholen und doch in der Bedeutung changieren. Meinen alle dasselbe? Wohl nicht.

Die These eines „Großen Austausches“ ist auch in Europa in den letzten fünf Jahren in bestimmten Kreisen populär geworden. Der Autor Akif Pirincci beispielsweise titelt im Antaios Verlag von Götz Kubitschek von einer „Umvolkung: Wie die Deutschen still und leise ausgetauscht werden.“ Migrationspakt und „Großer Austausch“ sind globale Chiffren geworden. Die Gefahr ist, dass Begriffe irgendwo auf diesem Weg aufgeladen und umgedeutet werden und ihren Analysegegenstand verlieren, eine babylonische Sprachverwirrung entsteht und an ihren Rändern Gewalttätigkeit brutalster Sorte. Es ist eine Einladung zur gegenseitigen Instrumentalisierung, die neuen Sprengstoff hinzufügt.

Die Identitäre Bewegung spricht sogar 1:1 von einem solchen großen Austausch (Quelle: https://www.identitaere-bewegung.de/kampagnen/grosser-austausch/). Dort heißt es: „Die ungebremste Masseneinwanderung und die daraus resultierende Islamisierung bezeichnet die Identitäre Bewegung als den Großen Austausch.“ Und weiter: „Der Große Austausch findet statt. Er bezeichnet die Tendenz einer schrittweisen Verdrängung der einheimischen Bevölkerung zugunsten fremder und zumeist muslimischer Einwanderer.“

Neuseeland ist die Heimat von geschätzten 50.000 Muslimen. Auch bei einer überschaubaren Einwohnerzahl von etwas mehr als vier Millionen Neuseeländern eine überschaubare Zahl; nicht vergleichbar mit der jüngsten Entwicklung in Europa. Die Einwanderungsbestimmungen des Landes sind gerade verschärft worden. Neuseeland ist weltweit beliebt als attraktives Einwanderungsland. Seit 1987 gilt hier ein Einwanderungsrecht, das nicht mehr nach den verschiedenen Herkunftsländern differenziert. Nur Australier und Polynesier werden bevorzugt behandelt. Zuletzt soll hier schon ein übergewichtiger potentieller Zuwanderer abgewiesen worden sein, weil die Gefahr bestand, dass er dem Gesundheitssystem zur Last falle.

Die meisten der in Neuseeland lebenden Muslime sind Migranten aus Indonesien, Bangladesch und anderen muslimischen Staaten Asiens, darunter auch Geflüchtete. Die Premierministerin des Landes stellte im Angesicht des Grauens klar: „They are us“. Hätte der rassistische Terroranschlag verhindert werden können, wenn diese Solidaritätsadresse schon früher und regelmäßiger ausgesprochen worden wäre? Die Vermutung liegt nahe, dass es die Täter nicht abgehalten hätte, zu tun, was sie meinten, tun zu müssen.

Die Bilder vom Schauplatz der massenhaften Morde bilden den Wahnsinn auch noch da ab, wo sie nicht die blutüberströmten Opfer zeigen, sondern auf verstörende Weise auch dort, wo die mit weißer Schrift eng bemalte Schnellfeuerwaffe und die dazugehörigen Magazine von einem der Täter zeigen. Ein religiöser Mordeifer, wie ihn keine noch so düstere Religion schlimmer abbilden könnte.