Tichys Einblick
Kaputt durch Öko?

Bauernproteste: Mit dem Traktor gegen das Höfe-Sterben

Die Bauern fühlen sich von Berlin und Brüssel schikaniert, von den Medien schlecht behandelt. Noch gelingt es den CDU-nahen Verbänden, dem Protest die Spitze zu nehmen - aber die Wut wächst von unten.

Farmers gather with their tractors near the headquarters of the the National Institute for Health and Environment (Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu), for a protest against the nitrogen policy rules, in Bilthoven, on October 16, 2019.

Robin van Lonkhuijsen/ANP/AFP via Getty Images

Die Proteste der Bauern in Europa nehmen zu. In Bonn gingen am Montag etwa 1000 Landwirte aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf die Straße und fuhren mit ihren Traktoren vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium vor. Auch aus Westfalen-Lippe rollten Bauern heran. Sie protestierten gegen das Agrarpaket der Bundesregierung – bei eigentlich Traumwetter für die Herbstaussaat. Veranstaltet wurde diese Demonstration von vier Landwirtschaftsverbänden.

Immer neue Auflagen und Vorschriften in Düngeverordnung, Insektenschutz und »Klimagesetze« machen gerade kleinen Landwirtschaftsbetrieben das Leben schwer, viele Familienbetriebe geben auf, das Höfesterben nimmt mittlerweile dramatische Formen an. Von den rund 32000 landwirtschaftlichen Betrieben allein in Nordrhein-Westfalen geben pro Jahr zwei bis vier Prozent auf. Schweinemastbetriebe beispielsweise bekommen für den Bau neuer, moderner Ställe kaum noch Genehmigungen. Viele Ferkelerzeuger geben auf, das Fleisch wird dann aus dem Ausland importiert.

Der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands (RLV), Bernhard Conzen, führte vollmundig aus: »So kann es nicht weitergehen. Das Agrarpaket ist eine ernsthafte Bedrohung für die Landwirtschaft in Deutschland und damit für unsere Ernährungsgrundlage.«

Conzen forderte, eine nachhaltige Landwirtschaft solle »in gegenseitigem Verständnis für das Notwendige und Machbare« gestaltet werden. »Alles andere bedroht die Existenz der bäuerlichen Familienbetriebe.«

Sein Aufruf an den Staatssekretär im Agrarministerium: »Reden Sie mit uns, damit der Verstand den Vorrang erhält gegenüber der Ideologie.«
»Wir wollen, dass sich die Politik wieder mit uns an einen Tisch setzt«, forderte auch Johannes Röring, der westfälisch-lippische Bauernpräsident.
Besonders in der Kritik der Bauern steht Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Sie wird als »Marionette von Schulze und Merkel« wahrgenommen, so liest man auf einem Plakat an einem Traktor.

Der Staatssekretär im Agrarministerium, Hermann Onko Aikens, wusch seine Hände in Unschuld, verwies in Sachen verschärftes Düngerecht auf die Auflagen aus Brüssel und bezeichnete das Berliner Klimapaket als ausgewogen. Um die Verantwortung abzuschieben – dafür ist Brüssel immer gut.

Jutta Kuhles, Präsidentin der Landfrauen, gab dem Staatssekretär einen symbolischen Wecker. Der zeigt »fünf vor zwölf« an. Doch beide lächelten verständnisvoll einander an. CDU und Bauernverbände sind eng verwoben; man kennt sich, man tut sich nicht weh.

