Tichys Einblick
Regierungskrise in Grossbritannien

Boris Johnsons Rücktritt: Der letzte Skandal war einer zu viel

Der britische Premierminister Boris Johnson wird die Downing-Street räumen. Das berichteten mehrere britische Medien am Donnerstag, darunter die BBC. Johnson stolpert über die Grabsch-Affäre eines Parteikollegen - und fällt. 

Premierminister Boris Johnson vor seinem Amtssitz in Downing Street 10, London, 06.07.2022

IMAGO / ZUMA Wire

Der britische Premierminister Boris Johnson wird die Downing-Street räumen. Das berichteten mehrere britische Medien am Donnerstag, darunter die BBC. Damit scheint der Konservative der Revolte in seiner Partei zu erliegen, die vor zwei Tagen mit einem Doppelrücktritt in seinem Kabinett begann. Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid hatten am Dienstag ihre Ämter niedergelegt. Javid schrieb, er habe das Vetrauen in den Regierungschef verloren, und rief seine ehemaligen Kollegen zum Sturz Johnsons auf: „Diejenigen von uns, die in einer Position dazu sind, haben die Verantwortung, etwas zu ändern. (…) Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Problem an der Spitze zu finden ist“, so der ehemalige Gesundheitsminister. 

Auch mehrere Staatssekretäre waren bereits am Dienstag zurückgetreten. Am Mittwoch reichten dann fünf weitere Staatssekretäre ihren Rücktritt ein. Darunter der für Familie und Kinder zuständige Staatssekretär Will Quince. Auch der Generalstaatsanwalt für England und Wales trat zurück, genauso wie der oberste Rechtsberater der Regierung: „In einer Zeit, in der unser Land vor großen Herausforderungen steht, in der das Vertrauen in die Regierung selten so wichtig war, ist die Zeit für eine neue Führung leider gekommen“, erklärte dieser. 

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Bei den Tories brennt es. In der konservativen Partei herrsche „offener Krieg“, wie der britische Sender Sky News kommentiert. „Konservative Abgeordnete haben endgültig die Geduld mit ihrem Anführer verloren, der für die Wähler immer schneller zu einer verachtenswerten Figur wird“, sagte der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster der Deutschen Presse-Agentur in London. Die neue britische Bildungsministerin Michelle Donelan ist nach nur zwei Tagen im Amt zurückgetreten. „Sie haben uns in eine unmögliche Lage gebracht«, schrieb Donelan in ihrem Rücktrittsschreiben an Johnson. Der erst am Dienstag ernannte, neue Finanzminister Nadhim Zahawi legte dem Premier Heute morgen ebenfalls den Rücktritt nahe. „Sie müssen das Richtige tun und jetzt gehen“, schrieb er auf Twitter.

Die sogenannte „Pincher-Affäre“ ist für den lange an seinem Amt hängenden Johnson, der gerade erst ein Misstrauensvotum überstanden hatte, nun wohl der Todesstoß. Johnson hatte von Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen einen Parteikollegen gewusst, habe jedoch öffentlich das Gegenteil behauptet. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Tories im Unterhaus, Chris Pincher, war in der vergangenen Woche zurückgetreten, nachdem Medien berichteten, er habe zwei Männer in einem exklusiven Club in London im betrunkenen Zustand begrapscht. 

Wie unter anderem die Tagesschau und der britische Guardian berichten, ist Johnsons Rücktritt mittlerweile wohl fix. Wer ihm nachfolgt, ist noch offen: Ob Johnson bis zur Festlegung eines Nachfolgers überhaupt im Amt bleibt oder ein Interims-Premier ernannt werden muss, auch. Gute Chancen auf den Job werden unter anderem dem stellvertretenden Premierminister Dominic Raab zugerechnet. Auch die amtierende Handelsministerin Penny Mordaunt könnte Johnson in der Downing Street nachfolgen. Die ehemalige Verteidigungsministerin ist nach aktuellen Umfragen eine der parteiintern beliebtesten Kandidatinnen: Dort wird sie nur vom aktuellen Verteidigungsminister Ben Wallace übertroffen. Aber auch der ziurückgetretene Finanzminister Rushi Sunak wird als Kandidat gehandelt. 

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