Tichys Einblick
Berliner Wiederholungswahl

Die Idee der grünen Kandidatin: noch mehr Bürokratie durch einen „Vermieterführerschein“

Als Wahlkampf-Schlager bietet Bettina Jarasch noch mehr staatliche Regulierung an: Sie soll nach ihren Vorstellungen die von Rot-Rot-Grün mitverschuldete Wohnungsmisere lindern. Ältere in Ostberlin dürften sich an die „Kommunale Wohnungsverwaltung“ (KWV) erinnern, die in der DDR bis 1989 den bröckelnden Bestand kaputtverwaltete.

Grünen-Kandidatin Bettina Jarasch

IMAGO / Rolf Kremming

Wer in Berlin seinen Führerschein umtauschen oder einen anderen Behördengang unternehmen muss, braucht vor allem eines: Zeit und Geduld. Termine gibt es oft nur Wochen im Voraus. Die grüne Spitzenkandidatin zur Berlin-Wiederholungswahl Bettina Jarasch überraschte jetzt die Bürger mit einer Idee. Nicht etwa zur Entschlackung der notorisch trägen städtischen Bürokratie. Die Politikerin möchte vielmehr ein neues Formular und dafür praktisch auch ein neues Amt schaffen: den „Vermieterführerschein“.

In kaum einer anderen deutschen Metropole liegt die Mieterquote mit 85 Prozent so hoch wie in der Hauptstadt. Neben den kommunalen Wohnungsgesellschaften spielen private Vermieter folglich eine große Rolle für den Markt. In den vergangenen Jahren machten vor allem Grüne und Linkspartei neben Teilen der SPD eben diesen privaten Vermieter zum Feindbild – er trägt angeblich alle Schuld an Wohnungsknappheit und hohen Kosten fürs Wohnen.

In einer RBB-Sendung erklärte Jarasch ihren Plan, der ihr linke Wählerstimmen bringen soll. Private Vermieter dürften sich auch gern am Markt beteiligen – aber nur dann, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Dann sollen sie den „fairen Vermieterführerschein“ erhalten.

Was mit Vermietern geschehen soll, die bei dieser Prüfung durchfallen, verriet sie nicht. Als Voraussetzungen, unter denen jemand künftig in Berlin noch vermieten darf, zählte sie unter anderem auf, der Vermieter müsste „immer auch bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen“. Auch hier blieb sie Konkretes schuldig. Schon jetzt bestimmen viele Regularien bei Bestandsbauten Miethöhe und maximal mögliche Mietsteigerung. Die Politikerin sagte auch nicht, wie Vermieter mit langfristigen Mietern, die auch in der Wohnung bleiben wollen, in ihr Konzept passen. Wessen Wohnungen schon belegt sind, kann zumindest am Markt schlecht Wohnraum zur Verfügung stellen – zu welchem Preis auch immer. In der RBB-Sendung wetterte sie gegen die ihrer Meinung nach „unfairen“ Vermieter, die unsanierte Wohnungen anbieten würden. Nur wenige Sätze später geißelte sie „Luxussanierungen“.

Vor allem in sogenannten „Milieuschutzgebieten“ Berlins fällt der Korridor zwischen ‚nicht saniert‘ und ‚luxussaniert‘ schon heute sehr schmal aus. Der Einbau einer zweiten Toilette etwa kann schon den Tatbestand der Luxussanierung erfüllen. Um diese Fülle von Bedingungen in Zukunft zu regeln, zu kontrollieren, „Vermieterführerscheine“ auszustellen und Verstöße zu ahnden, braucht Berlin nach den Worten von Jarasch ein „Wohnraumwirtschaftsgesetz“. Manche Ältere in Ostberlin dürften sich an die „Kommunale Wohnungsverwaltung“, kurz KWV erinnern, die in der DDR bis 1989 den bröckelnden Bestand kaputtverwaltete.

