Im Zentrum der verfassungsrechtlichen Kritik steht die Pflicht für soziale Netzwerke, möglicherweise strafbare Postings etwa auf Facebook und Twitter auf Verdacht an das Bundeskriminalamt zu übermitteln. Dazu sollten auch Bestandsdaten weitergeleitet werden, etwa die IP-Adresse und der Name oder die Wohnanschrift des jeweiligen Nutzers, ohne dass überhaupt ein von Ermittlern bestätigter Anfangsverdacht vorliegen würde.
Etwa vier Wochen nach Verabschiedung des Gesetzes urteilte das Bundesverfassungsgericht im Juli, eine Datenabfrage sei ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte und setze einen konkreten Verdacht voraus, sie dürfe also nicht „ins Blaue hinein“ geschehen. Trotzdem zog Lambrecht das Gesetz nicht zurück. In einem Brief Steinmeiers an den Bundesrat heißt es nun, der Chef des Präsidialamts Stephan Steinlein habe mit der Justizministerin am Rand einer Kabinettssitzung über das missratene Gesetz gesprochen.
„Dabei war die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Normen nicht streitig“, heißt es in dem Schreiben.
Seit 1949 geschah es bisher nur acht Mal, dass ein Bundespräsident die Ausfertigung eines Gesetzes wegen schwerer verfassungsrechtlicher Bedenken verweigerte. Allerdings hatte in keinem Fall schon der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, ein externes Rechtsgutachten und das Bundesverfassungsgericht auf die Grundgesetzwidrigkeit so eindeutig hingewiesen. Üblicherweise ist es Aufgabe des Bundesjustizministeriums, Gesetze generell auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.