Während die Funktionäre verkündeten: »Wir Landwirte sind zum Umbau der Ställe bereit, dafür brauchen wir aber die nötigen Genehmigungen und finanzielle Unterstützung«, sehen Landwirte diesen Pakt ihrer Verbandsspitzen mit der Agrarpolitik kritisch. Ein paar Subventionen allein werden die schlechte Lage am Land nicht richten. So kommt nicht bei allen Landwirten kam diese Demonstration in Bonn gut an. Wütende Bauern ordneten diese Veranstaltung mehr als »routinemäßige Theateraufführung« ein. Dabei spielte nach Einschätzung dieser kritischen Landwirte der »Parteisoldat Conzen die Rolle des heldenhaften Vorsitzenden« des RLV, während die Rolle des bösen Gesetzgebers mit dem Parteisoldaten Otto Aikens besetzt war. Alle gehören der CDU an. Zu einer echten inhaltlichen Auseinandersetzung kam es erwartungsgemäß nicht. Vielmehr versuchten die Funktionäre nach Auffassung der kritischen Landwirte auszuloten, auf welche Art und Weise sie die Kontrolle über die wütenden Landwirte zurückgewinnen könnten.

Boerenproteste in den Niederlanden und per Facebook

»Boerenproteste« auch in den Niederlanden. Dort gingen auch am Mittwoch die wesentlich heftigeren Proteste der Bauern weiter, die fast flächendeckend auf sich aufmerksam machen und Verkehrsadern blockieren. Mit schwerem Gerät rückten aufgebrachte Landwirte vor Regierungsgebäude, versperrten in Den Haag Innenstadtstraßen. Sogar die Armee rückte mit Fahrzeugen an und blockierte die Zufahrt zum Parlamentsgebäude, nachdem am Dienstag wütende Landwirte die Provinzverwaltung Groningen zu stürmen versuchte. Die Polizei setzte Schlagstöcke ein.

Sie sollen ihre Nutztierhaltung abbauen, also ihre Arbeits- und Lebensgrundlage über Bord werfen.
Ein Leser auf Twitter antwortet: »Mensen met ruggengraat. Als we niet allemaal van die angsthazen waren zag Nederland er nu heel anders uit.« (»Menschen mit Rückgrat. Wenn wir nicht alle diese ängstlichen Hasen waren, sähen die Niederlande jetzt ganz anders aus.«)

Für den 22. Oktober haben Bauern in Deutschland die nächsten breiten Demonstrationen angekündigt. Motto: »Land schafft Verbindung – wir rufen zu Tisch«. Diesmal sind es keine offiziellen Verbände, die die Demonstrationen veranstalten, sondern es ist eine Landwirtebewegung aus dem Netz: »Land schafft Verbindung«. Der entsprechenden Facebook-Gruppe sind seit dem 1. Oktober bereits 10 000 Landwirte aus Deutschland beigetreten. Sie fordern:

  • Das Agrarpaket gefährdet bäuerlichen Familienbetriebe. Wir wollen sie erhalten.
  • Die Verschärfung der Düngeverordnung führt zu Unterdüngung. In den sogenannten roten Gebieten schadet das dem Boden und dem Wasser mehr, als es nützt.
  • Buhmann der Politik und vieler NGOs: Die permanente negative Stimmungsmache, das Bauernbashing, führt zu Ärger und Frustration im Berufsstand. Diskriminierung, Benachteiligung und Mobbing von Angehörigen gehören zur Tagesordnung. Das gefährdet die Zukunft der Betriebe und des ländlichen Raums. Unter solchen gesellschaftlichen Umständen und ständig an den Pranger gestellt, oft weder fach- noch sachgerecht, verliert der Beruf des Landwirts seine Attraktivität.
  • Das Mercosur-Handelsabkommen gefährdet durch Billigpreise importierter Waren, die Versorgung mit sicheren, qualitativ hochwertigen und geprüften Lebensmitteln aus der Region.

Mitorganisator Landwirt Thomas Andresen aus Schleswig-Holstein macht schon seit längerem seinen Ärger über die Einschränkungen der Landwirtschaft in kurzen Videos Luft.

Was hatten »Farmer for Future« bei ihrer Demonstration in Bonn auf ein Transparent geschrieben? »Sie säen nicht und ernten, aber sie wissen alles besser.«

Anzeige