Eine Forderung aus Jaraschs Katalog sollte besonders aufhorchen lassen: der faire, also staatliche zertifizierte Vermieter müsse den „Wohnungstausch“ ermöglichen. Schon jetzt kann allerdings jeder Mieter kündigen, dem seine Wohnung zu groß ist, um in eine kleinere zu ziehen – und umgekehrt. Dank Internet findet der eine auch relativ leicht zum anderen. Das Problem liegt allerdings darin, dass viele Mieter in großen Wohnungen noch über einen alten Mietvertrag verfügen und deshalb oft eine Miete zahlen, die unter dem liegt, was sie für eine kleine Bleibe mit neuem Mietvertrag zahlen müssten. Nach der Idee der Grünen sollen Vermieter diesen Wohnungstausch in Zukunft „erleichtern“ – offenbar auf eigene Kosten.

Der Wohnungsneubau dürfte 2023 noch stärker einbrechen als schon 2022 – durch höhere Zinsen und Baukosten, aber auch durch staatliche Überregulierung. In diesem Jahr entstehen nach Branchenschätzungen deutschlandweit statt der von der Bundesregierung angekündigten 400.000 bestenfalls 225.000 neue Wohneinheiten. Gleichzeitig steigt die Nachfrage durch die ungebremste Migration dramatisch. In Berlin war der Neubau schon wegen des von Rot-Rot-Grün verfügten und später vom Bundesverfassungsgericht kassierten „Mietdeckel“ früher und stärker eingebrochen als im Rest des Landes.

Gleichzeitig verschärft die Landesregierung die Lage noch durch ihre Entscheidung, die größte Brache der Stadt – das Tempelhofer Feld – nicht zu bebauen. Da durch den Zustrom von Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern die Nachfrage in Berlin ungebrochen steigt, soll offenbar eine Kampagne die Not lindern, in der Ältere davon überzeugt werden, ihre angeblich zu großen Wohnungen zu verlassen. Faktisch soll also der vorhandene Wohnraum umverteilt werden, statt das Angebot durch Neubau zu vergrößern. In einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ kündigte Grünen-Chefin Ricarda Lang an, ihre Partei sei „bereit“ für eine gesetzliche Regelung des Wohnungstauschs.

Screenprint: Berliner Zeitung

Der Zeitung sagte Lang: „Wohnungstausch sollte wesentlich einfacher werden, wenn er denn gewünscht ist. Es gibt zum Beispiel ältere Menschen in großen Wohnungen, die gern umziehen würden, weil sie nicht mehr alle Zimmer nutzen und heizen wollen, und auf der anderen Seite junge Familien, die dringend ein Zimmer mehr brauchen. Es wäre doch gut, wenn die untereinander unkompliziert tauschen und so beide zu fairen Mieten im gewohnten Kiez bleiben könnten. Das muss ohne größeren Aufwand rechtlich möglich sein, auch hier kann der Bund für ein Recht auf Wohnungstausch sorgen.“

Hier deutet die Grünen-Chefin schon an, wo sie den Hebel vermutet: Die Witwe, die die Heizkosten ihre 90-Quadratmeter-Wohnung nicht mehr bezahlen kann, soll sich dann freuen, in eine kleinere Bleibe zu ziehen – die der Vermieter zu „fairen Preisen“ anbieten muss.

Über den Grund für den Wohnungsmangel vor allem in Berlin sprach sie nicht: die miserablen Neubau-Zahlen in der Hauptstadt. Und die liegen nicht nur an dem Mietpreisdeckel, sondern auch daran, dass Grüne und Linke „die Vermieter“ zum Sündenbock für die Fehler der Berliner Wohnungspolitik stempeln, und immer wieder mit Enteignung drohen – so wie gerade die „Grüne Jugend“ in einer Agitprop-Veranstaltung vor dem Roten Rathaus.

Unter diesen Bedingungen verspüren nur wenige Lust, ihr Geld in einen Berliner Wohnungsneubau zu stecken. Nach einer Analyse von Immowelt sanken die Kaufpreise für Wohnungen im 3. Quartal 2022 in den meisten deutschen Großstädten – aber nicht in Berlin.

Jaraschs Idee des „Vermieterführerscheins“ würde für eine Konjunktur sorgen – bei den Stellen im öffentlichen Dienst. Und gleichzeitig die Lust noch weiter senken, in der Hauptstadt Wohnraum anzubieten.

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